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Gerichtsstreit Bäcker gegen DiscounterBacken oder nicht, das ist die Frage

Bei Aldi bekommt der Kunde auch Backwaren. Aber wie werden sie hergestellt? Darüber streiten deutsche Bäcker vor Gericht. Nun sagte ein Gutachter aus.

Lecker. Aber wo wird‘s gebacken? Foto: dpa

Berlin taz/dpa | Backen oder nur aufbacken? Da hilft nicht mal ein Experte: Eine Antwort auf die zwischen den deutschen Bäckern und Aldi Süd umstrittene Frage bleibt auch nach der zweistündigen Aussage eines Sachverständigen aus.

Seit mittlerweile vier Jahren streiten sich die beiden Parteien über Aldis Back-Ambitionen. Die Klage des Zentralverbandes des Deutschen Bäckerhandwerks richtet sich gegen eine Werbung des Discounters für Brötchen und Brote aus einem als „Backofen“ bezeichneten Automaten. Der gibt auf Knopfdruck Backwaren heraus. In der Reklame warb der Konzern damit, dass in den Filialen den ganzen Tag frisch gebacken werde. Doch was genau in dem großen Kasten passiert, ob etwa Brote aus rohem Teig oder schon vorgebackene Waren hineinkommen, blieb bisher das große Geheimnis des Discounters. Im Mittelpunkt des Streits steht daher die Frage: Kann Aldi Süd dafür den Begriff Backen verwenden?

Für die Bäcker ist klar: Der Discounter führt die Verbraucher in die Irre, denn in dem Automaten werde nicht gebacken. „Es geht um das Selbstverständnis“, sagte Amin Werner, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes des Deutschen Bäckerhandwerks, am Dienstag. Aldi backe nicht und sei hier Trittbrettfahrer der Bäcker.

Der Discounter hatte zum Start der Auseinandersetzung 2011 angegeben, es finde nicht nur eine „Bräunung“, sondern ein „Backvorgang“ in dem Automaten statt. Allerdings ließ das Unternehmen die Landgerichtskammer im Jahr 2011 nicht hinter die Fassade seines „Backofens“ schauen.

Das sollte dafür nun der Experte Jürgen-Michael Brümmer im Auftrag der Kammer übernehmen. Der befand, es kämen Brote und Brötchen in den Automaten, die bis zu 60 bis 70 Prozent teilgebacken sind. Zudem sagte Brümmer, in den meisten anderen Backstuben würden die Teiglinge zunächst nur zum Teil und erst kurz vor dem Verkauf fertig gebacken. Eine klare Antwort auf die zentrale Frage steht damit nicht fest. Aldi Süd wollte sich am Dienstag nicht zum Gutachten äußern und verwies nur auf das laufende Verfahren.

Die deutschen Bäcker leiden unter der Konkurrenz der Discounter. Viele Filialen verfügen über eigene Backstationen, Kunden müssen für Brötchen schon lange keinen Bäcker mehr aufsuchen. In den vergangenen Jahren ist die Anzahl der Betriebe stetig zurückgegangen, nach Angaben des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks zuletzt von 13.171 Bäckereien im Jahr 2013 auf 12.611 Betriebe in 2014.

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10 Kommentare

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  • Die Teiglinge werden zu 80-90% in den Backfabriken gebacken, schockgefrostet und u.A. von mir dann zuende gebacken.

    Das kann man mögen, oder auch nicht.

    Aber genau dieses Verfahren wird jetzt im Zusammenhang mit der Schulverpflegung als das Non-plus-ultra gefeiert. Vor allem wenn auch noch irgendwie "Bio-vegetarisch-vegan" draufsteht.

    Die "Bäcker" bestellen bei ihren Mühlen Backmischungen, die sie nur noch anrühren oder kneten müssen und erhalten ein Brot wie aus dem Katalog.

    Diese Diskussion ist eine sehr deutsche, geprägt von Menschen, die weder Not noch Hunger je erlebt haben und sich über ihre "Eßkultur" vom Pöbel absetzen wollen.

    • @DAVBUB:

      Diese Diskussion findet nur bei 5, vielleicht 10 Prozent der Einwohner statt. Der Rest kauft das, was sie hier beschreiben. Nicht alle Bäcker machen das, aber sehr viele und dann ist es egal, ob ich Backwaren in einem Discounter, eine Bäckerei oder einer Selbstbedienungsbilligkette kaufe.

       

      Am Ende wird der Preis entscheiden und bei Lidl kostete ein Croissant weniger als 40 Cent, ein wirklich handwerklicher Croissant kostet in Hamburg auf jeden Fall €1 - das sind 150 Prozent mehr. Wer kann und will diese Differenz auf Dauer bezahlen?

       

      Damit eine Brotfabrik gut arbeiten kann, muss der Teig komplett formbar und steuerbar sein. Der Teig muss seine Unberechenbarkeit komplett verlieren.

       

      Ein echtes Ciabatta klebt aber und nervt den Bäcker, wenn er es per Hand macht. Ein echtes Baguette braucht lange, kühle Gehzeiten - das kann es in einer Brotfabrik meist nicht geben, also kommt die Chemie ins Spiel. Und nicht nur hier. Alleine die Aufbackbrötchen der Discounter sind ein Megageschäft geworden.

