piwik no script img

Gentests an EmbryonenEthikrat uneins über PID

Das oberste deutsche Ethik-Gremium gibt dem Bundestag keine Empfehlung für Präimplantationsdiagnostik. 13 Mitglieder sind dafür, 11 fordern ein Verbot.

Bei der PID werden im Reagenzglas erzeugte Embryonen vor dem Einpflanzen in den Mutterleib auf Erbkrankheiten untersucht und gegebenenfalls aussortiert. Bild: dpa

BERLIN taz | Der Deutsche Ethikrat ist gespalten. Rund eine Woche vor der Bundestagsdebatte zur Präimplantationsdiagnostik (PID) mochte sich das unabhängige Gremium, das die Regierung und das Parlament berät, am Dienstag nicht auf eine eindeutige Empfehlung für oder gegen die Gentests an künstlich erzeugten Embryonen festlegen.

Stattdessen präsentierten die 26 Mitglieder, darunter Naturwissenschaftler, Mediziner, Juristen, Philosophen und Theologen, in ihrer Stellungnahme zwei gegensätzliche Voten: Danach befürworten 13 Mitglieder eine PID-Zulassung in engen Grenzen, 11 Mitglieder fordern ein Verbot. Ferner gibt es eine Sonderstellungnahme sowie eine Enthaltung. "Niemand von uns hat die Weisheit mit Löffeln gefressen", beschied der Jurist Jochen Taupitz allen, die sich von den Experten mehr Orientierung in der wohl umstrittensten medizinethischen Frage des Jahres erhofft hatten. "Die Entscheidung hat das Parlament zu treffen."

Bei der PID werden im Reagenzglas erzeugte Embryonen vor dem Einpflanzen in den Mutterleib auf Erbkrankheiten untersucht und gegebenenfalls aussortiert. Die stellvertretende Ausschussvorsitzende Christiane Woopen argumentierte, dank dieser Diagnostik könnten einige "Schwangerschaften auf Probe" vermieden werden. Rechtlich sei ein Abbruch bis unmittelbar vor der Geburt möglich, wenn sich eine Frau nicht in der Lage sähe, ein schwer krankes oder behindertes Kind zu bekommen. Die PID helfe, solche Schwangerschaften erst gar nicht entstehen zu lassen. Wer die PID ablehne, schütze einen in vitro erzeugten Embryo stärker als einen weiter entwickelten Fötus und die Mutter.

Der ehemalige EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber als Vertreter der PID-Gegner hob die "besondere Verantwortung" gegenüber in vitro erzeugten Embryonen hervor. Es verbiete sich, ihn erst zu erzeugen, um ihn dann bei Bedarf zu verwerfen. Auch sei eine "auf Dauer verlässliche Begrenzung" der PID zur Untersuchung nur bestimmter Krankheiten nicht einzuhalten. "Wir befürchten eine Ausweitung", so Huber.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • A
    Alina111

    "Die Geister, die man rief, die wird man irgendwann nicht mehr los." Wie weit geht denn die menschliche Hybris noch? AKW's, Gentechnik, PID, ... Und hinterher sind die Kettenreaktionen dann nicht mehr zu bremsen, nicht nur in einem AKW. Wie wäre es denn mit einer bewussten Selbstbeschränkung, auch hinsichtlich der Fruchtbarkeitsmedizin oder dem Versuch, durch ständige Tests in der Schwangerschaft wirklich aber auch jeden Gen-Defekt auszuschalten, d. h. doch de facto: einen Menschen zu töten, der nicht perfekt ist? Dabei mogelt man sich um die Definition der Perfektheit natürlich herum, denn was ist eigentlich an einem Menschen mit Down-Syndrom nicht perfekt?

    Und: Sind es eigentliche Menschen, die definieren, wer leben darf und wer nicht? In Deutschland steht doch eigentlich jedem Menschen ein Lebensrecht zu. Auch Behinderten, dachte ich immer. Wir Menschen brauchen tatsächlich Gebote, wie die in der Bibel, die uns vor dem weltweiten Wahnsinn der Hybris schützen könnten. Soweit ich die Zusammenfassung Jesu der 10 Gebote im Ohr habe, geht es um Liebe und Achtsamkeit gegenüber sich selber, dem anderen und Gott - und das in diesem Dreiklang. PID ist in jeder Hinsicht gegen dieses Liebesgebot gerichtet.

