: „Geordnet zum Abschluß bringen“
Der SPD-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende des Ausschusses für Forschung und Technologie, Wolf-Michael Catenhusen, sieht für den Transrapid in der BRD keine Zukunft ■ I N T E R V I E W
taz: Herr Catenhusen, wie sehen Sie die Realisierungschancen für den Transrapid nach der heutigen Anhörung des Verkehrsausschusses?
Catenhusen: Es hat heute eine breite Zahl von Sachverständigen gegeben, die nicht nur darauf hingewiesen haben, daß Transrapid als Verkehrssystem für die Bundesrepublik auf absehbare Zeit weder notwendig noch sinnvoll ist, sondern es sind auch starke Bedenken in bezug auf die Einsatzreife dieses Systems geäußert worden. Nach dieser Anhörung muß die Frage noch dringender beantwortet werden, ob wir eine Anwendungsstrecke in der Bundesrepublik gegenwärtig überhaupt brauchen.
Wäre es da nicht vernünftiger, sofort einen Schlußstrich zu ziehen, als noch ein paar Jahre Milliardenbeträge aus Steuergeldern in das Projekt zu pumpen?
Man könnte heute einen Schlußstrich dahingehend ziehen, daß Transrapid keine Zukunft als Verkehrssystem in der BRD hat. Das einzige, was wir noch ernsthaft diskutieren können, ist die die Frage: Wie kann man eine solche technische Entwicklung zu einem geordneten Abschluß bringen.
Das bedeutet?
Dazu muß man die Ergebnisse dokumentieren, dazu muß man das, was im Emsland zur Zeit läuft, planmäßig zu Ende bringen. Ich halte nichts davon, Ruinen in der Landschaft rumstehen zu lassen. Es zeichnet sich ab, daß das dann auch das Ende dieser technischen Entwicklung in der Bundesrepublik wäre.
Das klingt aus Ihrem Mund fast ein bißchen resignativ. Vor ein paar Monaten wollten Sie über die jetzt im Bundeskabinett beschlossene Referenzstrecke zwischen den Flughäfen Düsseldorf und Köln/Bonn noch „mit sich reden lassen“. Ist da bei Herrn Catenhusen seitdem etwas passiert?
Es ist insofern etwas passiert, als die nüchterne Frage des Bedarfs dieser Strecke in dieser konkreten Umgebung heute klarer zu beantworten ist. Eine Rad-Schiene-Verbindung ist für die Zukunft dieser beiden Flughäfen dringend notwendig und auch ökologisch sinnvoll. Aber als Forschungspolitiker sage ich immer, wenn wir eine Technik entwickeln, dann müssen wir auch den Mut haben, das zu einem geordneten Ende zu bringen und nicht einfach abzubrechen. Es scheint aber sinnvoll, auf den Schritt der Anwendungsstrecke in der Bundesrepublik zu verzichten.
Dem steht der Kabinettsbeschluß der Bundesregierung für die Strecke Düsseldorf-Bonn vom Dezember 1989 entgegen. Haben Sie den Eindruck, daß das bis zu den Bundestagswahlen noch zu irgendwelchen Konsequenzen führt?
Nein. Das ist nur der Versuch, angesichts auch interner Kritik in der Koalition, den Schwarzen Peter dem Land Nordrhein-Westfalen zuzuschieben. Man will das Projekt an der Weigerung Nordrhein-Westfalens, sich finanziell zu beteiligen, scheitern lassen.
Gibt es zwischen der NRW-Landesregierung und der SPD -Fraktion in Bonn Einigkeit über das weitere Vorgehen in bezug auf die Magnetbahn?
Es hat in der Bundestagsfraktion noch keine Beschlüsse zu Transrapid gegeben. Sie wissen ja, daß noch vor einem guten Jahr - auch aufgrund regionaler Begehrlichkeiten - eine sehr große Offenheit für den Bau einer Anwendungsstrecke in Norddeutschland oder im Raum Essen/Düsseldorf/Bonn auch in der SPD vorhanden war. Ich glaube, daß die Gutachten der letzten Monate den Trend eindeutig haben dahin gehen lassen, daß der Bau einer solchen Strecke überflüssig ist. Wir sind uns mit dem Land NRW einig, daß die Entscheidung allein Sache des Bundes ist. Die Länder sollen da nicht hineingezogen werden.
Mein Eindruck ist, daß es nicht nur die Gutachten waren, die den Schwenk der SPD in Düsseldorf und auch bei Ihnen gefördert haben, sondern auch der wachsende Widerstand entlang der geplanten Trasse. Das Ganze im Vorfeld einer Landtagswahl.
Ich persönlich habe schon im Mai letzten Jahres grundsätzliche Bedenken gegen den Sinn von Transrapid erhoben. Natürlich ist es keine Frage, daß die Bedenken stärker werden, wenn an einer konkreten Anwendungsstrecke die konkreten ökologischen Probleme sichtbar werden und auch die Frage der Planungsfähigkeit aufgeworfen wird. Und Wahltermine mögen auch eine Rolle gespielt haben.
Auch Sie haben „mit sich reden lassen“ wollen.
Nur über eins: nämlich ob zu einem geordneten Abschluß dieser Technikentwicklung auch eine Demonstrationsstrecke in der Bundesrepublik gehört. Ich wäre auch heute noch offen für die Frage, ob es sinnvoll wäre, eine solche Demonstrationsstrecke im Ausland mit 50 oder 100 Millionen Mark zu fördern, wenn es dort ein entsprechendes Interesse gibt.
Wie würde ein Bundesforschungsminister Wolf-Michael Catenhusen in einem Kabinett Lafontaine über eine solche Strecke im Ausland entscheiden?
Ich möchte eigentlich nicht, daß wir Technologien, die wir im Lande nicht gebrauchen können, durch Subvention zum Exportschlager machen.
Mit einem Bundesforschungsminister Catenhusen zum Ende dieses Jahres wäre der Transrapid also tot?
Er würde geordnet zu Ende gebracht werden, und es würde nach der Versuchsstrecke im Emsland keine weiteren Projekte mit staatlicher Beteiligung geben.
Interview: Gerd Rosenkranz
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