Gericht gibt freiem Autor Recht: Mit "Geo" im Steinbruch

Ein Journalist schickte "Geo" einen Artikel. Die Redaktion schrieb ihn so stark um, dass der Autor den Text nicht mehr erkannte. So geht's nicht, urteilte nun ein Gericht.

Blöd für alle Autoren: Wenn nach dem Redigieren nichts mehr vom eigentlichen Text übrig ist. Bild: fmatte/photocase

Peter-Matthias Gaede ist derlei Gegenwind nicht gewöhnt. Als Geo-Chefredakteur zehrt er zwar trotz des Kisch-Preises für eine Geo-Reportage im vergangenen Jahr nicht unwesentlich von Ruhm und Renommee vergangener Zeiten, doch gilt das G+J-Magazin immer noch als Insel der Seligen mit üppigen Honoraren und intensiver Betreuung von Autoren und Texten.

Umso größer war dann auch das Erstaunen darüber, dass ein langjähriger freier Autor mit der Bearbeitung einer seiner zahlreichen Geschichten für Geo so unzufrieden war, dass er gegen die Veröffentlichung klagte. Das Hamburger Landgericht hat Christian Jungblut jüngst Recht gegeben und die weitere Verbreitung von "Plan B" aus Heft 12/2009 verboten (308 O 78/10).

Gaede äußert sich nicht öffentlich zu dem Urteil - zumindest nicht, wenn er Nachfragen fürchten muss. Im Blog des Medienjournalisten Stefan Niggemeier (wo der Fall Jungblut heiß diskutiert wird) kommentierte der Geo-Chef: "Es sollten sich jene mit dem Urheberrecht schon anhören, was jene zu ihrem Werk sagen, die für das Wohl und Wehe eines Blattes in Haft genommen werden können. Deshalb macht sich speziell die Geo-Textredaktion, die einen gewissen Ruf in Qualität zu verteidigen hat, erhebliche Mühe bei der Redigatur und im Gespräch mit Autoren, wenn es um mögliche Verbesserungen geht" - eine bemerkenswerte Aussage, weil sie mit dem Urteil nur am Rande zu tun hat. Sie wirft eher ein Schlaglicht auf das spannungsreiche Verhältnis zwischen freien Mitarbeitern und ihren Auftraggebern.

Das Gericht hat nicht darüber befunden, ob Jungbluts Geschichte oder das, was davon übrig geblieben ist, durch das Redigat gewonnen hat (möglicherweise ist das sogar der Fall), sondern klargestellt, dass die Redaktion ihr in einem Autorenvertrag festgeschriebenes "Bearbeitungsrecht" überschritten hat. Ohne die Zustimmung des Autors hätte ein so stark veränderter Text nicht erscheinen dürfen: Der Kläger habe "das Recht, auf seinen Sprachstil zu bestehen oder andernfalls seine Veröffentlichung zu untersagen".

Und Jungblut hat sich auch nicht, wie es Gaede nahelegt, uneinsichtig gezeigt. Während des halben Jahres zwischen Abgabe der ersten Fassung und Erscheinen des Hefts hat Jungblut Anmerkungen und Änderungswünsche der Redaktion beherzigt, wie auch das Gericht bestätigte. "Geo hat sich von einem ausgesprochenen Autorenmagazin zu einem Magazin gewandelt, bei dem Autoren und ihre Rechte häufig nicht mehr respektiert werden", beklagt Jungblut im Gespräch mit der taz und vertritt seine Überzeugung, dass "erst durch die kleinen Schrunden und Kanten eines Textes und die individuelle, wiederkennbare Sprache einzelner Autoren Leser-Blatt-Bindung entsteht".

Als er sich in einem früheren Fall schon mal mit den Worten "Ich bin hier kein Steinbruch-Lieferant" über extensive Änderungen beschwert habe, habe Gaede erwidert: "Jeder ist hier-Steinbruch-Lieferant."

Peter-Matthias Gaede möchte dieses Zitat nicht bestätigen, widerspricht der beinahe zwangsläufig daraus resultierende Frust doch seiner Äußerung aus dem Niggemeier-Blog, dass Geo-Autoren "es allesamt (minus 1) offenbar ganz gut mit uns ausgehalten haben und noch tun."

"Das ist natürlich Quatsch", sagt Kai Schächtele, Vorsitzender der Freischreiber. "Dass freie Autoren sich schlecht behandelt fühlen, ist kein Einzelfall - auch nicht bei Geo." Ein wichtiger Faktor sei dabei "die Arroganz der Macht, zu demonstrieren, wer am längeren Hebel sitzt."

Schächtele erhofft sich durch das Urteil "eine Sensibilisierung dafür, wie Autoren und Redaktionen professionell und von gegenseitigem Respekt getragen zusammenarbeiten können." Der Weg dahin ist aber noch weit: Gaede hat bereits durchblicken lassen, dass der Verlag in Berufung gehen wird.

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