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Geld und KulturPankow macht Kultur platt

Der Bezirk Pankow will 1 Million Euro im Kulturbereich einsparen. Das wäre das Aus für Bibliotheken, Musikschule und Kulturzentrum. Projekte rufen zum Protest.

Bald keine Bücher mehr in den Regalen? Berliner Stadtteilbibliothek Bild: dpa

Aufschrei in Pankow: Kulturstadtrat Torsten Kühne (CDU) droht damit, zahlreiche Kultureinrichtungen zu schließen. Im Kulturausschuss des Bezirks legte er am Dienstagabend eine Liste mit sieben Institutionen vor, die der Bezirk aufgeben muss, will er wie geplant 1 Million Euro im Kulturbereich einsparen. Kritiker sehen darin die Zerschlagung der letzten städtischen Kultureinrichtungen und kündigen Widerstand an.

Zu den betroffenen Institutionen gehören die Musikschule Buch-Karow, die Stadtteilbibliothek Karow, die Galerie Pankow, das Museum in der Heynstraße und das Kulturzentrum Wabe im Ernst-Thälmann-Park. Betroffen sind auch Bereiche der Volkshochschule und zwei ehrenamtlich betriebene Bibliotheken: die Nachbarschaftsbibliothek in Französisch-Buchholz und die Kurt-Tucholsky-Bibliothek in der Esmarchstraße.

Stadtrat Kühne begründet die geplanten Kürzungen mit Vorgaben des Senats. Pankow muss 2012 nach Senatsvorgaben 5 Millionen Euro einsparen; laut einem Beschluss des Bezirksamtes entfallen davon 1,5 Million auf das Ressort Verbraucherschutz, Bürgerservice und Kultur. Da es in diesem Bereich viele Pflichtaufgaben gebe, bleibe nur der Bereich Kultur für Kürzungen, so Kühne. "Die Liste zeigt die Dramatik der Lage. Und die Absurdität der Vorgaben des Senats."

"Das ist schon lustig"

Bezirksbürgermeister Matthias Köhne (SPD) bezeichnet die Diskussion und die öffentliche Empörung als "verfrüht". Der Bezirk werde den Haushalt erst im Februar aufstellen, dann werde er von der Bezirksverordneten-Versammlung (BVV) diskutiert. Er kritisiert zudem Kulturstaatssekretär André Schmitz, der den Bezirk öffentlich auffordert, "seine Stärken nicht zu zerstören" und von den Schließungen im Kulturbereich Abstand zu nehmen. "Das ist schon lustig", so Köhne zur taz, "der Senat weigert sich, uns mehr Geld zu geben, und kritisiert uns, wenn wir dann kürzen müssen." Die Bezirke fordern fürs laufende Jahr 111 Millionen Euro mehr, um ihre Kosten zu decken, der Senat hat bisher erst 50 Millionen zugesagt.

In der Bibliothek in der Esmarchstraße herrscht am Mittwoch noch der Schock vor: "Wir hatten gedacht, das Gröbste überstanden zu haben und die Bibliothek weiterbetreiben zu können", sagt Barbara Wittwer vom Vorstand des Vereins, der die Bibliothek seit 2008 mit 30 Ehrenamtlichen betreut. Die Einrichtung sei vor allem für die Kinder des Bezirks wichtig, über die Hälfte der Ausleihen seien Kinder- und Jugendmedien.

5.000 Euro für Miete

Auch in der Nachbarschaftsbibliothek in Französisch-Buchholz, die seit sechs Jahren von einem Verein betrieben wird, sind laut Vereinsvorstand Lothar Stragies 60 Prozent der Nutzer Kinder. Alle laufenden Kosten trägt der Verein selbst. "Der Bezirk zahlt nur die Miete", so Stragies. "Das sind 5.000 Euro im Jahr. Wie will der Bezirk damit seinen Haushalt sanieren?" Beide Vereine kündigen Kampagnen zum Erhalt ihrer Projekte an.

Das ist eine völlig neue Dimension", sagt auch Jens Becker vom Aktionsbündnis Berliner Künstler. Das setzt sich seit Jahren für den Erhalt der Wabe im Ernst-Thälmann-Park ein, dem letzten städtischen Kulturzentrum in Pankow. Doch jetzt gehe es nicht um ein einzelnes Projekt: "Das bedeutet die komplette Vernichtung der Off-Kultur im Bezirk", sagt Becker. "Sollte der Bezirk diese Pläne umsetzen, zieht er sich damit vollkommen aus der Kulturpolitik zurück." Er fordert den Bezirk auf, die Sparpläne zu verweigern.

Die Fraktion der Linken brachte im Kulturausschuss einen Antrag ein, der die Kürzungsvorschläge kategorisch zurückweist. Er wurde mit den Stimmen von SPD und Grünen abgelehnt. Cornelius Bechtler, Fraktionsvorsitzender der Grünen, nannte den Antrag der Linken "scheinheilig". Die Linke, die in Pankow lange regierte, trage selbst die Verantwortung für die Probleme. Viele Projekte seien selbst schuld, "da sie einfach nicht wirtschaftlich genug arbeiten". Seine Fraktion setze sich dafür ein, dass der Bezirk im Immobilienbereich einspare, um einen Teil der Kulturprojekte zu retten. "Ein Projekt wie das Kulturzentrum im Thälmann-Park kann man nicht beibehalten. Es ist eine zu starke Belastung für den Haushalt."

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9 Kommentare

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  • P
    Punkow

    Viele Projekte seien selbst schuld, "da sie einfach nicht wirtschaftlich genug arbeiten". Das ist das typische neoliberale Gesülze, mit dem immer wieder mit minarchistischer Ideologie und ökonomischem Denken behauptet wird, daß Kulturinstitutionen auch gut wirtschaften müssten und möglichst ohne Unterstützung auskommen müssten. Wenn das so wäre, oder die Sponsoren nur noch aus der Privatwirtschaft kämen, dann könnte der gute "Anonymus" nicht mehr in die Oper gehen, dann würde die Berliner Kulturlandschaft sowas von öde aussehen, daß hier keine Leute aus aller Welt (z.B. Schwaben) mehr herkommen, weil es hier angeblich eine interessante Kulturszene gibt. Dann müßte der arme Anonymus wieder zurückziehen nach Schwäbisch Hall, weil sich hier nur noch Aso-Ossis und Ex-Stasiagenten an den Currywurstständen treffen um über ihre verlorengegangenen Spitzenverdienerjobs in den ach so zahlreichen staatlichen Kleintheatern und kommunalen Galerien zu jammern. Dann muß der arme Anonymus wieder die Kehrwoche einhalten, die Hecke schneiden, André Rieu Konzerte in der Stadthalle angucken und CDU wählen.

    Der Staat zieht sich immer weiter aus seiner kulturellen und sozialen Verantwortung zurück. Wer unterdessen glaubt, daß nur die Kräfte des Marktes eine interessante Kultur hervorbringen, ist leider neoliberal verstrahlt und wittert Stasi und kommunische Seilschaften überall da, wo etwas gesagt wird, was ihm nicht schmeckt oder ihm zu popelig ist. Ohne staatliche Förderung würde es kaum Kunst mehr geben, sondern allenthalben Kulturindustrie. Und wenn da jemand denkt, wenn schon staatliche Förderung, dann bitte schön auch representative Leuchtturmprojekte, die die lokale Konjunktur ankurbeln sollen, dann versteht der vielleicht etwas vom Wirtschaft, die Kunst kann er aber nicht lieben.

    P.S. Wenn der Staat also mit seiner Förderung den Privaten wirklich Konkurrenz macht, dann können sich die Privaten wohl im Wettbewerb doch nicht halten, oder?

     

    @ Horst: Super-Kommentar! LOL

  • E
    Etzel

    Ein Land, das sich ein Schloss und 3 km Autobahn für 500 Mio leisten kann, braucht doch keine Bibliotheken!

  • A
    anonymous

    @ "von was?"

    Nein, keine 'banale Ironie', sondern traurige Wahrheit.

    Auch für Auftritte von Gruppen wie "The Necks" braucht es keine mit öffentlichen Geldern geförderten Räume. Denn dazu gibt es, gerade im Bezirk Pankow, zu viele privat betriebene Spielstätten. Und es ist nicht einzusehen, weshalb die Kommune, auch wenn sie gerne ein paar Jobs für Altgediente sichern möchte, den Privaten Konkurrenz macht.

