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General Zias Marionettentheater

■ Lange wurde Pakistans Zivilregierung als Statistin des Staatspräsidenten Zia-ul-Haq eingeschätzt: Jetzt entpuppte sich der Zivilist Junejo als Gegenspieler - und mußte gehen / Die Haltung zum Genfer Afghani

General Zias Marionettentheater

Lange wurde Pakistans Zivilregierung als Statistin des

Staatspräsidenten Zia-ul-Haq eingeschätzt: Jetzt entpuppte sich der Zivilist Junejo als Gegenspieler - und mußte gehen / Die Haltung zum Genfer Afghanistan-Abkommen entzweite

Regierung und Militär / Forcierte Islamisierung stößt auf

Grenzen

Von Simone Lenz

Berlin (taz) - Daß sich der pakistanische Staatschef Zia-ul -Haq eines besseren besinnen und binnen 90 Tagen Neuwahlen ausschreiben sollte, wagt niemand recht zu hoffen - am wenigsten die zerstrittene Opposition. Ihr kommt die Auflösung der Nationalversammlung und der vier Provinzparlamente sowie die Entlassung von Premier Junejo zu diesem Zeitpunkt höchst ungelegen. Eingerichtet hatte man sich auf einen Wahlkampf zum Ablauf der Legislaturperiode 1990. Benazir Bhutto, Tochter des von Zia gestürzten und 1979 hingerichteten Präsidenten Zulfikar Ali Bhutto nutzte die Verschnaufpause, um sich als Ehefrau und Mutter wieder Respekt in der pakistanischen Politarena zu verschaffen. Der Einzug einer, wie das Gerücht geht, schwangeren Spitzenkandidatin in den Wahlkampf läge jedoch weit jenseits islamischer Tabuvorstellungen.

Ungeachtet dieser Umstände, hätte Benazirs dreifach gespaltene Volkspartei PPP wenig Chancen als Gewinner aus einer Wahl hervorzugehen, ebensowenig das oppositionelle Neun-Parteien Bündnis zur Wiederherstellung der Demokratie (MRD), das sich bislang weder auf eine Koalition mit der PPP noch auf ein gemeinsames Vorgehen einigen konnte. Die Chancen der in den letzten drei Jahren wiederbelebten Muslim -Liga des gerade erst seines Amtes enthobenen Ministerpräsidenten Junejo stehen da schon besser. Ihm gelang es, horrende Summen aus Entwicklungsfonds abzuzweigen und damit selbst der PPP die einflußreichsten Kandidaten abzuwerben.

Die „Marionette“ Junejo ließ sich nicht länger für eine fortgesetzte Unterstützung der fundamentalistischen Mudjahedin einspannen, mit der Pakistan derweil in den Ruf gerät das Genfer Abkommen zu brechen. Im Einklang mit den im Parlament nicht vertretenen Oppositionsparteien hatte sich die Muslim-Liga für einen baldigen Abschluß der Genfer Verhandlungen und die damit verbundene Zurückführung der afghanischen Flüchtlinge stark gemacht. Die US-gestützte und saudi-arabien-treue Fraktion Zia-ul-Haqs protegiert dagegen den Chef der radikal-fundamentalistischen Widerstandsgruppe Hesb-e-Islami, Gulbudin Hekmatyar. Der Sprecher der Rebellen -Allianz genießt bei der pakistanischen Bevölkerung indes nicht mehr Ansehen als bei den zwei Prozent afghanischer Flüchtlinge, die sich nach einer Umfrage des unabhängigen Informationszentrums in Peshawar durch ihn vertreten sehen. Spätestens aber seit der Explosion des übervollen Waffendepots in einem Wohngebiet zwischen den Zwillingsstädten Islamabad und Rawalpindi, die mehr als 1000 Menschen das Leben kostete, wurden Ungeduld über die verzögerte Afghanistan-Konfliktlösung und Rücktrittsforderungen gegenüber dem verantwortlichen Militär Zia-ul-Haq laut. „Nahrung statt Waffen“ forderte die aufgebrachte Zivilbevölkerung in landesweiten Kundgebungen. „Hätte die Führungsspitze in Islamabad dem eigenen Land nur annähernd die Sorge um die ökonomische und Menschenrechtssituation angedeihen lassen, wie den afghanischen Gästen, stünde General Zia heute nicht vor jenen Problemen, die er ausgerechnet Junejo der Symbolfigur einer - wenn auch zaghaften - Demokratisierung anlastet.“ kommentierte die pakistanische Zeitschrift Viewpoint.

Wenn der Staatschef seiner Regierung neben Korruption und Mißwirtschaft mangelndes Engagement bei der Errichtung eines islamischen Staates vorwirft, heißt das aber auch, die Islamisierungskampagne der letzten Jahre hat es nicht vermocht, die ökonomischen ethnischen und linguistischen Brüche des jungen Vielvölkerstaates zu verschleiern. Ein Staat, von dem Zia selbst einmal behauptete, er falle zusammen wie ein Kartenhaus, sobald man die staatstragende Ideologie entferne - den Islam. Im Gegenteil hat die ethnische Polarisierung etwa in der Hafenstadt Karachi gerade seit dem Verbot der politischen Parteien Ende der siebziger Jahre stark zugenommen. Heute bildet der ethnische Zusammenhalt die Folie für politische Gruppierungen. Gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen alteingesessenen und neuen Zuwanderern in den Slums der Acht-Millionen -Metropole forderten allein im Monat Mai mehr als 50 Menschenleben. Einheimische „Sindhis“ sind schon längst in der Minderheit gegenüber den moslemischen Einwanderern aus Indien, die nach der Separation ins Land kamen. Der Afghanistankrieg hat Afghanen mit engen Verbindungen zur Rauschgift und Waffenmafia nach Karachi geschwemmt. „Kalaschnikow-Kultur“ umschreibt treffend jenen Zustand, der den politischen Alltag auch auf Landesebene bestimmt.

Weder Belutschistan noch die North-West-Frontier-Provinz sehen sich in Islamabad durch das Mehrheitswahlrecht representiert, geschweige die südliche Provinz Sind, die seit jeher unter dem Trauma leidet, der fruchtbare und bevölkerungsreiche Punjab könne ihr das Wasser abgraben. In dem wachsenden ethnischen Bewußtsein versammeln sich bürgerliche und feudalistische Selbstbehauptungsansprüche gegenüber fundamentalistischer Indoktrination durch die arabischen Geldgeberländer. Die arbeitslagerähnlichen Bedingungen, unter denen pakistanische Arbeitsmigranten in Nahost das Videogerät, den Kühlschrank und damit den Aufstieg in den Mittelstand erarbeitet haben, trugen nicht eben zur Anfälligkeit für jenen freudlos-orthodoxen Islam arabischer Hemisphäre bei.

Kommt es zu einer Lösung des Afghanistankonflikts, verliert Pakistan seine Rolle als Frontstaat, so läßt sich die Aufrechterhaltung der hohen US-Militärhilfe vor dem amerikanischen Kongreß kaum mehr rechtfertigen. Die vom islamischen Fundamentalismus infiltrierten Militärs haben weniger Legitimationsskrupel. Ihnen ist es egal, ob sie den Glaubensbrüdern an der Ostgrenze Beistand leisten, oder Konflikte mit den indischen Hindus an der Westgrenze anfachen. Indien hatte gehofft, der moderate Junejo könne sich gegen die pakistanischen Armeekreise durchsetzen. Vorerst sieht es so aus als hätte Zia den Spieß umgedreht.

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