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Das PortraitGegen Muff und Mauer

■ Gabi Zimmer

Für Gabi Zimmer gaben die Delegierten auf dem PDS- Bundesparteitag fast alles: Die 41jährige Thüringerin wurde am vorigen Sonnabend mit 82,94 Prozent aller Stimmen zur stellvertretenden Parteivorsitzenden gewählt. Sie gehört zu jener Generation von Politikern in ihrer Partei, die vor der Wende noch nicht vollends von der SED-Normalität aufgesogen wurden. Die Gewählte sagt selbst, daß sie bei der Wende „aufgeatmet“ habe, sonst wäre sie noch zur „Zynikerin“ geworden.

1990 zählte sie, die in der Nähe von Suhl aufgewachsen ist, zu den Mitgründerinnen des PDS-Landesverbandes in Thüringen. Damals hätten Dorfbürgermeister dem wahlkämpfenden Helmut Kohl stolz von ihrer „PDS- freien Zone“ erzählt. Noch bei der ersten Wahl zum Landesparlament bekam die PDS nur zehn Prozent der Stimmen. In der Berliner Zentrale wurde wohlwollend registriert, daß letztlich durch Gabi Zimmer das Resultat bei der jüngsten Landtagswahl auf 16,5 Prozent verbessert werden konnte.

Insofern zählt die rothaarige Gabi Zimmer zu den Hoffnungsträgerinnen der PDS-Reformer. Auch sie soll dazu beitragen, daß die SED- Nachfolgeorganisation sich von Muff & Mauer befreien kann. Sie wirkt bestimmt, modern und, so heißt es unter Reformern, „vorzeigbar auch im Westen“.

Der DDR, versichert sie, trauere sie keine Sekunde nach, „trotzdem wünsche ich mehr Fairneß gerade von Menschen aus dem Westen“. Sie meint, daß auch in der Arbeiter-und-Bauernrepublik Menschen ihr Leben gelebt haben, ohne heute schuldig sein zu müssen. Ähnlich argumentiert sie, wenn sie zum Mauerschützenurteil des Bundesverfassungsgerichts sagt: „Man soll nicht vergessen, daß die Zeit des Kalten Kriegs anders war als heute.“

Das bedeute indes nicht, Menschenrechte den Staatsinteressen unterzuordnen, „das eben haben die Karlsruher Richter auch festgestellt – und das gilt auch für Bundesrepublik und für ihre Politik mit Flüchtlingen“. Die Dolmetscherin befürwortet eine Regierungsbeteiligung der PDS, „aber nicht aus Prinzip, sondern aus der Erwägung, daß wir auch in die Verantwortung genommen werden möchten“.

Innerparteilich versteht Gabi Zimmer sich als Moderatorin. Ob sie mit SED-Nostalgikern und Stalinisten in einer Partei bleiben möchte, läßt sie offen. Sie sagt nur: „Es funktioniert.“ Jan Feddersen

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