     

    @Wolfgang Banse

    Ja, es stimmt, der Bezirk Pankow gehört im Vergleich zu Neukölln und Marzahn sicherlich zu den 'gehobneren'. Ein Grund mehr, hier zu sparen und in anderen Bezirken vielleicht ein bisschen mehr zu investieren. Zumal der Bedarf in Pankow durch private Anbieter hinlänglich gedeckt ist.

     

    Es beleibt wie es ist:

    Für die besagten Einrichtungen interessieren sich vor allem die dort engagierten Seilschaften.

  • H
    Horst

    Der Bezirk verpulvert sein Geld ja auch lieber mit dem Umbau der Strassenzüge und Kreuzungen in westdeutscher Kleinstadtästhetik. Damit sich die zugezogenen Asozialen dort wohl fühlen und weiter gegen alles stänkern und juristisch vorgehen können, was nicht in ihre dörfliche Ideologie passt.

  • H
    Hatem

    Die, die jetzt protestieren, hätten mal vorher überlegen sollen: Nämlich bei der Wahl.

     

    Die Künstler haben nämlich zu großen Teilen die Parteien (Linke und SPD) gewählt, die Pankow in die Pleite gewirtschaftet haben.

     

    Also: Selber schuld.

  • M
    Mottenkiste

    Die Bibliothek in der Esmarchstraße ist nicht barrierefrei. Weshalb die überhauüpt noch weiter als Bibliothek firmiert, ist mir nicht nachvollziehbar.

    In der Wabe fehlt ebenso der Fahrstuhl. Und so weiter und so fort.

    Weg mit den Barrieren!

  • WB
    Wolfgang Banse

    Sparrunde wird gefahren-leider am falschen Ende

    Sparen,sparen und nochmals sparen ist angesagt.Kein Bereich wird ausgeschlossen,so auch was den Kulturbereich im Bezirk Pankow anbetrifft.

    Der Bezirk Pankow ist nicht Neukölln,Kreuzberg,Marzahn.Es ist ein gehobener Kiez innerhalb des Landes Berlin.der Kulur sollte ein Höchstmaß an Aufmerksamkeit gewidmet werden,was umgesetzt bedeutet in diesem Bereich sollte am wenigsten gespart werden.Kultur ist ein hohes Gut und dies sollte auch weiterhin ausgeünbt werden,ohne an dessen Etat Kürzungen vor zu nehmen

  • W
    was?

    Ich hoffe doch mal sehr, dass "Anonymous" hier mit banaler Ironie rumalbert. Alles Andere wäre erschreckend, aber jetzt auch nicht weiter überraschend für das leider stark gesunkene Durchschnitts - Niveau der Taz - Kommentare. Bibliotheken sind selbstverständlich erhaltenswert. Und die Wabe hat sich in den letzten Jahren unter anderem als Spielstätte für zum Teil weltbekannte Bands und Orchester wie die australische Improvisations - Kultband The Necks oder jüngst als Probe - und Konzert - Ort des neuen international besetzten Berliner Experimental - und Improvisations - Musik - Orchsters "The Splitter Orchestra positioniert. Aber egal. Wie treffend, das das Captcha hier unten 'hund' ist. naja.

  • A
    anonymous

    Nein, der Name des 'Aktionsbündnisses' ist anmaßend, denn keine freien Projekte oder gar 'Berliner Künstler' rufen zum Protest, sondern lediglich ein paar alt eingesessene Ex-DDR-Seilschaften, die nun um ihre Pfründe fürchten. Und das zurecht, denn sie sind so überflüssig wie ein Kropf.

    Deshalb tut es gut, sich endlich von ihnen zu verabschieden: Die Wabe, diesem Relikt aus Ostzeiten, dessen Sinn im Grunde nur noch darin besteht, Ex-Ostlern mit starkem Hang zur Partei (*die eine, die immer Recht hat) ein zu Hause zu bieten. Oder die Galerie Pankow: Was soll das ?!? Noch sinnloser für den Berliner Kulturbetrieb und dabei geldverschwenderischer geht es kaum. Sicher jauelt nun 'die Linke' laut auf, denn als zumindest kulturelle Nachlassverwalterin der DDR hatte sie diese Einrichtungen unter ihren Fittichen.. bzw. mit ihrem Personal besetzt. Nun sieht es also so aus, als wenn ein paar Ex-Stasis einen Job weniger hätten:

    Gut so ! Alles dicht machen!