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Gericht zu Kundus-OpfernKeine Kompensation aus Deutschland

Bundeswehr-Oberst Klein hatte 2009 einen Bombeneinsatz angeordnet. Dutzende Unschuldige starben. Schadensersatz bekommen ihre Familien nicht.

Der 2009 zerstörte Tanklastzug in Kundus. Bild: dpa

KARLSRUHE taz | Die Opfer des Tanklaster-Bombardements von Kundus 2009 haben keinen Anspruch auf Schadensersatz gegen Deutschland. Das entschied jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Köln. Es lehnte damit die Klagen von zwei Afghanen ab, die bei dem tödlichen Luftschlag Angehörige verloren hatten.

Der blutigste deutsche Militäreinsatz seit 1945 bleibt damit ohne rechtliche Folgen. Wie schon die Vorinstanz, das Landgericht Bonn, konnten die Kölner Richter bei Oberst Klein, der den Befehl zum Bombardement gab, keine Amtspflichtverletzung erkennen.

Das Unheil begann am Nachmittag des 3. September 2009, als Taliban in Afghanistan zwei Tanklaster entführten. Gegen 18 Uhr versuchten die Laster einen Fluß zu durchquerenl, blieben jedoch in einer Furt stecken. Am Abend riefen die Aufständischen die Bewohner der umliegenden Dörfer herbei, es gebe kostenloses Benzin. Bis in die Nacht standen bis zu 200 Menschen um die Laster herum. Die Bundeswehr, die für die Region zuständig war, forderte zwei US-Kampfflugzeuge an.

Um 1.50 Uhr befahl Oberst Klein, die Tanklastwagen und die Personen zu bombardieren. Wie viele Menschen starben, ist bis heute umstritten. Die UN-Afghanistan-Mission ging von 74 Toten aus, darunter viele Minderjährige. Andere Quellen sprechen von bis zu 150 Todesopfern.

Freiwillige Zahlung

Strafrechtliche Ermittlungen gegen Oberst Klein endeten ebenso ergebnislos wie ein Disziplinarverfahren. Klein wurde sogar zum Brigadegenal befördert. Am Ende blieb nur die Hoffnung auf Schadensersatz.

Den zivilrechtlichen Prozess löste der Bremer Anwalt Karim Popal aus, der selbst aus Afghanistan stammt. Schon kurz nach dem Bombardement war er nach Afghanistan gereist und hatte auf eigene Faust mit Angehörigen und Zeugen gesprochen. Im Namen von zwei Angehörigen hat der Anwalt Ende 2011 einen Musterprozess angestrengt.

Ein 38-jähriger Bauer, der zwei Söhne im Alter von acht und zwölf Jahren verloren hat, fordert 40.000 Euro Schmerzensgeld. Und eine 35-jährige Frau, deren Ehemann getötet wurde, verlangt 50.000 Euro Schadensersatz. Sie muss ihre sechs Kinder nun allein durchbringen. Die Bundeswehr hatte an die Opfer freiwillig je einige Tausend Euro bezahlt, was Popal jedoch als völlig unzureichend zurückwies.

Keine Fehler in der Aufklärung

Wie schon das Landgericht Bonn im Dezember 2013, lehnte nun auch das OLG Köln die Klage ab. Zwar sei es möglich, auch bei militärischen Auseinandersetzungen Schadensersatz zu verlangen. Voraussetzung wäre aber eine Amtspflichtverletzung von Oberst Klein gewesen. Diese konnten die Richter nicht erkennen. Er habe zum damaligen Zeitpunkt mit den ihm vorliegenden Informationen nicht erkennen müssen, dass es sich bei den Personen um die Tanklaster überwiegend um Zivilisten handelte.

