Gentrifizierung im Schanzenviertel: „Diversität wird zerstört“

Lange war der Schanzenhof ein soziokulturelles Zentrum in der Schanze. Jetzt wurde den Mietern gekündigt, sie sollen einem weiteren Hostel weichen

Neue Stufe der Gentrifizierung: Im Schanzenhof soll ein weiteres Hostel entstehen. Foto: Miguel Ferraz

Die Wände des Treppenhauses sind rot gestrichen. Auf einer Stahltür steht „Palette“. Das sind die Räume, die die Drogenberatungsstelle seit 1991 gemietet hat. Hier treffen sich Menschen, um gemeinsam zu essen und miteiander zu reden. „Vor zehn Tagen haben wir ein Schreiben bekommen, dass unser Mietvertrag zum 31. März kommenden Jahres gekündigt wurde“, sagt Ulrike Winkelmann. Sie ist Sozialarbeiterin in der Einrichtung.

Insgesamt wurde fünf Mietern gekündigt. Neben der Drogenberatungsstelle bekamen auch das alternative Hotel Schanzenstern und Künstler, die in dem Gebäude arbeiten, einen Brief vom Vermieter. Sie sollen Platz für ein Hostel machen.

Die Räume kosteten zunächst 8,50 Euro pro Quadratmeter, inzwischen sind es 14 Euro. Ausziehen wollte die Palette trotzdem nicht: „Wir können die höhere Miete bezahlen, deshalb kann die Kündigung nicht damit zusammenhängen“, sagt Winkelmann. Der Schanzenhof war ursprünglich dazu gedacht, Initiativen Räume zu bieten, die nicht viel Geld haben. Jetzt drängt der Vermieter auf höhere Profite.

Das trifft auch die Klienten der Drogenberatungsstelle. Einige von ihnen haben Minijobs und reinigen das Treppenhaus. Die meisten seien Hartz-IV-Empfänger, die sich ein bisschen Geld dazu verdienen würden, sagt Winkelmann.

Auf dem Areal zwischen Schanzenstraße und Bartelstraße gab Montblanc 1990 die Füller-Herstellung auf.

Die Stadt kauft und saniert die Gebäude. Die Volkshochschule, das Hotel Schanzenstern und das Programmkino 3001 ziehen ein.

2006 verkaufte die Stadt das Gebäude an die Deutsche-Immobilien-Chancen-Gruppe-Investmentgesellschaft DIC.

Seit 2013 gehört der Schanzenhof der HWS Immobilien- und Vermögensverwaltung aus Harvestehude.

Nach der Kündigung der Mieter sollen die Gebäude zum Pyjama-Park-Hotel umgebaut werden.

Fällt die Einrichtung weg, verlieren sie aber nicht nur ihre Jobs, sondern auch ihr soziales Umfeld, sagt die Sozialarbeiterin. „Denn das kann man nicht irgendwo hin transferieren, das ist dann einfach zerstört.“

In der obersten Etage des Altbaus am Schanzenhof sitzt das Geld noch knapper. Die Erhöhung der Miete um 63 Prozent können die Mieter nicht bezahlen. „Als wir davon erfahren haben, war völlig klar, dass wir uns das nicht leisten können – wir machen hier Kultur“, sagt die Sängerin Katriana, die hier Gesangsunterricht gibt.

Vor zwei Jahren hat die HWS Immobilien- und Vermögensverwaltung die Gebäude gekauft. Das Unternehmen schiebt die Verantwortung auf die Mieter: Max Schommartz von der Geschäftsführung, erklärte im Abendblatt, dass die gekündigten Mieter die Möglichkeit gehabt hätten, ein Konzept vorzulegen, das den Schanzenhof bereichere.

Bei den Noch-Mieterinnen und Mietern stößt diese Äußerung auf Unverständnis. „Der Schanzenhof ist in sich schon ein wunderbares Konzept“, sagt die Sängerin Katriana. Durch das Vorgehen des Eigentümers würde die Diversität des Schanzenhofs allerdings zerstört.

Das angrenzende Hotel und Biorestaurant „Schanzenstern“ hat zwei Jahre lang mit den Eigentümern Verhandlungen geführt. Allerdings ohne Erfolg. Auch sie müssen das Gebäude räumen.

Das 3001 Kino nebenan erhält hingegen einen Mietvertrag für weitere fünf Jahre. Auch die Volkshochschule ist nicht von der Kündigung betroffen. Der Besitzer plant mit dem Pyjama-Park-Hotel, ein weiteres Hostel in der Schanze zu eröffnen.

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