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Geodaten-Gipfel der RegierungFirmen sollen sich freiwillig bessern

Konkretes kam noch nicht heraus, beim "Geo-Gipfel" der Regierung: Die Wirtschaft soll bis Dezember eine Selbstverpflichtung vorlegen, die Regierung will nur das Nötigste regeln.

Drei Minister, drei Meinungen: Aigner, Leutheusser-Schnarrenberger – und "Internet-Minister" De Maiziere. Bild: reuters

BERLIN dapd/dpa | Nach dem Streit über Street View verlangt die Regierung einen "Datenschutz-Kodex" der Branche bis zum 7. Dezember. Eine gesetzliche Regelung behält sie sich vor, wie Innenminister Thomas de Maiziere (CDU) nach dem sogenannten Geodaten-Gipfel oder Geo-Gipfel am Montag in Berlin mitteilte. Er erwägt unter anderem, bestimmte Daten-Verknüpfungen zu verbieten. Ein Recht auf Löschung von Bildern öffentlich sichtbarer Häuser will er aber nicht.

Der Geodatendienst Google Street View, mit dem man sich Häuser und Straßenzüge im Internet anschauen kann, soll noch dieses Jahr auch deutsche Städte präsentieren. Hundertausende Bürger haben Widerspruch dagegen eingelegt, ihr Haus im Internet zu zeigen.

Der Gipfel mit Experten und Branchenvertretern sollte klären, ob neue gesetzliche Regelungen nötig sind und wie sie aussehen könnten. Die Regierung ist sich nicht ganz einig. Während Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) eine Reform des Datenschutzrechts fordert, ist de Maiziere zurückhaltend.

De Maiziere sagte, ein Datenschutz-Kodex als Selbstregulierung könne "gesetzliche Spezialregelungen mindestens teilweise entbehrlich machen". Dennoch werde das Innenministerium bis zum 7. Dezember den Entwurf eines Gesetzes vorlegen, das eine "rote Linie" für Dienste vorgebe, die keinesfalls überschritten werden dürfe.

So könnten zum Beispiel Verknüpfungen von Geodaten mit personenbezogenen Daten verboten werden. Das soll Persönlichkeits- und Bewegungsprofile mit Prangerwirkung im Internet verhindern.

Dabei will der "Internet-Minister", wie sich De Maiziere selbst in Abgrenzung zu Kabinettskollegin Ilse Aigners nennt, die Grenzen aber nicht zu eng ziehen: "Die freie Nutzung freier Räume müssen wir bewahren", sagte de Maizière. Das Fernsehen müsse auch in der Lage sein, den Karneval in Mainz oder Köln zu übertragen, auch wenn Fassaden zu sehen sind. Es gebe kein "berechtigtes Interesse an einem Widerspruch oder einer Löschung" bei einer alleinigen Abbildung öffentlich sichtbarer Häuser.

"Wir brauchen Geo-Dienste für die Verkehrslenkung, für den Katastrophenschutz, für die moderne Landwirtschaft, die Wohnungssuche oder die Vorbereitung eines Urlaubs", sagte De Maiziere. Dabei müsse aber sichergestellt werden, dass die Persönlichkeitsrechte der Bürger geschützt werden.

Leutheusser-Schnarrenberger sagte nach dem Gipfel: "Ich denke, es läuft in die Richtung, dass wir uns auf beides einlassen werden – Selbstverpflichtung und auch eine gesetzliche Regelung als Rechtsverbindlichkeit für Verbraucher und User." De Maiziere räumte ein, dass es "noch keine abschließende Übereinstimmung" im Kabinett gebe.

Den "Datenschutz-Kodex zu Google Street View und ähnlichen Diensten" soll die Branche selbst erarbeiten und möglichst mit Verbraucherschützern abstimmen, wie der Innenminister sagte. Diensteanbieter sollen sich unter anderem zu datenschutzfreundlichen Grundeinstellungen verpflichten. "Jeder muss leicht erkennen können, wo und wie die Dienste in seine Persönlichkeitsrechte eingreifen", heißt es in einem Eckpunktepapier des Ministers.

Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) lobte die Ergebnisse. "Wir sind einen deutlichen Schritt weiter gekommen", sagte sie. De Maiziere lobte die sachliche Atmosphäre: "Ich bin sehr zufrieden."

Google-Europa-Chef Philipp Schindler begrüßte den Vorschlag der Bundesregierung und sagte eine Mitarbeit seines Unternehmens an der Selbstverpflichtung zu: "Geodaten aus dem Internet werden für Bürger, Behörden und Betriebe immer wichtiger, ein Trend, der durch das enorme Wachstum des mobilen Internets weiter zunehmen wird." Der Gesetzgeber müsse sicherstellen, dass neben den Erfordernissen des Datenschutzes auch die Entwicklungschancen innovativer Unternehmen und moderner Technologien erhalten bleiben.

In dem Spitzengespräch zu den Geodaten hatten sich Datenschützer dafür ausgesprochen, insbesondere die Regelung eines Widerspruchs nicht alleine einer Selbstverpflichtung der Branche zu überlassen. Sie machten sich für eine möglichst schnelle gesetzliche Regelung stark, bevor die Datenanbieter mit ihren Diensten Fakten schaffen.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar hatte vor dem Gipfel ein verbrieftes Widerspruchsrecht gegen die Internet-Veröffentlichung von Daten zum eigenen Haus verlangt. "Bisher ist das ja eher eine Good-Will-Aktion", kritisierte Schaar auf n-tv.

