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Geplantes Datenschutz-GesetzRasterfahndung im Betrieb

Ein Gesetzentwurf der Bundesregierung schränkt die heimliche Überwachung der Beschäftigten ein, erlaubt aber die offene Videoüberwachung am Arbeitsplatz

Arbeitgeber können ihre Beschäftigen künftig leichter offen überwachen. Bild: dpa

Die heimliche Videoüberwachung im Betrieb ist künftig verboten. Das sieht ein Gesetzentwurf vor, der am Mittwoch im Bundeskabinett auf den Weg gebracht werden soll. Im Gegenzug können Arbeitgeber ihre Beschäftigen künftig aber leichter offen überwachen. Der Gesetzentwurf von Innenminister Thomas de Maizière (CDU), der der taz vorliegt, ist mit den Koalitionsfraktionen abgestimmt.

Bisher beruht der Datenschutz für Arbeitnehmer im wesentlichen auf Urteilen des Bundesarbeitsgerichts (BAG). Im neuen Gesetz wurden an mehreren Stellen die Rechte von Unternehmen und Beschäftigten völlig neu definiert.

So hat das Bundesarbeitsgericht in einem Grundsatzurteil von 2003 die heimliche Videoüberwachung im Betrieb zugelassen, um den konkreten Verdacht einer Straftat aufzuklären. Damals ging es um fehlendes Geld in der Kasse eines Getränkemarkts.

Künftig ist das heimliche Filmen von Beschäftigten nicht mehr möglich. "Das ist ein großer Erfolg der FDP", sagte deren rechtspolitischer Sprecher Christian Ahrendt. Tatsächlich wollte Innenminister de Maizière die bisherige Rechtsprechung beibehalten.

Auch der Einsatz von Wanzen gegen Mitarbeiter ist künftig ausgeschlossen; eine heimliche Aufzeichnung von Gesprächen ist nicht mehr möglich. Zulässig bleibt aber der heimliche Einsatz von Privatdetektiven. Solche Geheimeinsätze dürfen aber im konkreten Fall nicht länger als 24 Stunden oder insgesamt vier Tage dauern. Zulässig sind heimliche Maßnahmen nur, wenn ein konkreter Verdacht auf Straftaten oder schwere Pflichtverletzungen besteht. Im Kernbereich der Privatsphäre, etwa auf der Toilette, darf nie heimlich gespäht werden, auch nicht mit dem sonst erlaubten Fernglas.

Während die heimliche Überwachung durch den Gesetzentwurf damit spürbar eingeschränkt wird, kann die offene Überwachung künftig massiv ausgeweitet werden. Bisher hat das BAG den offenen Einsatz von Videokameras zur bloßen Abschreckung der Beschäftigten abgelehnt. Künftig soll er möglich sein, wenn die Videokameras klar gekennzeichnet werden. Zulässig ist dies unter anderem zum Schutz des Eigentums des Unternehmens oder zur Qualitätskontrolle. Auch abgeschaltete Kameras oder Attrappen müssen gekennzeichnet werden.

Zwar heißt es im Gesetzentwurf, dass bei der offenen Überwachung die Belange des Unternehmens mit den "schutzwürdigen Interessen" der Beschäftigten abgewogen werden müssen. Als Beispiel für vorrangige Beschäftigteninteressen fällt de Maizière aber nur ein, dass in den Räumen des Betriebsrats keine Videokamera aufgestellt werden darf. Generell unzulässig sind Kameras immerhin in Toiletten, Umkleiden und Schlafräumen. Im Raucherzimmer des Betriebs darf dagegen gefilmt werden.

Ausweiten will die Koalition auch die Möglichkeit zur internen Rasterfahndung im Betrieb. Dies soll etwa möglich sein zur Verhütung von Straftaten wie Korruption und Untreue. Dabei kann zum Beispiel ins Blaue hinein abgeglichen werden, ob Beschäftigte die gleiche Anschrift oder Kontonummer wie Zulieferer haben. Auch schwere Pflichtverstöße, wie die Weitergabe von Unternehmensinterna an die Presse, sollen so aufgeklärt werden können, etwa indem geprüft wird, welche Arbeitnehmer im Dienst mit gut informierten Journalisten telefoniert oder Mails gewechselt haben.

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5 Kommentare

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  • FJ
    Frank J.

    @Peter S.-P.: Geht es hier nicht mehr um das arbeitsrechtliche Verhältnis von Arbeitgeber und Arbeitnehmer, als um staatliche Überwachung (was ich aus Ihren Zeilen lese)?

     

    Wenn ich mit dieser Einschätzung nicht irre, dann habe ich sogar Verständnis dafür, dass jemand sein Eigentum schützen möchte — und ich weiss, dass in Betrieben oder Behörden viel "mitgeht" und rumgesessen wird. Es ist also ein Schutzbedürfnis der Arbeitgeberseite zu erkennen, welches sie bisher vermutlich häufiger mit nicht legalen Mitteln befriedigt haben.

