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Generaldebatte im BundestagKein Burgfrieden in Kriegszeiten

Friedrich Merz attackiert die FDP und stellt Bedingungen für das Unions-Ja zum Milliarden-Bundeswehr-Deal. Der Kanzler versucht zu beruhigen.

Bundeskanzler Olaf Scholz gibt den Staatsmann Foto: Michael Kappeler/dpa

Berlin taz | Man mag von Friedrich Merz halten, was man will – für die Debattenkultur im Bundestag ist er ein Geschenk. In der Generaldebatte fiel der Unionschef spontan über die FDP her. Merz herrschte die FDP-Politikerin Agnes Strack-Zimmermann an, sie solle sich gefälligst mit Zwischenrufen zurückhalten. Sonst „diskreditiere sie sich als Vorsitzende des Verteidigungsausschusses“. Warum sachlich, wenn es auch persönlich geht?

Zwischen Union und FDP fliegen die Fetzen, die Gereiztheit im früheren bürgerlichen Lager ist hoch. Kein Unionsredner versäumt es, FDP-Finanzminister Lindner unter die Nase zu reiben, dass dessen so solider Haushalt mittlerweile aus vier Etats besteht. Dem Bundeshaushalt, den 100 Milliarden Euro Sondervermögen Bundeswehr, den 60 Milliarden Euro Kreditermächtigungen, die aus der Coronahilfe umgebucht wurden, und dem Nachtragshaushalt, der demnächst kommt. Die FDPler konterten süffisant, dass die miese Lage der Bundeswehr vielleicht auch mit 16 Jahren unionsgeführtem Verteidigungsministerium zu tun haben könnte.

Mit Merz steigt das Polemik- und Unterhaltungsniveau im Parlament jedenfalls erheblich. Seine Kernaussage adressierte er an die Ampelregierung: Es gibt keinen Burgfrieden. Am 27. Februar hatte die Unionsfraktion noch stehend dem Kanzler applaudiert. Jetzt reichte Merz sechs politische Bedingungen für die Beteiligung der Union an der ganz großen Aufrüstungskoalition nach. Die sind hart.

Alle Ampelabgeordneten müssten dem 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen zustimmen, das mit Zweidrittelmehrheit im Grundgesetz fixiert werden soll, so Merz. Das Geld dürfe nur für die Bundeswehr verwendet werden – für nichts sonst. Die grüne Fraktionschefin Katharina Dröge wies zart darauf hin, dass nicht nur Raketen und warme Unterwäsche, sondern auch Cybersicherheit dazu gehört und man sich mit dem Sicherheitsbegriff der Nato befassen könne. Es gibt mit der Union noch einigen Klärungsbedarf.

Lieber Herr Merz, wir werden über die Ausgestaltung reden und eine gemeinsame Sache machen.

Bundeskanzler Olaf Scholz

Merz zieht Grenzen. Auch bei der Impfpflicht werde die Union der Ampel, der die eigene Mehrheit fehlt, nicht helfen. Die härteste seiner Forderungen in Sachen 100 Milliarden für die Bundeswehr lautet: Die Union werde nur zustimmen, wenn dauerhaft mehr als 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Militär ausgegeben werden. Also auch, wenn in fünf Jahren die 100 Milliarden Euro ausgegeben sind. „Das ist die Voraussetzung für eine gemeinsame Lösung“, so Merz.

Wie diese Forderung, Aufrüstung für immer, umgesetzt werden soll, per Gesetz oder gar als Teil der Grundgesetzänderung, bleibt offen. Für Merz scheint es aber mit einer unverbindlichen Willensbekundung nicht getan zu sein. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich gibt umgehend zu bedenken, ob es wirklich klug ist, 2022 allen „künftigen Generationen vorzuschreiben, wie hoch die Rüstungsausgaben sein sollen“.

Olaf Scholz lächelt auf der Regierungsbank unter seiner Maske Merz’ Angriffe weg. Am Pult sagt er generös: „Lieber Herr Merz, wir werden über die Ausgestaltung reden und eine gemeinsame Sache machen.“ Das klingt harmlos, enthält aber den Hinweis, dass die Union es sich kaum leisten kann, den 100-Milliarden-Euro-Deal platzen zu lassen, weil sie mal Opposition spielen will.

Scholz begründet die Ampelpolitik klar

Der Kanzler spannt in seiner Rede einen größeren Bogen als Merz und begründet, für seine Verhältnisse klar, die Ampelpolitik. Die Sanktionen gegen Putin würden wirken, jetzt zusätzlich alle Gasleitungen zu kappen, würde „uns mehr treffen als die russische Führung“. Man beschleunige zudem den klimaneutralen Umbau nach der Devise: „Jetzt erst recht und nicht erst mal langsam.“ Mit Katar versuche man außerdem der Energieabhängigkeit von Russland zu entkommen.

Scholz’ Umfeld weist derzeit gerne darauf hin, dass Scholz Anfang 2021 versuchte, US-Flüssiggas nach Deutschland zu importieren. Damals war die Empörung über diesen Deal mit dem dreckigen Frackinggas groß. Von heute aus betrachtet sieht das anders aus.

Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch bescheinigt der Ampel wegen des Katar-Geschäftes „Doppelmoral“. Die Grünen hätten vor Kurzem dem umworbenen Katar noch die Fußball-WM wegnehmen wollen.

Scholz sendet nach der kernigen, ja martialischen Rede am 27. Februar beruhigende Botschaften, die Ängste vor einer Eskalation der Gewalt besänftigen sollen. Es werde keine Flugverbotszone und kein militärisches Eingreifen in der Ukraine geben. Diese Position ist nicht neu – neu ist, wie klar der Kanzler dies formuliert. „Die Nato wird nicht Kriegspartei“, sagt er. Das sei im Westen Konsens. Scholz neigt wie Merkel gern zum Undeutlichen, Offenen und Unverbindlichen. Hier nicht.

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2 Kommentare

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  • Die Politik denkt immer noch, mit Geld ließen sich alle Probleme irgendwie lösen. Das stimmt nur noch zum Teil. Die strukturellen Defizite lassen diese und auch andere Milliarden verpuffen. Anderswo würde man das auch als Korruption bezeichnen. Eine Armee die mit einem 1,6% Budget von einer der stärksten Volkswirtschaften nicht zurecht kommt, wird auch bei 2% oder 100 Milliarden extra nicht zurecht kommen. Schade ums Geld.

  • Oh das klang noch in Scholz Wende-Rede aber ganz anders, wird auch kein noch so gewiefter Diplomat mal anders auslegen können. Das sog. Sondervermögen soll für sich bereits also schon ein paar Jahre gestückelt, rationiert, angerechnet werden, damit ist es ja dann gar nicht mehr so sonder, oder extra, es ist offenbar ein (nachträglich modifiziertes) Versprechen, um ein anderes einzulösen, bzw. erst mal diesen Eindruck erwecken zu können. Somit bräuchte es in wenigen Jahren dann aber tatsächlich schon die nächste Portion. Wer auch immer das dann nachvollziehen soll oder wollte, falls etwa Donald Trump dann wieder US-Präsident ist, oder - wahrscheinlicher - jemand noch Undankbareres, können sie den dann ja mal ganz nett drum bitten. Was erst mal beruhigend klingt, weil's deutlich magerer ausfiele als ich dachte, lässt meine mittel- bis langfristigen Sorgen nur wachsen. Und auch was hier jetzt diesem CDU-Mann zugeschrieben wird, hat Scholz in der Rede doch längst selbst gesagt, bzw. eben nicht gesagt, zeitlich begrenzt. Bei allem Respekt vor Debattenkultur und vermeintlich brillanten Polemikern im Plenum, das ja nun auch weit genug ist: eine wirklich denkwürdige Ansprache wie die des Kanzlers, das registriert man im Ausland sofort und im NATO-Ausland eben auch hocherfreut, dankbar, weil es int. Medien aufgreifen. Aber wie die das jetzt mit sich selbst ausmachen und verarbeiten, vermitteln, parteipolitisch ausspielen, das interessiert dort ja nicht wirklich. Kommende deutsche Diplomaten nicht nur in DC sind jedenfalls nicht zu beneiden. Und falls die dicken Backen noch schneller verpuffen als ich es annehme, könnte Trump das sogar schon in einem hypothetischen Wahlkampf gleich zusätzlich Munition liefern. Denn das bringt seine Leute richtig auf die Palme und ich kann das auch verstehen. Und das können hier sehr viele oder ist nicht nahezu alles, was er dort sagte, inzwischen auch in Deutschland nah am Allgemeinplatz?

    www.youtube.com/watch?v=Vpwkdmwui3k