: „Geld ist nicht so wichtig“
Wie will Daniela Baumstark (21) leben? Ohne den großen Masterplan für ihr Studium. Die Studienanfängerin an der Berliner Humboldt-Universität kennt mehrere Wege, um im Beruf glücklich zu sein. Welchen sie gehen wird, das wird sie erst später entscheiden
Interview THILO KNOTT
taz: Frau Baumstark, wie kommt man auf die Idee, Indogermanistik und Latein zu studieren?
Daniela Baumstark: Eigentlich wollte ich Keltologie studieren, aber da ist der Lehrstuhl in Berlin gestrichen worden. In der Indogermanistik wird unter „ferner liefen“ auch das Keltische erwähnt. Es besteht in diesem Studiengang auch die Möglichkeit, Irisch zu lernen, deshalb habe ich mich dafür entschieden. Latein war die logische Schlussfolgerung, weil ich in der Indogermanistik Latein und Griechisch bis zum Hauptstudium können muss.
Indogermanistik, Latein – das sind ja recht abseitige Studiengänge. Was wollen Sie später damit anfangen?
Wenn ich das wüsste! Wahrscheinlich werde ich danach weiterstudieren: Kunst oder in Irland dann Celtic Studies oder irgend so was in der Art.
Beunruhigt es Sie, noch nicht zu wissen, worauf das Studium hinauslaufen soll?
Nicht wirklich. Ich habe mich ja auch bei der Hochschule für Schauspiel Ernst Busch hier in Berlin beworben. Ende dieses und Anfang nächsten Jahres sind die Aufnahmeprüfungen. Da hoffe ich, dass es klappt, auch wenn die Chancen bei zirka tausend BewerberInnen recht gering sind. Ich habe mir für das Studium eine Frist gesetzt – bis ich 25 Jahre alt bin, also in vier Jahren, denn danach bin ich für die Schauspielschule ohnehin zu alt. Und spätestens dann sollte ich mir einen Kopf darüber machen, was ich nach meinem Studium mache. Aber bis dahin denke ich nicht groß drüber nach.
Wenn Sie eigentlich auf die Schauspielschule wollen, wie können Sie sich dann für Indogermanistik und Latein motivieren?
Es gab immer zwei Wege: entweder in eine künstlerische Richtung, also Schauspiel oder Kunst, oder diese Richtung, Sprachen, Tourismus, Keltologie. Insofern ist das, was ich jetzt mache, kein Ausweg. Das hat schon den Hintergedanken, etwa nach Irland zu gehen.
Sie könnten sich also vorstellen, beruflich auf mehrere Arten glücklich zu werden?
Sicher. Schauspielerei wäre schon das Beste, aber wenn es nicht geht, dann geht’s eben nicht. Dann muss man sich ja umorientieren. Es wird nicht so sein, dass ich aus dem Fenster springe oder sage: Ach, mein Leben ist vorbei, weil es nicht geklappt hat. Es gibt sicher noch einige andere Berufe, mit denen man glücklich werden kann – auf jeden Fall.
Was muss denn gegeben sein, um im Beruf glücklich zu werden?
Der Beruf sollte Spaß machen. Gut, Geld spielt auch eine Rolle. Aber das ist nicht so wichtig. Es muss zum Leben reichen, mehr nicht. Ich persönlich brauche Kontakt zu anderen Menschen. Ich könnte mir beispielsweise nicht vorstellen, Schriftsteller zu sein, da wäre ich zu sehr mit mir selbst und meinen Texten beschäftigt. Einen Bürojob könnte ich auch nicht machen, da sitzt man nur auf dem Stuhl rum. Es sollte schon ein bisschen Bewegung mit drin sein. Und ich muss auch nicht an einem bestimmten Ort sein. Ich stelle es mir spannend vor, streckenweise von Ort zu Ort zu gehen, neue Städte und neue Leute kennen zu lernen – und es wäre doch sehr praktisch, das alles mit dem Beruf verbinden zu können.
Es gibt auch Studenten mit dem großen Masterplan: Nach dem Abitur das BWL-Studium, nach dem BWL-Studium die große Kohle. Können Sie diesen Entwurf nachvollziehen?
Ich kann das durchaus verstehen. Eine Freundin von mir studiert BWL und will damit auch Geld verdienen – und zwar nicht gerade wenig. Ich brauche nicht das große Geld, um glücklich zu werden. Aber wenn es da ist, habe ich auch nichts dagegen. Von daher kann ich es verstehen. Gerade weil sich heutzutage doch alles nur ums Geld dreht.
Und das finden Sie nicht okay?
Nein, das finde ich schade. Man braucht nicht unbedingt Geld, um glücklich zu sein. Wie gesagt, verstehen kann ich das – solange sie nicht über Leichen gehen. Für mich ist es wichtig, dass ich das mache, worin ich mich wiederfinde und mich verwirklichen kann.
Das ist dann Ihre Definition von Erfolg? Es muss also nicht unbedingt die große Karriere sein?
Wenn ich mit dem, was mir Spaß macht, auch Karriere mache und viel verdiene, dann ist das natürlich okay. Spaß haben, rumkommen, Zeit fürs Privatleben und dann noch viel Geld verdienen – das wäre doch optimal. Aber Erfolg definiert sich für mich über verschiedene Dinge: Wenn ich Sport mache, kann ich auch Erfolg haben. Wenn ich die Aufnahmeprüfung für die Schauspielschule schaffe, wäre das ein Erfolg, weil es nicht einfach ist. Für mich ist es auch ein Erfolg, dass ich Freunde habe, auf die ich mich wirklich verlassen kann, weil es auch Zeiten gab, wo es nicht so war. Und diese Dinge sind mir wichtiger als Geld.
Ist Berlin Ihre Traumstadt?
Absolut. Ich wüsste keine andere Stadt in Deutschland, in der ich leben möchte. Ich wollte nach Berlin – nicht nur wegen der Schauspielerei. Ich hätte statt des Studiums auch eine Lehre hier gemacht.
Hauptsache Berlin.
Ja.
Warum?
In Berlin bin ich am Puls der Zeit – im Gegensatz zu Guben, einem 28.000-Einwohner-Kaff. Allein wegen des kulturellen Angebots, Kino oder Theater.
Mit dem Studium beginnt jetzt also für Sie ein neuer Lebensabschnitt?
Auf jeden Fall. Ich bin von zu Hause ausgezogen, habe mehr Verantwortung für mich selbst, muss mir eine eigene Wohnung suchen. Ich bin unabhängiger, weil ich für mich allein bestimme, was ich mit meinem Leben mache.
Gehört zu Ihrem Leben auch Politik?
Ich bin nicht so der Politikmensch. Auch nicht unpolitisch, weil ich zu bestimmten Themen schon eine Meinung habe.
Was halten Sie beispielsweise von den Grünen?
Eigentlich nicht ganz so viel.
Warum?
Ich musste in der 13. Klasse einmal eine Arbeit über eine Partei meiner Wahl schreiben, wie sie entstanden ist, was sie für Inhalte haben. Da habe ich die Grünen genommen und war dann nicht so begeistert davon – es war alles ohne System bei denen. Und dann streiten die sich untereinander ständig.
Was halten Sie überhaupt von Parteien und Parteipolitik?
Jedes Mal wenn ich wählen muss, stehe ich vor der Frage: wen? Parteienmäßig ist es mir im Grunde genommen egal, wer gewinnt – Hauptsache, nicht die Rechten. Aber CDU oder SPD, da ist es doch egal, wen ich da wähle, weil sie sich im Endeffekt nicht sonderlich unterscheiden. Ich bin im Tierschutzverein, da wird das Engagement dann sehr konkret. Da kann ich dann, wenn man so will, politisch etwas bewegen. In solch einem Fall weiß ich, wofür ich das mache. Ich könnte mir auch vorstellen, mich für die Aids-Stiftung zu engagieren, oder bei Projekten für Kinder mitzuwirken – aber in einer Partei wollte ich mich nicht engagieren.
Hatten Sie schon mal den Traum, die Welt zu verändern?
Ich weiß nicht, ob es der Anspruch sein kann, die Welt zu verändern. Ich allein könnte die Welt ohnehin nicht verändern, ich kann vielleicht im kleinen Rahmen zusammen mit anderen Menschen einen ganz kleinen Teil der Welt verändern. Zum Beispiel über den Tierschutzverein. Oder wenn es durch das Theater ist: das wäre so eine Art, sich politisch zu engagieren, die mir entspricht. Ich habe mit dem Dibbuk Ensemble in Guben in einem Stück mitgewirkt, das ein politisches Zeichen setzen sollte, dass wir den Mord an Omar Ben Noui durch die Neonazis in Guben nicht vergessen werden und gegen Rechtsextremismus angehen wollen. Mit dieser politischen Aussage kann ich mich identifizieren, weil ich glaube, dass das Theaterstück bei den Menschen etwas bewegen kann.
Wie wollen Sie leben?
Einfach nur glücklich sein. Jetzt kommt sicher die Frage nach dem Wie.
Sie kommt ganz sicher: Wie?
Am liebsten hätte ich ein Schauspielstudium oder ein abgeschlossenes Studium, dann einen entsprechenden Beruf, am liebsten in Berlin. Ich habe nicht die fetten Träume – ein dickes Auto, ein riesengroßes Haus und sonst irgendwelche materiellen Gegenstände. Ich will mein Leben genießen. Dazu gehören auch eine glückliche Familie, Kinder. Reisen möchte ich auch. Ansonsten habe ich nicht die großen Vorstellungen. Vielleicht noch eines: in Frieden leben.
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