Geht‘s noch: Der bessere CSUler
Der Grüne Winfried Kretschmann baut mit am Zwei-Klassen-Asylrecht, das die Union gerade auf die politische Agenda drückt
Dass im Südwesten nicht das bessere Deutschland ausbrechen würde, nachdem die Grünen die Macht übernommen hatten, schwante schon damals auch jenen, die die Menschenrechtsverpflichtung der Partei beim Wort nehmen. Ein Blick auf den ersten grün-schwarzen Landesfürsten genügte zur Ernüchterung.
Drei Jahre ist das nun her, und wie es scheint, glaubt Kretschmann dafür gewählt worden zu sein, die Unterschiede zu den schwarzen Jahrzehnten zuvor möglichst unter der Wahrnehmungsschwelle zu halten, jedenfalls was Ausländerpolitik angeht. Da ist Baden-Württemberg nicht das Experimentierfeld für das fortschrittliche Migrationsregime, das seine Partei verlangt, sondern verkommt langsam zur Außenstelle des Bundesinnenministeriums.
Unangekündigte Abschiebungen im Morgengrauen mit Familientrennung? Weiter kein Problem mit Baden-Württembergs neuen „Abschieberichtlinien“. Schon letztes Jahr war es Kretschmann, der der Union ihren Herzenswunsch erfüllte, Roma schneller aus Deutschland entfernen zu können. „Ich habe schon mal sicheren Herkunftsländern zugestimmt“, sagt er nun. Für das Ansinnen der CSU, die Liste etwa um Kosovo und Albanien zu erweitern, sei er „offen, wenn es in der Sache etwas bringt“. Die „Sache“ – das sind in seinem Fall ganze 6.500 Menschen. So viele Asylsuchende aus den beiden Staaten dürfte Baden-Württemberg 2015 bislang aufgenommen haben – allerdings nur für ein paar Monate. So gut wie keiner von ihnen darf in Deutschland bleiben, Baden-Württemberg schiebt munter ab.
Keine andere Partei als die Grünen hat in den letzten zehn Jahren häufiger prominente Köpfe in die Balkanregion geschickt und auf die Lage der Roma dort aufmerksam gemacht. Doch während der rechte Terror gegen Flüchtlinge eskaliert, baut Kretschmann mit an dem Zwei-Klassen-Asylrecht, das die Union gerade mit Hochdruck auf die politische Agenda drückt. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die CSU die nächsten „sicheren Herkunftsstaaten“ vorschlägt. Auf die Grünen kann sie dabei offenbar bauen. Christian Jakob
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