Geplantes Bürgergeld der Regierung: Heil will mehr Geld für Arbeitslose
Der SPD-Arbeitsminister fordert eine „deutliche Erhöhung“ der Regelsätze. Mit der FDP wird das aber schwierig: Sie bleibt skeptisch.
Die Änderungen sollen in Zukunft dafür sorgen, „dass Menschen in der Not verlässlich abgesichert sind.“ Besonders Menschen mit niedrigem und mittlerem Einkommen bräuchten angesichts der derzeitigen Inflationsrate mehr Unterstützung des Staates, sagte Heil.
In der Koalition war dieser Vorstoß offenbar nicht mit allen abgesprochen: In der FDP stoßen die Forderungen auf Kritik. Finanzminister Christian Lindner hatte sich schon zuvor skeptisch gegenüber einer Erhöhung der Grundsicherung für Arbeitslose geäußert. An der Haltung des Ministers habe sich nach wie vor nichts geändert, erklärte das Finanzministerium am Freitag auf Nachfrage.
Neben Lindner kritisiert Jens Teutrine, Sprecher für Bürgergeld der FDP-Bundestagsfraktion, die Reformpläne gegenüber der taz: „Minister Heil nutzt die Sommerpause für Debatten über Berechnungsmethoden der Regelsätze, die ohnehin nicht schnell umgesetzt werden können.“
FDP argumentiert mit dem Koalitionsvertrag
Teutrine bezieht sich auf Äußerungen des SPD-Politikers, auch die Grundlage zur Berechnung des Arbeitslosengelds neu kalkulieren zu wollen. Heil begründet seine Forderung damit, dass der bisherige Mechanismus den aktuellen Preissteigerungen hinterherhinke.
FDP-Politiker Teutrine hingegen erwidert, die Beträge würden wegen der aktuellen Inflationsrate ab dem 1. Januar ohnehin angehoben. Zudem sei im gemeinsamen Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung nicht davon die Rede, die Sozialleistungen für Empfänger:innen von Arbeitslosengeld grundsätzlich zu erhöhen.
Trotzdem will das Bundesministerium für Arbeit und Soziales noch im Sommer einen ersten Gesetzentwurf zum geplanten Bürgergeld präsentieren. Ab Januar 2023 soll das Bürgergeld dann das viel kritisierte Hartz-IV-System ablösen. Ob die Forderungen von Heil bereits davor in Kraft treten und auch die jetzigen Hartz-IV-Sätze erhöht werden sollen, blieb auf Nachfrage offen.
Unterstützung für die Vorschläge von Heil kommt aus der eigenen Partei. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Katja Mast, befürwortet eine Erhöhung der Regelsätze „Ich stehe hinter dem Vorstoß von Herrn Heil“, sagte sie der taz. Sie glaubt auch, dass es gelingt, die FDP mit ins Boot zu holen: „Ich bin zuversichtlich, dass wir nach einem konstruktiven Ringen zu einer guten Lösung kommen.“
Ankündigungen ohne Pläne zur Umsetzung
In der Vergangenheit hatte Heil bereits mehrfach angekündigt, die staatliche Unterstützung für Erwerbslose zu erhöhen. Im Mai hatte er eine Erhöhung der Grundsicherung um 40 bis 50 Euro pro Person und Monat ins Spiel gebracht. Damals sprach der Minister davon, bei der Berechnung nicht mehr die Einkommen der untersten 20 Prozente der Haushalte als Grundlage zu nehmen, sondern die der untersten 30 Prozent. Nach Heils jetzigen Äußerungen ließ das Arbeitsministerium die Nachfrage unbeantwortet, welche Änderungen der bisherigen Berechnungsart zu einer Erhöhung der Sätze beitragen sollen.
Sozialverbände bemängeln seit Jahren, dass die derzeit geltenden Regelsätze zu niedrig sind. Die letzte Erhöhung der Grundsicherung zum Jahreswechsel betrug drei Euro. Alleinstehende Erwachsene bekommen demnach 449 Euro im Monat. Der größte Sozialverband in Deutschland (VdK) hatte sogar gegen die Erhöhung geklagt und angekündigt, bis vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen.
Der VdK fordert schon seit Langem, dass die Regelsätze der Grundsicherung für Alte und Arbeitslose grundlegend neu berechnet werden. Verbandspräsidentin Verena Bentele begrüßt deshalb die Aussagen von SPD-Arbeitsminister Heil und fordert gleichzeitig eine schnelle Umsetzung: „Es darf keine Zeit verstreichen, denn viele Menschen haben schon jetzt wegen der Preissteigerungen große Probleme, über die Runden zu kommen.“
Die Einführung des Bürgergelds ist eines der zentralen Koalitionsversprechen der Ampel. Vorangetrieben wurde es maßgeblich von der SPD. Wie genau und bis wann es umgesetzt werden soll, wurde im Koalitionsvertrag jedoch nicht festgeschrieben.
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