Kleins Hauptinformationsquelle war ein afghanischer Informant, der auch nach mehrmaligen telefonischen Nachfragen versicherte, dass ausschließlich „Aufständische“ um die Tanklaster herumstanden. Außerdem konnte Oberst Klein noch auf die Video-Bilder zugreifen, die die herbeigerufenen amerikanischen Jagdbomber aus rund 360 Meter Höhe lieferten. Doch darauf sei nicht zu erkennen gewesen, so die Richter, ob die Personen bei den Lastern bewaffnet oder unbewaffnet waren, ob es sich um Erwachsene oder Kinder handelte.

Vermutlich ist der Prozess noch nicht zu Ende. Das OLG hat Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen. Az.: 7 U 4/14

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12 Kommentare

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  • Der Fehler war Bundeswehrsoldaten überhaupt nach Afghanistan zu schicken.

  • Das wär' ja noch schöner, wenn "wir" jetzt auch noch für die "Übernahme internationaler Verantwortung" löhnen müssten!

     

    Stellt sich die Frage, was denn der Angriff auf die Menschen am Tanklastzug war - "höhere Gewalt"?

     

    Wie lange sollen wir / die Menschen in Krisengebieten es noch hinnehmen, eine schnell zu beendende Existenz als potenzielle Kollateralschäden zu führen?

    • @Jared J. Myers:

      So lange das Kriegsvölkerrecht "gebotene und angemessene militärische Handlungen" als legitimen Teil militärischen Handelns definiert, gibts für die davon betroffenen Zivilisten nix....

       

      Militärisch war die Aktion durchaus nachvollziehbar, so what? Die Zivilisten waren kriegserfahren und kannten das Risiko.

      • @KarlM:

        Wie kommen Sie darauf, dass Kinder schon die Fähigkeit besitzen, evtl. Kriegserfahrungen auch so zu verarbeiten, dass sie die nötigen Schlüsse draus ziehen können?

      • @KarlM:

        Mal abgesehen von der menschenverachtenden Natur Ihres Beitrags:

         

        Das Kriegsrecht greift erst, wenn eine Kriegserklärung ausgesprochen wurde. Das hat weder Afghanistan an Deutschland getan, noch andersrum. Wenn Sie sich an das herumlavieren um den Begriff "Krieg" bei den Politikern wie Guttenberg erinnern wollen...denn das wäre mit dem Grundgesetz unvereinbar.

        • @muds0r:

          Aber sonst gehts?

           

          Der Verweisauf die Rechtslage ist kein Grund den "Boten zu köpfen", nur weil einem der Inhalt nicht passt.

           

          Kriegsvölkerrecht greift sehr wohl, wenn hier organisierte Gruppen unter geschlossener Führung usw usw...handeln.

           

          Was irgendwelche heuchlerischen Politikerdarsteller angeht, was die fabulieren ist ziemlich egal. "Brunnen erschießen und Taliban bohren" oder so, war von Anfang an die Intervention einer bewaffneten Macht und nur sehr theoretisch mit dem GG zu vereinbaren.

        • @muds0r:

          Und im Übrigen dadurch, dass das Kriegsrecht nicht greift, müsste man die Aktion als hinterhältigen Angriff auf Zivilisten, also per Definition als Terrorakt, werten.

      • @KarlM:

        Das ist keine befriedigende Antwort für einen Bewohner einer Konfliktzone.

        Ein Angegriffener könnte auf die Idee kommen, ein Widerstandsrecht zu haben - und mangels anderer Widerstandsmöglichkeiten könnte ein von Drohnenangriffen Bedrohter versuchen, die Steuerungszentrale plattzumachen. Mit den durch "gebotene und angemessene militärische Handlungen" verbundenen Kollateralschäden.

        • @Jared J. Myers:

          "und mangels anderer Widerstandsmöglichkeiten könnte ein von Drohnenangriffen Bedrohter versuchen, die Steuerungszentrale plattzumachen"

           

          Und dieser Angriff dürfte ebenso abgewehrt werden. Was z.B. in Kundus geschehen ist.

          Das der Angriff nicht die Falschen getroffen hat zeigten doch die folgenden Wochen.

