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Gemayel hinterläßt ein Chaos

Der Libanon ist nach sechs Jahren Präsidentschaft von Amin Gemayel zerstrittener denn je Bevölkerung will Präsidenten des „Wassers und des Lichts“ / Gemayel ohne Rückhalt beim Volk  ■  Aus Beirut Petra Groll

Nach sechs Jahren Amtszeit hinterläßt der libanesische Präsident Amin Gemayel seinem unbekannten Nachfolger einen Scherbenhaufen sondergleichen. Dabei hatte es an Vorschußlorbeeren nicht gefehlt, als Gemayel im September 1982 sein Amt antrat.

Nach der Ermordung seines Bruders und Israel-Freundes Beschir, der eigentlich für das höchste Amt im Staate auserkoren war, und dem Schock der israelischen Invasion zeigten sich alle politischen Lager kooperationsbereiter als zuvor.

Dies um so mehr, als Amin Gemayel in Kreisen der moslemischen Opposition als moderater eingeschätzt wurde als sein Bruder Beschir.

Doch die spektakuläre Versöhnungskonferenzen der Bürgerkriegsparteien blieben ergebnislos, und der von den USA gestützte Friedensvertrag mit Israel konnte angesichts der massiven Opposition im eigenen Lande niemals ratifiziert werden. Blutige Kämpfe zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen förderten den Prozeß der „Kantonisierung“, der Aufspaltung des Libanon in verschiedene Herrschaftsbereiche, und führten zur Spaltung und zum Autoritätsverlust der regulären libanesischen Armee. Seit Anfang 1986 boykottierte die moslemische und prosyrisch ausgerichtete Opposition den Staatschef; ein Versöhnungsabkommen mit dem Regime in Damaskus kam auch nach zwölf Gipfeltreffen nicht zustande.

Gemayels Kredit im eigenen Lager litt zunehmend, seit sein Kandidat für den Vorsitz der Falange-Partei im Sommer 1986 unterlag. Gewählt wurde George Saade, der von Samir Geagea, dem Chef der christlichen Einheitsmiliz „Libanesische Streitkräfte“ unterstützt wurde.

Mehr als alles andere aber zog der schier unaufhaltsame Sturz der Landeswährung den Präsidenten mit sich in die Tiefe. So wünschen sich die Mittelklasse und die überaus umfangreiche Schicht der Armen und Ärmsten heute nur noch einen Präsidenten des „Wassers und des Lichts“, einen Nachfolger Gemayels, der wenigstens die Grundbedürfnisse des Alltagslebens sowie ein einigermaßen stabiles Bildungssystem gewährleisten kann.

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