Geplante Kinderporno-Sperrliste: Schaar will nicht kontrollieren
Der Datenschutzbeauftragte Schaar will mit der Beaufsichtigung der Kinderporno-Sperrliste nichts zu tun haben: "In der Thematik kenne ich mich nicht aus."
BERLIN taz | Das hatten sich die Koaltionsexperten schön ausgedacht. Ein Kontrollgremium, das vom Bundesdatenschutzbeauftragten eingerichtet wird, soll die BKA-Zensurliste für Kinderpornoseiten überwachen. Doch Datenschützer Peter Schaar will dabei nicht mitmachen. "Mit mir hat bisher niemand gesprochen und ich finde das auch keine gute Idee."
Die geplante Sperrliste soll von einem unabhängigen Expertengremium kontrolliert werden, das die Liste jederzeit einsehen kann. Das sieht der aktuelle Arbeitsentwurf vor, den die Koalitionsexperten Martin Dörmann (SPD) und Martina Krogmann (CDU) ausgehandelt haben (siehe taz vom Montag). Wenn das BKA eine Webseite zu Unrecht auf die Kinderporno-Liste gesetzt hat, soll das Gremium die Streichung der Webseite verlangen können. Die Koalition reagierte damit auf den Vorwurf, das BKA könne nach eigenem Geschmack missliebige Webseiten auf eine geheime Zensurliste setzen.
Laut Gesetzentwurf sollen die Kontroll-Experten "unabhängig" sein, aber vom Bundesdatenschutzbeauftragten bestellt werden. Peter Schaar ist darüber nicht erfreut. "Wie soll ich Experten für ein solches Gremium auswählen? Ich kenne mich in der Thematik doch gar nicht aus. Das hat mit Datenschutz ja nichts zu tun."
Zwar ist Schaar in Personalunion auch Beauftragter für Informationsfreiheit, doch mit deren Einschränkung will der ehemalige Grünen-Politiker nichts zu tun haben. "Das Kontrollgremium soll ja darüber befinden, welche Inhalte zurecht auf der Sperrliste stehen und welche nicht". Schaar befürchtet, dass solche Entscheidungen ihm zugerechnet werden könnten, wenn das Gremium bei seiner Dienststelle angesiedelt wird - obwohl er inhaltlich gar keinen Einfluss auf die unabhängigen Experten nehmen könnte.
Der Datenschutzbeauftragte plädiert nun dafür, das Kinderporno-Sperrgesetz zu vertagen. "Man sollte dieses Gesetzgebungsverfahren, bei dem es auch noch viele andere offene Fragen gibt, nicht überstürzt zu Ende bringen", sagte er am Montag zur taz. Bisher ist geplant, dass das umstrittene Gesetz am Donnerstag im Bundestag beschlossen wird.
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