Geplante Urheberrechtsreform der EU: Die große Filterphobie
Stärkung von Verlagen und Musikindustrie oder Ende des Internets? Die geplante EU-Urheberrechtsreform spaltet. Ein Überblick.
In zwei Wochen wird das EU-Parlament über eine umfangreiche Urheberrechts-Reform abstimmen. Der wichtige Rechtsausschuss hat am Mittwoch bereits mit knapper Mehrheit ja zu dem neuen Gesetzespaket gesagt. Aber es gibt viel Kritik, vor allem an zwei Kernthemen der umfangreichen Reform: das Leistungsschutzrecht, und dass Plattformen künftig für Urheberrechtsverletzungen haftbar sein sollen. Einige verkünden gleich das Ende des freien Internets.
Worum geht es?
Die Reform hat der damalige EU-Digitalkommissar Günther Oettinger (CDU) 2016 angeregt. Ziel soll die faire Vergütung von Urheber*innen im Netz sein. Dazu gehören unter anderem Verlage und Musiklabels, die sich durch Plattformen im Netz bedroht sehen. Zwei Artikel sind in der Debatte besonders wichtig: Artikel 13 macht Plattformen wie Facebook und YouTube zukünftig dafür haftbar, wenn Uploads von Nutzer*innen gegen das Urheberrecht verstoßen. Das betrifft unter anderem so genannte Memes, aussagekräftige Bilder die, meist mit sarkastischen Schriftzügen, in den sozialen Medien geteilt werden. Mit Artikel 11 wiederum soll ein europäisches Leistungsschutzrecht eingeführt werden, das Verlage an den Einnahmen von Suchmaschinen oder sozialen Netzwerken beteiligt.
Was ist ein Uploadfilter?
Bisher konnte es Plattformen wie YouTube rechtlich egal sein, ob gepostete Inhalte womöglich geklaut sind. Würden sie künftig verantwortlich gemacht, dann müssten sie unzählige Inhalte prüfen um sich gegen Klagen zu schützen. Deshalb werden die Konzerne wohl auf technische Lösungen setzen: Sogenannte Uploadfilter sollen hochgeladene Bilder, Videos und Texte mit Hilfe einer Datenbank auf geschützte Inhalte abgleichen und Übereinstimmungen löschen.
Einige Filtersysteme werden schon heute eingesetzt: YouTube prüft beispielsweise mit „Content ID“ hochgeladene Videos auf Rechtsverletzungen und meldet diese. Doch nicht immer funktioniert das System einwandfrei. 2012 wurde das Video eines Nutzers gesperrt, der in der Wildnis Pflanzen für einen Salat sammelte. Den Vogelgesang im Hintergrund erkannte die Software als Eigentum des US-Lizenzdienstleister Rumblefish, der das Video zunächst sperren ließ.
Ein anderer bereits eingesetzter Filter ist „PhotoDNA“ von Microsoft. Dieser erkennt kinderpornografische Darstellungen im Internet und blockiert und meldet diese an zuständige Behörden.
Na und?
Die Reformgegner*innen befürchten Intransparenz und Überwachung. „Es gibt keinen Weg, einen Uploadfilter zu verwenden, ohne alles zu scannen“, sagt Diego Naranjo von European Digital Rights. Digitale Pioniere wie die Wikipedia-Gründer Jimmy Wales und Tim Berners-Lee warnen in einem offenen Brief vor „automatisierter Überwachung und Kontrolle“. Die Technik könnte das Filtern kritischer Stimmen vereinfachen, befürchten einige.
Hinzu kommt, dass Plattformen im Zweifel auch legale Inhalte löschen werden, um Klagen zu vermeiden. Algorithmen verstehen weder Kontext noch Satire. Darüber hinaus ist die Technik nicht für alle gleich verfügbar, Start Ups müssten die teure Software einkaufen und hätten noch schlechtere Chancen gegen Tech-Konzerne zu bestehen. Auch die Bundesregierung hatte sich zuletzt gegen Uploadfilter ausgesprochen. Das Leistungsschutzrecht allerdings will sie.
Wer protestiert?
Zu den Gegner*innen im Parlament gehört die Piratenpolitikerin Julia Reda, die im Rechtsausschuss dagegen gestimmt hat. Daneben mobilisieren Bürgerrechtsorganisationen wie European Digital Rights sowie Unternehmen, die finanzielle Verluste befürchten. Es gibt auch eine Petition mit dem Namen „SavetheInternet“ auf change.org mit aktuell knapp 400.000 Unterschriften.
Wer ist eigentlich dafür?
Die Film- und Musikindustrie sowie der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) in der Person des Springer-Vorstands Mathias Döpfner, der seit Jahren vor allem für das Leistungsschutzrecht Lobbyarbeit macht. Der CDU-Europaabgeordnete Axel Voss, Verhandlungsführer in Sachen Urheberrechtsreform, sagte kürzlich, er habe das „Gefühl, dass ein Axel-Springer-Verlag nicht mehr auf Augenhöhe mit diesen weltumfassenden Plattformen wie Google oder Facebook“ sei. Voss schwebt ein digitales Geschäftsmodell für Verlage vor, bei dem Google News für Überschriften und Teaser zahlen müsste, die in Suchergebnissen angeziegt werden. Einen prominenten Fürsinger, pardon, Fürsprecher haben die Befürworter*innen in dem Opernstar Plácido Domingo gefunden.
Und jetzt?
Anfang Juli soll die Abstimmung der Urheberrechtsreform im EU-Parlament folgen. Während Abstimmungen im Rechtsausschuss als richtungsweisend gelten, lässt das knappe Ergebnis den Ausgang der Abstimmung im Parlament jedoch offen.
Danke an Leserin Sarah für ihren Hinweis zu „savetheinternet“. Wir haben die Textstelle geändert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen