Gentrifizierung in St. Georg: Chefsache Sommerterrasse
Eine auf Facebook kursierende E-Mail zeigt, wie sich der Leiter des Bezirksamts Mitte an Konzessionsstreitigkeiten über die Kneipe "Hansa-Treff" beteiligte.
Kurz nach dem Streit um dien Zaun gegen Obdachlose macht der Chef des Bezirksamts Mitte, Markus Schreiber (SPD), erneut von sich reden. Eine auf Facebook kursierende E-Mail, wirft nun ein Licht auf Vorgänge, die sich im Fall um den verweigerten Außenausschank für die Kneipe "Hansa -Treff" hinter verschlossenen Türen abspielen.
In dem Schreiben erkundigt sich Schreiber bei zweien seiner Mitarbeiter der Abteilung Management des öffentlichen Raums, ob es zu der Kneipe am Hansaplatz Unterlagen gibt, etwa der Polizei oder des Verfassungsschutzes gibt, "die man zur Unterstützung unserer Position vertraulich an die Kommunalpolitik weitergeben kann". Der Bezirk hatte dem Antrag der "Hansa-Treff"-Betreiber auf Sondernutzung für eine Sommerterrasse im August eine Absage erteilt. Die Kneipe, die Mehmet Simsit betreibt, liegt am Hansaplatz 6.
Laut der Sprecherin des Bezirksamts Mitte, Sorina Weiland, handelt es sich bei dem Vorgehen um gängige Praxis. Es sei üblich, dass die Ausschüsse unterrichtet würden. "In den Fällen, wo Namen genannt werden und Datenschutz zu beachten ist, wird das immer vertraulich, also nicht öffentlich, gemacht." In diesem Fall sei es so gewesen, dass Anwohner genannt worden seien, die Beschwerden gegen die Kneipenbetreiber eingelegt hätten. Die Behördensprecherin räumt aber ein, dass man die E-Mail aber missdeuten könne.
Die E-Mail stammt aus einer Akte, die auch dem Anwalt des Gastwirts, Axel Max, vorliegt. Max hält die Begründung des Worts "vertraulich" aus Gründen des Datenschutzes für wenig plausibel. Für ihn macht der Wortlaut deutlich, dass es Schreiber eher darum geht, sich mehr Munition gegen diesen Konzessionsinhaber zu beschaffen.
Während anderen ausländischen Ladenbetreibern die Mietverträge nicht verlängert wurden, sitzt der "Hansa-Treff" vergleichsweise sicher im Sattel. Zwar hat die Kneipe nur einen Untermietvertrag, der türkische Hauptmieter hält aber am Vertrag mit den Betreibern fest.
Der Platz im Herzen des Stadtteils St. Georg wurde neu gestaltet und verkehrsberuhigt.
Eine Belebung durch Außengastronomie ist vom Bezirk eigentlich ausdrücklich erwünscht.
Andere Gastronomiebetreiber haben Genehmigungen bekommen, doch der Antrag der "Hansa-Treff"-Betreiber wurde im August abgelehnt.
Die Begründung des Bezirks: Es habe Beschwerden der Anwohner wegen Lärmbelästigung gegeben.
Außerdem wisse man von der Polizei, dass sich in den Räumen des "Hansa-Treffs" milieubekannte Personen aufhalten.
Für Max ist der Zusammenhang klar. "Mein Eindruck ist, dass da mit Druck von einer anderen Seite gearbeitet wird. Man versucht diese Kneipe vom Hansaplatz wegzubekommen, und der einzige Hebel läuft über die Konzession." In bestimmten Kreisen betrachte man den "Hansa-Treff" als Fremdkörper, der nicht auf den aufgehübschten Hansaplatz passe. Zwar hätten die Anzeigen der Anwohner dem Bezirk Stoff geliefert, aber die Polizei hat auch gesagt, dass sich der Kneipenbetreiber bei der Aufklärung von Straftaten kooperativ verhalten habe.
Für bemerkenswert hält der Anwalt, dass sich Schreiber offenbar massiv in das Verfahren um die Sondernutzung einmischt. "Es ist doch erstaunlich, dass man sich auf dieser Behördenebene darum bemüht, Informationen von anderen Behördenteilen zu bekommen, um einen einzelnen Antrag abzulehnen." Dabei gehe es nur um ein paar Stühle vor einem Haus. Über das Motiv kann Max nur mutmaßen: "Man kann sich die Klingelleiste am Hansaplatz 6 angucken." Da könne jeder seine Schlussfolgerung draus ziehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Der alte neue Präsident der USA
Trump, der Drachentöter
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens