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Geleakte 1. Mai-AktenPolizei füttert Springer

Aus der Polizei wurden geheime Akten zur Revolutionären 1. Mai-Demo an die „Bild“ weitergegeben. Nun wird polizeiintern ermittelt.

Erst petzten, dann austeilen Foto: dpa

Berlin taz | „Die geheimen Polizei-Akten zum 1. Mai in Berlin“, betitelte die Bild einen Artikel vor dem Tag der Arbeit. In dem Text, der im gleichen Wortlaut im Springer-Schwesterblatt B.Z. erschien, zitierten diese aus einer internen Gefährdungsbewertung der Abteilung Staatsschutz des Landeskriminalamtes (LKA) zur Revolutionären 1.-Mai-Demonstration. „Nur für den Dienstgebrauch“, hieß es stolz.

Die Zeitungen schrieben dabei relativ profane und glaskugelige Annahmen über die linksradikale Demo auf. Ihr „störanfälligster Ort“ sei das Kottbusser Tor: Grund: die geplante und in der Szene verhasste Einrichtung der Kotti-Wache. Tatsächlich lief die Demo ohne jede Vorkommnisse am Kotti vorbei, auch zum „Gebrauch von Drohnen zur Auskundschaftung polizeilicher Einsatzkräfte“ kam es nicht. Pikant ist dagegen: Die Texte erhielten auch personenbezogene Daten des Demo-Anmelders. So schrieben die Blätter dessen abgekürzten Namen und führten seine Ermittlungsverfahren auf.

Wie aus einer Kleinen Anfrage des Linken-Abgeordneten Ferat Kocak hervorgeht, hat der Staatsschutz aufgrund der Weitergabe dieser Informationen ein Ermittlungsverfahren aufgenommen: wegen des Verdachts der Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht. Dieses dauere an und werde vom zuständigen Fachkommissariat für Polizeidelikte im LKA bearbeitet. „Polizeiinterne Akten dürfen zum Schutz personenbezogener Daten und polizeitaktischen Vorgehens nicht veröffentlicht werden“, schreibt der Senat, ohne Details zu nennen – etwa über den Umfang des geleakten Dokuments.

Kocak sagt, die Polizei sei „eine Gefahr für Menschen, die ihr Recht wahrnehmen, eine Demo anzumelden“. Würden ihre Daten öffentlich, können sie „schikaniert und diffamiert werden“. Erinnert fühle er sich an den NSU 2.0, wo Rechte polizeiinterne Daten über politische Gegner erhielten und diese dann bedrohten.

Wie Kocaks Anfrage zutage brachte, sind zwischen Januar 2021 und Juli diesen Jahres 35 Strafermittlungsverfahren wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses eingeleitet worden.

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1 Kommentar

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  • taz-Zitat: "(...) Kocak sagt, die Polizei sei „eine Gefahr für Menschen, die ihr Recht wahrnehmen, eine Demo anzumelden“. Würden ihre Daten öffentlich, können sie „schikaniert und diffamiert werden“. (...)"



    Oder Daten von Demo-Anmelder/ -innen werden gleich an den Verfassungsschutz übermittelt, so wie in Bremen:



    Demo-Anmeldung landet beim Geheimdienst/ Der direkte Draht



    Wer in Bremen eine Demo anmeldet, wird vom Ordnungsamt dem Verfassungsschutz gemeldet. Die Betroffenen werden darüber bislang nicht informiert.



    taz.de/Demo-Anmeld...imdienst/!5752666/