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Gen Z und BoomerStudieren, jobben, Welt retten

Unsere Autorin hat eigentlich keinen Bock auf Generationenbashing. Doch wenn man ihr und der Generation Z Faulheit vorwirft, steigt Wut in ihr auf.

„Das war kein Sonnenbaden am Baggerloch. Das war Arbeit“: Protest gegen die Räumung des Dorfs Lützerath im Januar 2023 Foto: M. Golejewski/AdoraPress

V or ein paar Wochen musste ich mich montagmorgens krankmelden. Ausgerechnet Montag. Kurz hatte ich Sorge, meine Kol­le­g:in­nen würden denken, ich mache blau, mich hätte der „Montagsblues“ erwischt, wie es meiner Generation aktuell gerne unterstellt wird. Also lieber doch hingehen, trotz Ohrenentzündung? Blödsinn! Mit größter Wahrscheinlichkeit hatte niemand auch nur eine Sekunde lang das gedacht, worüber ich mir den Kopf zerbrach. Ich wurde wütend, dass mir dieser Gedanke überhaupt gekommen war.

Umso mehr freut mich eine neue Studie, die belegt, dass der ganze Bullshit mit der angeblich so „faulen“ Gen Z nicht stimmt. Im Gegenteil. Laut dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung arbeiten wir jungen Menschen heute sogar mehr als früher – weil wir es müssen. Gestiegene Mieten, höhere Lebensmittelpreise, schlecht bezahlte Praktika: So ein Start ins Erwachsenenleben ist nicht billiger geworden, sondern teurer. Meine frühere Mitbewohnerin hatte gleich mehrere Nebenjobs. Ein Freund, der weder BAföG noch Unterstützung von seinen Eltern bekam, hat sich sein komplettes Studium irgendwie selbst finanzieren müssen. Auch ich hatte einen Studijob.

Eigentlich habe ich keinen Bock auf Generationenbashing, aber mich regt auf, dass Arbeit für einen Teil von euch Boomern immer nur als Lohnarbeit verstanden wird. Immer höher, schneller, weiter – das scheint das Einzige zu sein, was ihr rufen könnt, dabei seht ihr doch selbst, dass es so nicht weitergeht. Und so müssen wir Jungen auch darüber hinaus jede Menge Arbeit erledigen, die von euch oft nicht als solche gesehen wird. Wir engagieren uns für die Rechte von Geflüchteten, setzen uns für Gleichberechtigung ein oder unterstützen wie jetzt, vor der Bundestagswahl, den Haustürwahlkampf der Linken.

Der besagte Montag, an dem ich krank wurde, war nach dem Wochenende in Riesa. Stundenlang stand ich gemeinsam mit anderen Menschen in der Kälte, um gegen die Politik der AfD zu protestieren. Dort zu stehen, gab mir das Gefühl, etwas tun zu können, aber es machte mich auch wütend. Es weckte Erinnerungen an die Male, die ich mich früher mit meinen Freun­d:in­nen auf den Weg gemacht hatte. Um gegen den Autobahnausbau der A49 im Dannenröder Forst zu demonstrieren, gegen Braunkohle, den Abriss von Lützerath oder, oder, oder …

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Das war kein Sonnenbaden am Baggerloch. Das war Arbeit! In unserer Freizeit! Glaubt ihr, dass es Spaß macht, im Morgengrauen loszuziehen und Angst vor willkürlicher Polizeigewalt zu haben? Ich hätte mir Erholsameres vorstellen können. Aber leider sitzen wir Jungen nicht an den gemütlichen Hebeln der Macht. Und so müssen wir auf der Straße die Jobs machen, die viele von euch versäumt habt. Einige der heutigen Probleme wären nicht so groß, wenn ihr sie rechtzeitig in Angriff genommen hättet. Wärt ihr früher und entschlossener gegen Rechtsextremismus, soziale Ungleichheit und die Klimakrise vorgegangen, müssten wir heute nicht so viel ackern.

Klar, auch viele Menschen aus eurer Generation haben sich für eine bessere Zukunft engagiert – und auch in meiner gibt es viele, die es nicht tun. Deshalb verstehe ich auch nicht, woher euer Frust auf uns kommt. Seid ihr neidisch, weil ihr glaubt, dass wir es besser haben als ihr? Habt ihr Angst, dass wir euch in dem Schlamassel, den ihr produziert habt, alleine lassen – weshalb ihr uns ein schlechtes Gewissen einreden wollt? Sorry, das alles zieht nicht mehr. Wenn der Planet nicht auch unsere Lebensgrundlage wäre, würden wir jetzt sagen: Ciao, wir machen es anderswo besser.

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Hat Geographie und Germanistik in Freiburg studiert. Begeistert sich besonders für Klimafragen, soziale Gerechtigkeit und Literatur.
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6 Kommentare

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  • Die Überschrift können sich auch viele Boomer aneignen. Man hat studiert, viele mussten joppen und man hat sich an Kohl und Konsorten der Nachrüstung und der Atomindustrie abgearbeitet. Das haben wir damals auch für die Rettung der Welt als notwendig erachtet.



    Der wesentliche Unterschied zur Gen Z ist, ja, dass wir damals davon ausgehen konnten, dass es uns besser gehen wird als unseren Eltern, wir in Zukunft sozial abgesichert sind und dass wir Spielraum für positive Veränderungen haben werden. Gen Z muss sich mit einem allgemeinen Abwärtstrend mit größter Ungewissheit arrangieren und weiß, dass es ihnen in vielen Bereichen schlechter gehen wird als der vorhergehenden Generation. Dass man da andere Akzente der Lebensgestaltung setzt, ja setzen muss ist doch logisch, da muss sich die Gen Z keine Vorwürfe für ihr gegenwärtiges Handeln gefallen lassen.

  • Aufbauend auf den Artikel muss ich auch meinen Lebenslauf neu bewerten. Neben der Ausbildung habe ich noch Fußball gespielt und dabei zum Austausch der Regionen und Unterhaltung der Zuschauer beigetragen. Dies bitte auch als Arbeit bewerten.

  • Auch ich/wir mussten im Studium arbeiten, weil das Bafög nicht reichte? Urlaub mit Freunden, ein Jahr Auszeit nach dem Abitur? Wirklich Fehlanzeige! Aber deswegen gejammert? Nein, wir waren froh, dass es Bafög gab. Bildungsfreiheit und Chancengleichheit stand für uns auf dem Plakat?



    Nun sind wir Eltern von Kindern -s.o.- mit Fragen zur 40 Stunden Woche, Work-Life-Balance etc.

    Es ist ggf. nicht ganz klar: auch für uns gab es keine ausreichendn Kita-Plätze oder Unterstützung bei 40 Std. + und Haushalt und Kindern? Frauennetzwerk auf Gegenseitigkeit war die Lösung?



    Da kann die Zeit für Protest schon mal unter die Räder kommen? Man ist ja auch nur ein Mensch.....

    Vom Ende her betrachtet sind uns die Täubchen natürlich in den Mund gefolgen :-/

    Was ich nicht verstehe: Was ist schwierig an einer Ohrenentzündung mit Krankschreibung?

  • "Gestiegene Mieten, höhere Lebensmittelpreise, schlecht bezahlte Praktika"

    Das hatten wir auch alles, nur das unsere Praktikas überhaupt nicht bezahlt wurden.



    Und was die angebliche Mehrarbeit angeht, das steht auch nur auf dem Papier so, und liegt vor allem daran, das heute überall ne Arbeitszeiterfassung statt findet. Das war bei uns noch nicht so, und Überstunden hießen häufig "Freiwillige Mehrarbeit", und wurde frappierend häufig weder bezahlt, noch auf das Stundenkonto gepackt.



    Das sich überhaupt mal groß um Arbeitsschutz usw gekümmert wird, ist tatsächlich noch recht neu.



    Was man zugegeben nur wissen kann wenn man dabei war, weil bei uns noch alles "unter den Teppich" gekehrt wurde und nirgends erfasst ist. Aber die Realität ist einfach eine andere als die Zahlen wiedergeben, und aus diesem Grund ist diese Einschätzung das jünger heute mehr machen würden falsch und wird von älteren die es erlebt haben, höchstens belächelt.

    • @Rikard Dobos:

      In den 1980ern: Pflichtpraktika während des Studiums, bei Behörden, durften nicht bezahlt werden, wenn man danach nebenbei gearbeitet hat Tariflohn, ob bei Behörde, Uni oder in der freien Wirtschaft und bei guten Arbeitgebern auch gern mehr.

  • Wow, schon der nächste Artikel der gegen Generationengelaber und Generationenbashing ist und genau das betreibt. Ist eine Serie?



    Na denn.



    Es gibt neben Generationen bzw, Alter noch viele Möglichkeiten, Keile zu setzen. zb der gerechtfertigte Arm gegen Reich. Männer gegen Frauen oder Alleinerziehende gegen normative Familien. Tatsächlich scheint es sich im täglichen Leben viel um solche Abgrenzungen zu drehen. Man kann ja auch nicht immer nur über die Trump sche Katastrophe reden.



    Nur Demos sind keine Arbeit. Auch wenn heute gerne alles monetarisiert wird.