       

      Aber: Es geht bei den Brotfabriken nicht nur um Mengen und Preise, sondern am Ende auch um die richtige Chemie, weil nur sie den Ablauf, die Effizienz, die wirklich satten Gewinne garantiert und ob die wirklich so harmlos ist, wird nicht wirklich untersucht.

       

      Ist nur was für Chemiker und selbst die würden es schwer haben, genau zu bestimmen, was da eigentlich gemacht wirdund wie sich das auf den Menschen auswirkt.

       

      Mit Hunger und Not hat das übirgens alles nichts zu tun, eher mit Übergewicht, Zeitmangel, Essgewohnheiten und Marktmechanismen.

  • "... Kunden müssen für Brötchen schon lange keinen Bäcker mehr aufsuchen"

     

    Wo ich wohne, gibt es keinen 'Bäcker' mehr. Dazu muss ich ins Auto und 10 Minuten fahren, dann bekomme ich Brot und Brötchen vom Bäcker. Aber: Gegenüber ist ein Laden, der hat ein Schild, darauf steht 'Bäckerei'.

     

    Nur: Hier backt niemand. Preise mit der 10-Minuten-Fahrt-Bäckerei sind allerdings identisch. Wie kann das sein?

     

    Nun ja, solange der Kunde da mitmacht, werden ihm Teiglinge / aufgebackene Vorprodukte usw. aus den vier oder fünf großen europäischen (Back)Fabriken einfach vorgesetzt.

     

    Was in denen drinnen ist und ob die vielen Zusatzstoffe nicht doch schädlich sind, kann auch niemand beantworten, weil nur die Hersteller dieser Mischungen wissen, was wirklich in ihren Mischungen drinnen ist. Und die verraten es nicht, was auch die Kontrollbehörde akzeptiert, schließlich ist der Wettbewerb mehr wert als der Gesundheitsschutz - steht das nicht auch so im Grundgesetz?

     

    Ich glaube zwar nicht, aber ich kann nur sagen: Selber backen. Eigene Zutaten, eigene Kontrolle und natürlich Bio. Oder ab und an mal eine Fahrt zum echten Bäcker.

    • @Andreas_2020:

      Da empfehle ich dir als Lektüre doch mal meinen Blog http://www.brehl-backt.de

       

      Habe auch vor ein paar Jahren angefangen selber zu backen - wenn es die Zeit erlaubt (zum Glück gibt es in meiner Region auch eine gute Auswahl an handwerklichen Biobäckern). Schon eine ganze Weile beschäftige ich mich privat, wie auch beruflich mit gesunden Lebensmitteln.

  • Ein Bäcker ist jemand, der mit seinen eigenen Hefekulturen seinen eigenen Teig erzeugt, daraus Backwaren macht und diese verkauft.

    Die wenigsten, die sich Bäcker nennen erfüllen diese Anforderung.

  • Ich kaufe am liebsten richtig, ganz von einem Bäcker gebackene Brötchen. Wenn der Bäcker auch nur Teiglinge oder so aufbereitet, dann ist doch da tatsächlich zum Discounter-Backshop auch kein Unterschied mehr. Damit möchte ich nicht die Discounter-Backshops aufwerten, aber eher die meisten Filialen à la "Dat Backhus" abwerten, da dort ja sogar für den Kunden sichtbar auch nur noch aufgebacken wird.

     

    Leider sind "richtige" Bäcker sehr selten geworden, wahrscheinlich, weil es sich in Anbetracht der Billigheimer-Konkurrenz nicht mehr lohnt. Schade.

    • @Wu:

      Ich bevorzuge auch echte Bäcker und setze dabei auf Bio. Zum Glück gibt es in meiner Region da eine tolle Auswahl an handwerklichen Bäckern, die auch noch Rohstoffe aus meiner Region beziehen.

       

      Ich fürchte, dass sich ein großer Teil der Verbraucher über die Unterschiede Teigling und Handwerk nicht im Klaren sind. Brot ist doch Brot und im Discounter oder im Backshop billiger. Aber Hauptsache nen teures Smartphone...

  • Ok, "die Bäcker" "backen alle noch selbst"! Wer's denn glauben will!

    Zunächst haben Backmittel aus Neu-Ulm, Ingelheim, Werne, Colditz und vielen anderen Orten Hochkonjunktur. Zum anderen werden selbst in den "handwerklichen" Bäckereien, erst Recht in den Filialläden spätestens ab Mittag nur noch Teiglinge aufgebacken.

    Nicht die Discounter machen die Bäckereien kaputt, die Verwendung von Backmitteln führt seit 50 Jahren zu einer Industrialisierung des Handwerks. Sollen sich die Bäcker doch wieder auf ihr Handwerk besinnen und die Fertigmischungen ihrer übermächtigen Einkaufsgenossenschaft boykottieren.

  • ..brötchen sind nicht gleich brötchen. wer sich mit enzymen und weiteren backzutaten zufrieden gibt, soll beim discounter glücklich werden

    s. dazu auch - 5.Eintrag: http://mikeondoor-news.de/mikrowelle-in-der-kueche-aspartam-citronensaeure-flour-und-andere-killer/

    • @mike12345:

      Zwar wurde es hier schon mehrfach erwähnt, aber noch einmal:

       

      Die allermeisten "Bäckereien" funktionieren nach genau dem gleichen Prinzip wie die Aufbackshops der Discounter. Hier müssen die Brötchen vielleicht 10% mehr aufgebacken werden als beim Discounter, das ist dann aber auch der einzige Unterschied.