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Generalstreik in SpanienProtest gegen Arbeitsmarktreform

Gegen eine Arbeitsmarktreform, die Entlassungen erleichtert und die Tarifautonomie aufhebt, richtet sich der Ausstand. Die Polizei greift ziemlich rabiat ein.

Shoppen war am Donnerstag in Madrid nicht möglich. Bild: reuters

MADRID taz | Die Geduld der Spanier hat ein Ende. Nach gerade einmal drei Monaten sieht sich der konservative Ministerpräsident Mariano Rajoy einem Generalstreik ausgesetzt. Die beiden großen Gewerkschaften des Landes, CCOO und sozialistische UGT, protestieren mit dem Ausstand gegen eine Arbeitsmarktreform, die Entlassungen erleichtert und die Tarifautonomie weitgehend aufhebt.

Knapp 40 kleinere Gewerkschaften und Berufsverbände schlossen sich der Aktion an. Rund 1.000 Parteien und Verbände unterstützen die Proteste ebenfalls.

Während das Innenministerium auf einer Pressekonferenz von „Normalität“ redet, gestehen Unternehmerverbände ein, dass der Generalstreik – der achte seit Ende der Diktatur 1975 – besser befolgt wurde als der letzte im September 2010 gegen die damalige sozialistische Regierung.

Am Donnerstag blieben überall Fabriken, Häfen und Großmärkte geschlossen. Die Müllabfuhr kam zum Erliegen und in den Schulen und Universitäten blieben die Schüler sowie ein Großteil der Lehrkräfte zu Hause, Krankenhäuser und öffentlicher Nahverkehr funktionierten nur mit einem per Dekret verordneten Notdienst.

Viele Geschäfte und Kneipen ließen die Rollläden unten. Die Kaufhäuser öffneten unter starkem Polizeiaufgebot. Die großen Tageszeitungen des Landes erschienen nur mit einer Notausgabe. Viele regionale Blätter wurden nicht gedruckt. In Madrid, Valencia und Andalusien stellte das Regionalfernsehen – vergleichbar mit den deutschen Landessendern – den Betrieb Punkt Mitternacht ein. Der Stromverbrauch im Land ging um mehr als 20 Prozent zurück.

Hubschrauber kreisen über Madrid

Über Madrid kreisten den ganzen Tag ununterbrochen Polizeihubschrauber. Manche Stadtteile glichen „der Landung in der Normandie“, beschwerte sich ein Sprecher der UGT. Die Polizei ging teilweise recht rigoros gegen die Streikenden vor, 58 Personen wurden schon in der Nacht festgenommen.

„Es handelt sich um die Reform, die den Arbeitern den schwersten Schaden in unserer Geschichte zufügt“, heißt es im Streikaufruf. Die Abfindungen für Entlassene wird um die Hälfte gekürzt. Künftig werden Rausschmisse nicht mehr, wie bisher, von einem Richter geprüft. Massenentlassungen können bereits dann durchgeführt werden, wenn der Unternehmer in naher Zukunft Verluste befürchtet.

Falls ein Betrieb drei Quartale lang rote Zahlen schreibt, kann die Arbeitszeit erhöht, können Löhne einseitig gesenkt oder Mitarbeiter in andere Landesteile versetzt werden. Wer nicht einverstanden ist, kann „sich selbst zu entlassen“, indem er die Abfindung kassiert und geht. Die Probezeit in kleineren Betrieben wird auf ein Jahr erhöht.

Für Menschen unter 30 sieht das Gesetz einen schlecht bezahlten einjährigen Anlernvertrag vor. Die konservative Regierung verteidigt die Reform. Sie würde – mittelfristig – Arbeitsplätze schaffen. In diesem Jahr, so das Arbeitsministerium, werde die Zahl der Arbeitslosen von derzeit 5,3 Millionen (23 Prozent) auf knapp 6 Millionen steigen.

Spanien gerät immer tiefer in die Rezession. Schuld daran ist unter anderem der rigide Sparkurs der Regierung. In diesem Jahr soll das Defizit von 8,5 auf 5,3 Prozent gedrückt werden. Am Freitag wird Rajoy seinen Haushalt vorstellen. Insgesamt werden die Staatsausgaben demnach 15 Prozent niedriger ausfallen als im Vorjahr.

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