     

    Mit kommt der Gedanke, dass ein Arbeitsplatz offen videoüberwacht wird, weitaus angemessener vor, als eine heimliche Bespitzelung, die ja dem Artikel nach weiter eingeschränkt wurde. Dass ein Arbeitgeber sogar — wie in näherer Vergangenheit ja aufgedeckt — mehr oder weniger vorsorglich seine Mitarbeiter ausspäht, das war und wird weiterhin nicht erlaubt sein, wenn ich den Sachverhalt richtig einschätze.

     

    Kein Grund also, in Panik zu machen und böse zu schimpfen auf etwas, dessen Wortlaut vermutlich weder Sie noch ich kennen, oder?

     

    @Anne: Wer sensibles Material an Whistleblower weitergibt, sollte in der Lage sein zu erkennen, dass man dafür besser nicht die Poststelle des Unternehmens, die betriebliche eMail oder das vom Arbeitgeber gestellte Telefon benutzt.

     

    -Frank

  • WC
    Walter C. Dieterich

    Rasterfahndung und Videoüberwachung

     

    Der Kontext in dem diese beiden Begriffe stehen lässt sich wohl nur mit dem Wort "Schlagzeile " erklären.

     

    Der Gesetzesentwurf ändert an der derzeitigen Rechtssprechung nach meiner Meinung überhaupt nichts. Die heimliche Videoüberwachung, der Fachmann spricht von verdeckter Videoüberwachung, ist auch jetzt nur dann erlaubt, wenn ein konkreter Tatverdacht vorliegt und dieser Tatverdacht muss dokumentiert sein, zb. durch eine Anzeige.

     

    Die offenen Videoüberwachung ist auch jetzt schon erlaubt unter Äbwägung aller Interessen der beteiligten Personen. Wie das funktioniert und was dafür erforderlich ist, können Sie auf unserer Internetseite videosystem.de nachlesen.

     

    Wenn der rechtspolitische Sprecher der FDP, Christian Ahrendt meint, dass die FDP dies als großen Erfolg verbuchen will, dass eine verdeckte Videoüberwachung nicht mehr möglich sei, dann hätte sich Herr Ahrendt ebenfalls besser informieren sollen. Wie bereits erwähnt ist es gängige Rechtssprechung, dass eine heimliche Videoüberwachung nicht erlaubt ist.

    Aber dass die FDP ohnehin nicht gescheites weiß,

    ist wieder ein anders Thema.

     

    Tatsächlich hat Innenminister de Maizière die bisherige Rechtsprechung beibehalten und will diese in ein Gesetz einbringen, das ist auch vernünftig, weil dann eindeutig geregelt werden kann , was sein darf und was nicht.

     

    Dass der Einsatz von Wanzen nicht nur gegen Mitarbeiter schon immer ausgeschlossen war sollte auch ein Herr Rath wissen, eine heimliche Aufzeichnung von Gesprächen war in Deutschland auch bislang nicht möglich. Es gibt nicht nur das Recht am eigenen Bild sondern viel stärker das Recht am gesprochenen Wort.

     

    Es ist erstaunlich wie das Wort Videoüberwachung immer wieder die Gemüter in Deutschland erregt und für eine Schlagzeile gut ist, wie in keinem anderen Land der Welt. Dabei gibt es längst Studien, die beweisen, dass Videokameras nach kurzer Zeit gar nicht mehr wahrgenommen werden und auf das Verhalten der Mitarbeiter keinerlei Einfluss haben.

  • PS
    Peter S.-P.

    Schnüffelwut und Überwachungsgeilheit der demokratisch und frei gewählten Machthaber, erinnern stark an Verhaltensweisen totalitärer Systeme.

     

    Es kommt nur darauf an, dem Kind den richtigen Namen zu geben. So gesehen, demokratisch also, nicht totalitär, wird uns die Bespitzelung im Namen unserer eigenen Sicherheit verkauft. Absurd.

     

    Die Statistik einmal anders gelesen, liegt die übermächtige Bedrohung vor der wir geschützt werden sollen, bezogen auf die Gesamtbevölkerung der Bundesrepublik, mal eben im Promillebereich.

     

    Spektakulär ist das nicht, und eine Rechtfertigung immer intersiver zu spitzeln, auch nicht. Die Wahrscheinlichkeit von der Leiter zu fallen liegt tausendfach höher, als das Opfer einer Straftat zu werden.

     

    Unsere Bespitzelung dient nicht der persönlichen Sicherheit, vielmehr ist sie Bestandteil des Gesamtkonzept, des Prinzip: - Größtmögliche innere Stabiltät und Sicherheit, durch Überwachung, Ruhe und Ordnung.

     

    Die Demokratie baut das Schnüffelnetzwerk aus, verfeinert den Überwachungsstaat. Gnade uns Gott, wenn die bereits Heute bestehenden Mechanismen und Möglichkeiten irgendwann in die falschen Hände geraten. Davor sollten wir Angst haben!!

  • K
    KFR

    Der Unterschied zwischen "verboten" und "nicht mehr möglich" ist die Realität; daran mangelt es offensichtlich allenthalben.

  • A
    Anne

    Schwere Pflichverstöße wie die Weitergabe von Informationen an die Presse?! Prima, hat sich was mit einem besseren Schutz der Whistleblower ...