Gendiagnostikgesetz: Der gläserne Mitbürger
Verschiedene Verbände kritisieren den Entwurf für das Gendiagnostikgesetz: Die Regeln bei DNA-Tests diskriminierten Migranten.
FREIBURG taz Ausländer sollen im geplanten Gendiagnostikgesetz nicht als "Menschen zweiter Klasse" behandelt werden. Das forderten gestern Pro Asyl, das Gen-Ethische Netzwerk und der Deutsche Anwaltverein in einer gemeinsamen Erklärung.
Das Gendiagnostikgesetz soll noch in diesem Jahr vom Bundestag beschlossen werden. Es sieht vor, dass jeder selbst über den Umgang mit seinen Erbinformationen bestimmen kann. So dürfen Arbeitgeber von ihren Beschäftigten oder von Stellenbewerbern keine Gentests verlangen, um zu sehen, ob diese zu bestimmten Krankheiten neigen. Bei bloßen Abstammungstests müssen alle Beteiligten zustimmen.
Die Regeln über Abstammungstests gelten grundsätzlich auch für Ausländer, die für ihre Angehörigen den Familiennachzug nach Deutschland beantragen. Sie können die Verwandtschaft mit Hilfe einer DNA-Analyse beweisen. Wie bisher soll dies auch in Zukunft freiwillig sein. Allerdings ist diese Freiwilligkeit in der Praxis begrenzt, weil das Auswärtige Amt bei rund 40 Ländern, zum Beispiel Afghanistan und Birma, die Echtheit offizieller Urkunden bezweifelt und der DNA-Test dann oft der einzige von den Behörden anerkannte Verwandtschaftsnachweis ist.
Die drei Verbände kritisieren nun, dass bei solchen Abstammungsgutachten von Ausländern manche Schutzbestimmungen des Gendiagnostikgesetzes ausdrücklich nicht gelten sollen. So ist nicht vorgeschrieben, dass die Tests von einem Arzt oder Sachverständigen vorgenommen werden müssen, auch eine Aufklärung über gesundheitliche Risiken wird nicht verlangt. Außerdem können die Daten auch für Strafverfahren benutzt werden. Dadurch würden Migranten "massiv diskriminiert", rügen die Verbände.
Die Bundesregierung hält die medizinische Aufklärung vor dem Test für verzichtbar, weil bei der Entnahme einer Speichelprobe aus dem Mund keine gesundheitlichen Risiken bestehen. Pro-Asyl-Expertin Marei Pelzer gibt jedoch zu bedenken, dass das Ergebnis eines Abstammungstest auch erhebliche psychische Risiken mit sich bringt. "Wer als sozialer Vater eines Kindes bisher immer geglaubt hat, dass er auch der biologische Vater ist, für den kann bei einem negativen Testergebnis eine Welt zusammenbrechen", so Pelzer. Es sei traurig, dass solche sonst stets berücksichtigten Aspekte dann keine Rolle spielen, wenn es um Ausländer gehe.
Auch die Verwendung der so gewonnenen DNA-Profile in Strafverfahren hält Pelzer für problematisch. Diese Regelung könne Ausländerbehörden darin bestärken, im Falle eines negativen Testergebnisses ein Strafverfahren wegen Betrugs einzuleiten. Dabei sei dies aber nicht nur stigmatisierend, sondern auch sinnlos. "Wer sich sicher ist, dass keine genetische Abstammung besteht, wird schon gar keiner genetischen Untersuchung zustimmen", sagt Pro-Asyl-Expertin Pelzer. "Ein negativer Ausgang des Tests dürfte für die Betroffenen also stets überraschend kommen, weshalb schon gar kein Betrugsvorsatz vorliegen kann."
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