Gelbwesten-Protest in Frankreich: Macron setzt Steuererhöhung aus
Zunächst hatte die Regierung die Spritpreiserhöhung für sechs Monate auf Eis gelegt, jetzt rückt sie für 2019 komplett davon ab. Der Protest geht dennoch weiter.
Die Proteste der „Gelbwesten“ hatten sich am 17. November an Macrons Plan entzündet, die Steuern auf Diesel und Benzin anzuheben. In Paris kam es zu den schwersten Ausschreitungen seit Jahren. Vier Tote und Hunderte Verletzte gab es dort bei den Krawallen, das Zentrum der Hauptstadt ist von ausgebrannten Autos und zersplitterten Fensterscheiben übersät.
Zwar beugte sich Macron nach drei Wochen dem Druck, doch wollen Protestler inzwischen mehr: Viele Arbeiter in Frankreich sind aufgebracht über niedrige Löhne, hohe Steuern und hohe Arbeitslosigkeit.
Am Dienstag erklärte sich die Regierung zunächst zu einer Aussetzung der Spritsteueranhebung für sechs Monate bereit. Doch ließen sich die Protestler nicht beruhigen. Vielmehr schlossen sich ihnen weitere Gruppen an, die auf Zugeständnisse bei eigenen Anliegen hoffen. Am Mittwoch kündigten auch Gewerkschaften und ein Bauernverband an, mitmischen zu wollen. Der Schülerverband FIDL rief zu „massiven“ Protesten am Donnerstag auf.
Zu Macrons Kapitulation sagte Jacline Mouraud, eine selbst ernannte Sprecherin der Protestler, der Nachrichtenagentur AP: „Ich denke, es kommt viel zu spät.“ Jede der verschiedenen Protestgruppen werde entscheiden, was sie als nächstes tun werde, aber viele würden wahrscheinlich weiter auf die Straße gehen. Macrons sei mit seinem Schritt „auf dem richtigen Weg, aber meiner Meinung nach wird er nicht grundlegend die Bewegung ändern“, sagte sie. Mouraud rief die Protestierenden auf, die Schwäche der Regierung auszunutzen und andere Forderungen wie eine Anhebung des Mindestlohns voranzutreiben.
Die Polizei warnte vor möglichen Krawallen bei für Samstag in Paris geplanten Protesten. Erschwerend könne hinzukommen, dass eine kleine Gewerkschaft von Sicherheitskräften dann einen Streik androhe.
Rückschlag für den Klimaschutz
Die nun kassierte Steuererhöhung war Bestandteil von Macrons Plan, den Verbrauch fossiler Brennstoffe in Frankreich zu verringern, um weniger Treibhausgase auszustoßen und den Klimawandel zu verlangsamen. Sein Rückzieher ist ein Rückschlag für den Klimaschutz und könnte von anderen Spitzenpolitikern, die ähnliche Maßnahmen planen, als Warnung betrachtet werden.
Premierminister Philippe zeigte sich in seiner Rede vor Abgeordneten selbstkritisch. Er habe kein Problem damit, einzuräumen, dass „wir in der einen oder anderen Frage anders hätten handeln können“, sagte er. Das schiere Ausmaß an Wut sei ein Beleg, dass die Regierung noch viele Dinge verbessern müsse. Seit Beginn der Proteste sind Macrons Zustimmungswerte auf ein neues Tief gesackt. Dem Ex-Investmentbanker, der für eine stärkere globale Wettbewerbsfähigkeit Frankreichs auf wirtschaftsfreundliche Reformen dringt, wird Abgehobenheit und eine Entfremdung von der Arbeiterschicht vorgeworfen.
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