  • H
    hann0s

    Ethik schwebt in der Luft, sie ist auf jeden Fall keine wirksame Kraft der Natur. Unser Recht als Gesellschaft ist, zu begrenzen, was der Gesellschaft schadet. Im speziellen Fall der PID sind die moralischen Grenzen so aufgeweicht, die "Abgründe" so unscharf, das es schlichtweg keinen moralischen Dammbruch gibt, wie bspw. bei der Patentierung von Genen oder dem Klonen von Menschen. Ein widerspruch wird im Artikel genannt, außer blindem Dogmatismus gibt es nichts, was das Verbot begründet.

     

    Und die Anwesenheit von Theologen in diesem Rat ist doch nur ein weiterer Beweis, wie extrem wichtig eine Trennung zwischen Staat und Kirche in Deutschland ist. (Welche wir de jure nicht haben, stöbert mal in der Verfassung)

  • B
    BrigitteG.

    Keine PID zu erlauben, ist unverzeihlich, wenn man bedenkt, welcher Aufwand betrieben wird, damit eine kuenstliche Befruchtung ueberhaupt stattfinden kann. Ob eine Schwangerschaft erfolgreich ist, steht dann immer noch in den Sternen. Oft verliert die Schwangere ihr Kind und oft sind sind mehrere Versuche noetig, bis es zu einer Schwangerschaft kommt. Dieses Risiko noch dadurch erhoehen, dass man die PID untersagt und der Schwangeren zumutet zu einem spaeteren Zeitraum abzutreiben, sollte sich herausstellen, das das Kind krank ist, ist unverantwortlich der werdenden Mutter gegenueber und obendrein eine enorme Verschwendung von Geldern.

  • TA
    Torsten Arncken

    Es geht um die Frage der Transzendenz: Ethik schwebt nicht einfach in der Luft, sondern sie ist eine wirksame Kraft in der Natur. Wenn ich das Leben mit meiner ganzen Kraft zu denken und zu empfinden erfasse, dann ist darin Ethik pur. Sonst gäbe es aus meiner Sicht gar keine Existenz.

     

    Dieses Erleben kann dann in die berühmten goldenen Regeln gefasst werden, und dann ist es egal, wer diese vertritt. in unserer westlichen Gesellschaft ist die Kirche die letzte Insitution die diese Regeln noch vertritt, deshalb hat man einen Kirchenmann eingeladen. Das ist sicher richtig.

     

    Der Mensch ist ein so hoch entwickeltes, freies Wesen, dass er in der Lage ist die Vererbung immer wieder zu überwinden. Ich habe auch ganz schlechte Gene, mit viell Müll darauf, aber das Bewusstsein des Menschen kann sich darüber erheben, und so wird auch für den Körper vieles Möglich. Es zeigt sich doch schliesslich im Rückblick: Unsre Schwächen sind unsere Stärken.

     

    Es kann sich ja jeder fragen: Wer spricht aus mir, wenn ich mich zum Herrscher über das Leben erhebe und was für eine perfekte Welt soll es werden? Eine rein mechanische und unmenschliche. Das wäre mir zu schade.

     

    Darum bin ich, trotz meiner vielen eigenen Fehler, für Ethik als Ziel freien menschlichen Verhaltens. Ich möchte nicht nützlich und hässlich, sondern ethisch und schön handeln, weil ich es will.

     

    Mit freundlichen Grüßen

    Torsten

  • T
    T.A.

    Die Aufnahme der Theologen in den Ethikrat macht dessen Unabhängigkeit zu einer Farce.

  • S
    Stefan

    Wieso sitzen eigentlich Theologen mit im Ethikrat? Und wenn sie dort schon sind: wer vertritt dann die Humanisten, Atheisten, Agnostiker...?

     

    vg, stefan