Gericht erlaubt deutsche Exporte: AKW in Belgien kann weiterlaufen

Das belgische Uralt-AKW Doel darf weiter mit deutschen Brennelementen beliefert werden. Eine Klage hat keine aufschiebende Wirkung.

Kernkraftwerk Doel in Antwerpen

Muss jetzt doch nicht mangels Brennelementen heruntergefahren werden: das belgische AKW Doel Foto: Bernd Lauter/imago

BERLIN taz | Die Hoffnung mehrerer Antiatomkraftgruppen, den Export von Brennelementen aus der deutschen Atomfabrik in Lingen ins belgische AKW Doel auf juristischem Weg stoppen zu können, hat sich nicht erfüllt. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel hat am Dienstag im Gegensatz zur vorigen Instanz entschieden, dass eine Klage gegen die erteilte Exportgenehmigung keine aufschiebende Wirkung hat.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar. Darum dürften nun bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache weiterhin Brennelemente von Lingen nach Doel geliefert werden. Wäre der Export bis dahin untersagt geblieben, hätte das umstrittene belgische AKW nach Angaben der Betreiber im März nächsten Jahres teilweise heruntergefahren werden müssen.

Der Kläger hatte argumentiert, dass der Export der Brennelemente in die grenznahen, 45 Jahre alten Reaktorblöcke Doel 1 und 2 gegen das Atomgesetz verstoße, das Exporte untersagt, wenn dadurch die „innere oder äußere Sicherheit“ der Bundesrepublik gefährdet werde. Das sei gegeben, weil durch das mit dem Betrieb verbundene Risiko sein Recht auf Leben, Gesundheit und Eigentum verletzt werde. Der Betreiber der Brennelementefabrik Lingen, eine Tochter des franzöischen Atomkonzerns, hatte beantragt, trotz der laufenden Klage Brennelelemente nach Doel liefern zu dürfen.

Dem gab der Verwaltungsgerichtshof jetzt statt. Dabei ließ er offen, ob die vom zuständigen Bundesamt erteilte Exportgenehmigung rechtmäßig ist. Entscheidend ist nach Ansicht des Gerichts, dass sich Einzelpersonen nicht auf das Atomgesetz berufen können, um ihr Schutzinteresse durchzusetzen. Dies schütze keine individuellen Rechtsgüter, sondern den Staat als Ganzes. Anwältin Cornelia Ziehm, die den Kläger vertritt, zeigte sich verwundert über die Ent­scheidung. „Das Gericht legt den Begriff der inneren Sicherheit, der gesetzlich nicht definiert ist, sehr eng aus“, sagte sie der taz.

Auch mehrere Antiatomkraftgruppen, die die Klage unterstützt hatten, äußerten sich enttäuscht. „Der Export der Brennelemente zum jetzigen Zeitpunkt schafft unwiderrufliche Fakten und erhöht massiv die Gefahr eines schweren Atom­unfalls in Belgien“, erklärte Gerd Otten vom Elternverein Restrisiko Emsland. Am Samstag soll darum eine Mahnwache vor der Brennelementefabrik in Lingen stattfinden.

Jetzt ist die Politik gefragt

Nachdem der juristische Stopp zunächst gescheitert ist, sei wieder die Politik gefragt. Die Bundesregierung müsse „die gefährlichen Brennelementexporte sofort politisch unterbinden“, erklärte Angelika Claussen von der Ärzteorganisation IPPNW. Dieses Ziel hatten Union und SPD auch im Koalitionsvertrag festgelegt. „Wir wollen verhindern, dass Kernbrennstoffe aus deutscher Produktion in Anlagen im Ausland, deren Sicherheit aus deutscher Sicht zweifelhaft ist, zum Einsatz kommen“, heißt es darin.

Doch passiert ist seitdem nichts – nicht nur eine gesetzliche Schließung der Brennelementefabrk wird vom CDU-geführten Wirtschaftsministerium bisher blockiert, sondern auch ein Gesetzentwurf aus dem Umweltministerium, der Exporte in grenznahe AKWs mit einem Alter von mehr als 30 Jahren verbieten würde.

Das SPD-geführte Umweltministerium will nun offenbar darauf drängen, das Gesetz zu beschließen. „Diese Woche findet dazu ein weiteres Gespräch statt“, teilte ein Ministeriumssprecher der taz mit. Und: „Das Umweltministerium geht davon aus, dass alle Beteiligten zur Umsetzung des Koalitionsvertrages bereit sind.“

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