Er hoffe auf eine Art "Robinson-Liste" oder Widerspruchsregister. "Denn es gibt ja in Zukunft immer mehr solche Geo-Datendienste, und da reicht es aus meiner Sicht aus, wenn man ein Mal widerspricht", sagte Schaar.

Der Branchenverband Bitkom hatte im Vorfeld des Spitzengesprächs davor gewarnt, digitale Straßenansichten und Landschaftsbilder vorschnell zu reglementieren. Bitkom-Präsident August-Wilhelm Scheer betonte, Deutschland brauche keine Einzelfallgesetze zu jedem neuen Internet-Dienst, sondern eine strategische Netzpolitik. "Im Vordergrund muss stehen, wie wir die Chancen des technischen Fortschritts gesellschaftlich und wirtschaftlich bestmöglich nutzen", so Scheer. Deutschland dürfe sich nicht durch nationale Gesetze vom technischen Fortschritt abkoppeln. Der Bitkom soll nun die Formulierung der Selbstverpflichtung der Industrie koordinieren.

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4 Kommentare

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  • H
    Harry

    An Rod:

    stimmt schon irgendwie! Trotzdem: Jeder sollte das auch - im Notfall auch einklagbare Recht haben über seine Daten selbst zu betimmen.

     

    Die Bilder sind übrigens nicht nur für die Wahl des neuen Wohnortes ganz nützlich, sondern auch

     

     

    für die neue Mitarbeiterwahl

    frei nach dem Motto:

    Wenn man zwei Bewerber hat, schauen wir uns doch mal sein soziales Umfeld an, da kann man ja sehen wie er z.B. sein Haus so in Ordnung hält

     

    oder

    bei der Kreditvergabe: eine vielleicht etwas ungenaue Ratingangabe für die betreffende Gegend lässt sich doch prima mit einem gestochen scharfen Bild von Streetview überprüfen

     

    oder

    als Hilfe für die Wahl des geeigneten Obekts für den geplanten Raubzug

     

    oder ...

    oder ...

     

     

    ich hab keine Ahnung was sich Menschen (nd das sind nicht immer nette) mit all den Daten sonst noch so alles einfallen lassen können.

     

    Eins weis ich aber ganz genau:

    Menschen die nichts zu verbergen haben gibt es nicht. Jeder hat das ein oder andere kleine Geheimnis das er lieber nicht in der Öffentlich keit sehen möchte. Und genau diese Sicherheit - mein Privatleben ist auch mein Privatleben und geht niemanden etwas an geht Stück für Stück verloren. Ich finde damit geht jedesmal auch ein Stück Freiheit verloren - und da ist für mich Schluß.

     

    Deshalb bin ich persönlich AUF JEDENFALL für eine einklagbare gesetzliche Regelung.

     

     

    p.s.

    von wegen freiwilliger Selbstverpflichtung:

    sinngemäß kann man das meines Erachtens so zusammenfassen:

     

    Die Anbieter brauchen sich nicht an gesetzliche Vorgaben zu halten und die Regeln für Ihr Verhalten stelle Sie auch noch selbst auf.

    KLASSE!

  • R
    Rod

    Da ich bei einem Telefonanbieter arbeite kenne ich die Beschwerden von Kunden: "Warum wird keine Telefonnummer angezeigt, wenn jemand bei mir anruft!" Die Antwort ist: "Sie verbergen Ihre Telefonnummer. Genauso wie Sie das tun, tun das auch diejenigen, die bei Ihnen anrufen!"

     

    Selber wollen alle sehen, wer bei ihnen anruft, aber ihre eigene Rufnummer wollen sie nicht übertragen. Wenn das am Ende die Mehrheit der Leute so macht, dann beschweren sie sich.

     

    Alle wollen natürlich google-maps und Streetview nutzen. Bei einem Umzug die Gegend von angebotenen Wohnungen erkunden ohne extra hinfahren zu müssen. Da sind detaillierte Bilder hilfreich. Wie sieht die Straße aus? Sind Bahnschienen in der Nähe, sind Supermärkte erkennbar usw.? Ist es eine Gegend mit Wohnblöcken oder mit kleineren Häusern? usw. Alle wollen solche Dienste nutzen, aber keiner will sein Haus darin abgebildet haben.

     

    Alle sollen also ihre Daten preisgeben, nur man selbst nicht. Leute! Was habt ihr zu verbergen?

    Warum sollte man sein Haus verbergen? Da gibt es nur einen Grund: Vielleicht hat man durch kriminelle Machenschaften, Korruption oder Schwarzarbeit ein Haus, dessen Standard das eigene Einkommen bei weitem übersteigt? Darum will man sein Haus und das Auto davor bestmöglich verbergen.

    Wer keinen Dreck am Stecken hat braucht sich und sein Eigentum nicht zu verbergen. Das ist das eine.

     

    Das andere ist, dass Dienste wie Streetview usw. nur dann nützlich sind, wenn sie mit ausreichenden Daten gefüttert werden. Wenn jetzt aber alle ihre Häuser verbergen, dann wird man beim nächsten Umzug nur eine verpixelte Wüste sehen!

  • KD
    Kurt David

    Die Wahl des Begriffes Selbstverpflichtung zum Unwort des Jahres scheint mir alternativlos :-)

  • B
    Buggy

    Rote Linie? Prangerwirkung?

    Es ist nur wenige Wochen her, da haben Innen- und Sicherheitspolitiker der Regierungskoalition die Veröffentlichung von Aufenthaltsdaten von entlassenen (Sexual-)Straftätern ernsthaft ins Gepräch gebracht.

    Was für eine himmelschreiende Verlogenheit!