Genderregeln bei der Fifa: Wer darf mitspielen?
Wegen zu hoher Testosteronwerte muss Sambias Fußballerin Barbra Banda um die WM-Teilnahme bangen. Die Fifa will nun die eigenen Regeln prüfen.
Als die Frauen-Nationalmannschaft Sambias im vergangenen Sommer beim Afrika-Cup in Marokko ins Halbfinale stürmte, war das an sich schon einmal eine riesige Überraschung. Die Ostafrikanerinnen waren noch nie so weit gekommen. Was die Sache aber noch bemerkenswerter machte: Sie schafften das ohne ihre beste Spielerin. Barbra Banda durfte nicht mitspielen.
Banda wurde 2020 weltweit bekannt, als ihr beim Olympischen Fußballturnier in zwei Gruppenspielen jeweils ein Hattrick gelang. Nun aber saß die Team-Kapitänin auf der Tribüne und musste zuschauen. Der 22-Jährigen war kurz vor Turnierbeginn die Teilnahmeberechtigung entzogen worden – sie habe ein „Geschlechtsüberprüfungsverfahren“ nicht bestanden, erklärte der afrikanische Fußballverband Caf.
Seit diesem Geschehen gibt es im internationalen Spitzensport den „Fall Banda“ – der durchaus vergleichbar ist mit dem „Fall Caster Semenya“. Wie die südafrikanische Leichtathletin Semenya, die vor Jahren von internationalen Leichtathletik-Wettkämpfen ausgeschlossen wurde, hat auch Barbra Banda einen sehr hohen Testosteronwert. Und der afrikanische Fußballverband hat für seine Wettbewerbe einen Grenzwert eingerichtet, bei dessen Überschreiten Athletinnen ausgeschlossen werden können. Testosteron ist ein muskelaufbauendes Hormon, von dem Männer in der Regel viel mehr haben als Frauen. Sie sind muskulöser gebaut und in der Regel leistungsfähiger.
Der Aufschrei in Sambias Fußballszene war nach dem Ausschluss groß. „Mit ihr hätten wir den Afrika-Cup wahrscheinlich gewonnen“, klagte Nationaltrainer Bruce Mwape – sein Team wurde am Ende Dritter. Presse und Fans in Sambia sahen ihr weibliches Fußballidol ungerecht behandelt. Sie fragten: „Bei den Frauen darf sie nicht spielen, bei den Männern auch nicht. Wo soll sie denn jetzt spielen?“ Die internationale Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch sah es ähnlich und prangerte den Ausschluss der Fußballerin grundsätzlich an: Geschlechterüberprüfungen seien eine Menschenrechtsverletzung und diskriminierend, so die nichtstaatliche Organisation.
Unterschiedlichste Bestimmungen
Wie schwer sich der Spitzensport mit dieser Thematik tut und wie unterschiedlich Regeln angewendet werden, zeigte sich wenige Wochen nach dem Afrika-Cup. Da fand in Südafrika der „Cosafa-Cup“ statt – ein Turnier, bei dem nur die Länder aus dem südlichen Teil des Kontinents ihren Champion ausspielen. Sambia gewann den Cup am Ende. Mit Barbra Banda.
Anders als bei der CAF gab es beim regionalen Fußballverband Cosafa keine Geschlechterüberprüfung. Für Banda und ihre Teamkolleginnen konnte es kaum besser laufen. Ohne Punktverlust und ohne Gegentore hatten die Sambierinnen schon die Vorrunde gemeistert, das Halbfinale war dann auch kein Problem und im Finale wurde Gastgeber Südafrika mit 1:0 besiegt – Torschützin: Barbra Banda, die auch zur besten Spielerin der Veranstaltung gewählt wurde. Ihr gelangen in fünf Spielen satte zehn Tore.
Nun ist die Fußballwelt gespannt darauf, was Sambia bei der Weltmeisterschaft 2023 leisten kann. Die wird im kommenden Sommer in Australien und Neuseeland ausgetragen. Barbra Banda und ihre Kolleginnen sind neben Marokko, Nigeria und Südafrika eines von vier bereits qualifizierten afrikanischen Teams. Kamerun und Senegal könnten bei einem Ausscheidungsturnier im Frühjahr noch nachrücken.
Aber wird das Weltturnier auch Barbra Banda sehen? „Ja“, sagte vor wenigen Tagen Sarai Bareman, seit 2016 „Chief Women’s Football Officer“ beim Fußball-Weltverband Fifa. „Wir freuen uns – Stand jetzt – Barbra Banda und ihre Teamkolleginnen in Australien und Neuseeland begrüßen zu dürfen“, so die Funktionärin aus Samoa. Aber Bareman musste einräumen, dass die Fußballszene immer noch relativ „blank“ dasteht, was einheitliche Genderbestimmungen betrifft. „Wir befinden uns gerade in einem Konsultationsprozess und überprüfen unsere Genderbestimmungen“, so Bareman gegenüber der britischen BBC. „Es ist ein sehr komplexes Thema mit vielen unterschiedlichen Meinungen. Wir streben an, in den kommenden Monaten ein entsprechendes Regelwerk präsentieren zu können“, so die Fifa-Mitarbeiterin.
Im Hintergrund scheinen die Dinge auf Hochtouren zu laufen, denn dem Weltverband ist völlig klar, dass ihm das Thema spätestens kurz vor dem WM-Start um die Ohren fliegen könnte. Bareman bittet daher – quasi prophylaktisch – schon einmal um Nachsicht. „Als Fifa ist es unsere Aufgabe, alle Ansichten zu berücksichtigen, denn wir müssen jede Sichtweise verstehen. Es gibt die Forschung, Beweise, individuelle Situation, die Menschenrechtsseite der Dinge – wir müssen all das berücksichtigen, bevor wir eine endgültige Entscheidung treffen können.“ Bareman findet: „Es ist eine große Entscheidung und sie wird für viele Menschen große Auswirkungen haben.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour