Geht’s noch?: Das Versprechen
Vor fünf Jahren flog der „Nationalsozialistische Untergrund“ auf. worum es sich dabei gehandelt hat, ist unklarer denn je
Wer Sorgen hat, hat auch Likör; und wer sich bisher noch für den NSU-Komplex interessiert hat, könnte – nach der neuerlichen Wende durch den Hinweis auf einen möglicherweise verunreinigten Zollstock – den NSU betreffende Meldungen künftig wohl nur noch mit einem sarkastischen Auflachen zur Kenntnis nehmen.
Stünde hinter der Farce um die DNA-Spuren des Rechtsterroristen Uwe Böhnhardt am Fundort der Leiche von Peggy Knobloch ein Mastermind, dann hätte dieses Superhirn ganze Arbeit geleistet: Statt der historisch belegten „Strategie der Spannung“, die in den 1970er und 1980er Jahren Panik schüren und so rechtskonservative Regierungen in Westeuropa an die Macht bringen oder dort halten sollte, müsste man von einer „Strategie der Verpannung“ sprechen, die jeden ernsthaft an Aufklärung Interessierten in die Hysterie treibt.
Aber man muss sich nicht anstecken lassen. Man kann die belegten Fakten sprechen lassen und konstatieren, dass die folgende Selbstverpflichtung noch immer auf ihre Einlösung wartet: „Als Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland“ – hatte Angela Merkel auf der Trauerfeier für die Opfer des NSU am 23. Februar 2012 gesagt – „verspreche ich Ihnen: Wir tun alles, um die Morde aufzuklären und die Helfershelfer und Hintermänner aufzudecken und alle Täter ihrer gerechten Strafe zuzuführen.“
Davon sind wir weit entfernt, schlimmer: Wir entfernen uns weiter. Es wird Zeit, dass die Bundeskanzlerin nicht so sehr wegen ihrer Verdienste in der Flüchtlingspolitik von rechts außen unter Druck gesetzt wird, sondern dass alle Demokraten sie daran erinnern, dass das Missachten von Versprechen von hoher moralischer Fallhöhe Konsequenzen nach sich ziehen muss. Spätestens seit dieser Woche muss der NSU-Komplex, bei dem es eben nicht nur um Vergangenheitsbewältigung, sondern um die Aufklärung unserer Gegenwart und die Chancen unserer Zukunft geht, wieder zur Chefsache werden.
Die taz wird in der kommenden Woche in einer Reihe von Beiträgen versuchen, dem Zynismus rund um den NSU-Komplex entgegenzuwirken. Versprechen werden wir nichts. Denn Versprechen sollte man nur geben, wenn man sich sicher ist, sie auch halten zu können. AMBROS WAIBEL
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