          Waren zuvor täglich Angriffe auf Patrouillen und Schulen gemeldet worden war es nach dem Bombardement extrem ruhig. Für Wochen hat man nichts mehr von den Aufständischen gehört.

          Erst wieder mit der nächsten Frühjahrsoffensive drangen wieder größere bewaffnete Gruppen in das Gebiet vor. Wenn also so viele Zivilisten gestorben sind, was passierte mit den Aufständischen?

          Und in der afghanischen Stammeskultur kann auch ein 12 jähriger schon als Mann gelten. (In deren Sichtweise)

          Gleichfalls ist ein Leichnam mit Waffe ein Aufständischer gewesen. nimmt man die Waffe weg wird er zum Zivilist, nachdem andere identifizierende Merkmale wie Uniformen fehlen.

          Der "Tatort" konnte nicht zeitnah gesichert werden, logischerweise blieben nur "Zivilisten" zurück.

        • @Jared J. Myers:

          Das interessiert mich ehrlich gesagt sehr wenig. Grundsätzlich, betrachten Sie die Geschichte der letzten 40 Jahre, sind die Leute dort zu einem Gutteil selbst an ihrem Elend schuld.

           

          Und wenn sich die Geschädigten militärisch organisiseren und entsprechend handeln, wer sollte ihnen das vorwerfen? Ich sicher nicht, nicht nur weil ich für begründete Resilienz etwas übrig habe.

          • @KarlM:

            Ach je, jetzt weiß ich gar nicht, wo ich zu antworten beginnen soll: Vielleicht beim "Selbst Schuld": Historisch betrachtet, war Afghanistan immer Randgebiet irgendwelcher Großreiche - der Parsen, der Moguln, dann der Engländer, und vor allem der paschtunische Bevölkerungsteil gründete seinen Stolz darin, immer und immer wieder die Unabhängigkeit des Landes erkämpft zu haben. Eine Modernisierung versuchten die Ministerpräsidenten und die Präsidenten seit 1965 durchzusetzen; allerdings blieb das Land bis heute agrarisch dominiert mit einer recht diversen, aber insgesamt konservativen Stammesgesellschaft als Machtbasis

             

            Die Präsidenten Afghanistans nach der unblutigen Absetzung des Sahir Shah lehnten sich größtenteils an die Sowjetunion an, und seit den 70er Jahren befindet sich das Land im Kriegszustand - "dank" der fortwährenden feindlichen Aktivitäten beider damaliger Weltmächte - und Pakistans (woher die Taliban stammten). Die Leute sind vielleicht "schuld" an ihrer Stammesgesellschaft, in der es sich zweitweise in den 70ern recht gut leben ließ, aber für Sowjets, CIA, Pakistani, "Al Qaida" und "Enduring Freedom" können sie mit Sicherheit nichts.

             

            Was nun die Resilienz angeht: Mir ist es doch erheblich lieber, die Leute streiten erfolgreich für eine angemessene Entschädigung vor einem hiesigen Gericht und gewinnen den Prozess, als dass eines Tages ein paar Drohnen einfacherer Bauart, Kamikaze-Piloten o.ä. dort niedergehen, wo sie das Haus von Oberst Klein, seine Einheit oder den CentCom-Ableger in Deutschland vermuten.

            • @Jared J. Myers:

              Bis auf den letzten Absatz stimme ich Ihnen weitgehend zu!

               

              Natürlich ist den Einwohnern nur eine Teilschuld anzulasten. Richtig hochgekocht haben die Interventen die Region, ohne Frage. Fast os als woltlen die den BTM-Anbau dort noch forcieren. Was ja auch gelungen scheint.

               

              Natürlichist die Lage jetzt menshcenrechtlich und völkerrechtlich verfahren. Das mag sich erst ändern, wenn die Bevölkerung nicht mehr mitspielt. Und ich befürchte das rücksichtsvolle Beschreiten des Rechtsweges allein hilft da nicht weiter.