Gentrifizierung in Berlin: Kämpferisch trotz Widrigkeiten
In der Cuvrystraße in Kreuzberg wollen sich Mieter*innen gegen den Verkauf ihrer Häuser wehren. Unterstützung gibt es dabei von der Initiative Bizim Kiez.

Der Kampf gegen Verdrängung ist besonders in Kreuzberg ein großes Thema Foto: dpa
„Versammelt euch, dann haben wir mehr Demo-Atmosphäre“, fordert Magnus Hengge, Sprecher der Initiative Bizim Kiez in Kreuzberg, die etwa 200 Menschen auf, die am Mittwochabend in die Cuvrystraße gekommen sind, um gegen Gentrifizierung zu protestieren. Etwa ein Drittel der Anwesenden ist davon ganz direkt betroffen: Ihre Häuser in der Cuvrystraße 44 und 45 sollen verkauft werden, die Bewohner*innen befürchten Mietsteigerungen.
Nun wollen sich die Betroffenen zur Wehr setzen. Sie versammeln sich nicht nur, sie vernetzen sich auch. Und sie kennen ihre Rechte: Ihre Häuser liegen in einem Milieuschutzgebiet, in dem die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen genehmigungspflichtig ist. Außerdem greift hier das bezirkliche Vorkaufsrecht – die Frist dafür endet für die betroffenen Häuser allerdings bereits am 8. Oktober.
Trotz der dahinschwindenden Zeit haben die betroffenen Mieter*innen noch Hoffnung. Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) ist zur Kundgebung gekommen. Er spricht von seinen Plänen, den Milieuschutz von zehn auf 20 Jahre auszudehnen, sodass Häuserkäufe wie die in der Cuvryrstraße für die Investoren unattraktiver werden.
Toralf Barth, einer der Mieter und Teil an der Initiative „Cuvry 44/45 bleibt!“, wertet Schmidts Auftritt als Zugeständnis. „Es müssen Präzedenzfälle geschaffen werden – die Menschen sind stärker als das Geld“, sagt er. Inzwischen wurde das Vorverkaufsrecht in Berlin schon sieben Mal ausgeübt. An der Cuvry44/45 haben die die Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte (WBM) und die Stiftung Nord-Süd-Brücken bereits Interesse signalisiert.
Doch es gibt zwei Probleme: „Das Haus ist schon ziemlich Schrott“, sagt die Bewohnerin Gül Yavaz. Die Leitungen marode, Asbest im Dach, keine richtige Heizung. Es muss dringend saniert werden, doch wie das ohne Erhöhung der Mieten funktionieren soll, dafür hat die Hausgemeinschaft noch keinen Plan. Zweitens ziehen die Mieter*innen nicht an einem Strang: Etwa ein Drittel sei für die Durchsetzung des Vorverkaufsrechts, ein Drittel dagegen, der Rest lasse sich bei gemeinsamen Treffen gar nicht erst blicken, so Yavaz.
Dennoch: „Wir müssen einfach weiter machen – dann ist das auch unser Haus“, bilanziert Magnus Hengge optimistisch. Ob die Erfolgschancen realistisch sind oder nicht, die Teilnehmer*innen der Veranstaltung lassen sich nicht unterkriegen. Und so endet auch die Versammlung am Mittwoch mit trotzigem Widerstands-Hip Hop.
Leser*innenkommentare
Dr. McSchreck
wenn es "ihr Haus" wäre, würde sich das Problem ja nicht stellen. Wenn es aber "ziemlich Schrott" ist, wird der Kaufpreis vielleicht aus so sein, dass die Hausgemeinschaft es kaufen könnte oder Teile davon. Dann haben sie auch die Möglichkeit zu prüfen, wie sie ohne Erhöhung der Miete das Haus sanieren.
Was ich aber etwas befremdlich finde: ein Haus als "unser Haus" bezeichnen, das weiter verfällt, zu erwarten, dass andere es sanieren, aber damit kein Geld verdienen können. In Berlin ist das wissen darum, dass Geld erwirtschaftet werden muss, zwar unterrepräsentiert, aber ein paar Leute sollten doch schon davon gehört haben.
Jedenfalls wäre hier ein ideales Beispiel, dies zu erproben, indem man selbst aktiv wird und zwar nicht durch "billigen" Protest, sondern durch Erwerb und Sanierung in Eigenverantwortung.