Geheimermittlungen in Hamburgs linker Szene: Spitzel von der Insel
Der Hamburger Senat verweigert den Grünen die Auskunft um den Einsatz eines verdeckten Ermittlers aus Großbritannien. Die Abgeordnete Antje Möller sieht darin einen Verstoß gegen die Verfassung.
HAMBURG taz | Antje Möller ist sauer: Obwohl die Grün-Alternative Liste (GAL) bis vor knapp drei Monaten noch der Regierungskoalition mit den Christdemokraten angehörte, verweigert der CDU-Senat der innenpolitischen Sprecherin der Grünen nun die Auskunft. Es geht um die Frage, ob ein inzwischen enttarnter verdeckter Ermittler von Scottland Yard oder dem britischen Auslandsgeheimdienst "Secret Intelligence Service" - besser unter "MI 6" (Military Intelligence Sektion 6) bekannt - auch in Hamburg gearbeitet hat.
Und das, obwohl das Hamburgische Verfassungsgericht Ende Dezember letzten Jahres den Hamburger Senat dazu verdonnert hatte, Bürgerschaftsabgeordneten auf Anfragen umfassend Auskunft zu geben. "Ich fühle mich in meinen Rechten als Parlamentarierin verletzt", sagt Möller der taz.
Dass der verdeckte Ermittler Mark Kennedy (42) rund um die Vorbereitungen der Proteste gegen den G8-Gipfel im mecklenburgischen Heiligendamm 2007 auch im Norden tätig war, gilt nach taz-Informationen als gesichert. "Das Gesicht kommt uns bekannt vor", sagen jedenfalls AktivistInnen aus Hamburg, Hannover und Bremen. "Auf internen Vorbereitungstreffen ist er aber nicht aufgelaufen, dann wäre er wohl aufgefallen".
Kennedy, der seit 1995 Polizist ist, soll sich nach taz-Informationen seit 2003 in die Dienste des Geheimdienst der britischen Polizei gestellt haben und sich zunächst bei der Umweltorganisation "Earth First" als Mark Stone eingeschlichen haben. Dann spionierte er Anti-Rassismus-Organisationen und Tierschutzgruppen in 22 Ländern aus. In Berlin ist er bei einem versuchten Brandanschlags festgenommen worden. Alle Verfahren gegen Kennedy sind stets eingestellt worden.
Während das baden-württembergische Innenministerium den Einsatz Kennedys im April 2009 anlässlich des Nato-Doppelgipfels in Baden-Württemberg bestätigt, allerdings bestreitet, dass der britische Spitzel als Agent provocateur an Straftaten beteiligt war, bestreitet Berlin von seinem Agieren überhaupt Kenntnis gehabt zu haben. Und auch Hamburg schweigt. In einer Anfrage an den CDU-Senat wollte Möller nun wissen, wie der Einsatz verdeckter Ermittler, die nicht der deutschen Polizei angehören, geregelt sei. Möller bekam eine knappe unbefriedigende Antwort: "Zu konkreten Einsätzen von verdeckten Ermittlern werden aus einsatztaktischen Erwägungen weder Negativ- noch Positivauskünfte erteilt".
Das will Möller nicht auf sich sitzen lassen und hat einen Beschwerdebrief an Bürgerschaftspräsident Lutz Mohaupt verfasst. Schließlich hat gerade das Hamburgische Verfassungsgericht auf Klage des SPD-Bürgerschaftsabgeordneten Mathias Petersen entschieden, dass der Senat Parlamentariern gegenüber auf Anfrage zu einer umfassenden Auskunft verpflichtet sei. "Eine Begründung darf nicht inhaltsleer sein, sondern muss eine Sachaussage enthalten, sie darf nicht formelhaft sein, sondern muss spezifischen Einzelfallbezug haben", so die hanseatischen Verfassungsrichter. "Sie muss nachvollziehbar sein, also überprüfbare Anknüpfungstatsachen benennen". Zudem verweist Möller darauf, dass in der Anfrage nach "entsprechenden Kooperation in der Vergangenheit" gefragt werde, "die heute mit Sicherheit keine einsatztaktische Relevanz mehr haben." Doch Bürgerschaftspräsident Mohaupt hat bislang nicht geantwortet.
Auf Anfrage der taz hüllt sich die Innenbehörde weiter in Schweigen. "Der Senat hat sich geäußert, dann ist das erst mal abschließend", sagt Innenbehördensprecher Ralf Kunz. "Es bleibt abzuwarten, ob wir dann noch mehr preisgeben müssen."
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