Geflüchtete in Deutschland: Schreckensbilder nun woanders
Seit der Schließung der Balkanroute leeren sich viele Erstunterkünfte. Besser wird die Unterbringung für Geflüchtete trotzdem nicht.
Nicht nur in Berlin, im gesamten Bundesgebiet bleiben Erstunterkünfte halbleer, weil täglich nur noch zwischen 100 und 200 Flüchtlinge in Deutschland ankommen – und nicht mehr 10.000 wie im Herbst letzten Jahres. In Baden-Württemberg seien von 40.000 Plätzen in den Erstaufnahmereinrichtungen derzeit nur 10.000 besetzt, sagt Christoph Häring, Sprecher des dortigen Integrationsministeriums.
Auch die vom Land betriebenen Flüchtlingsunterkünfte in Niedersachsen sind nur noch schwach belegt. Dort sind derzeit 9.000 Menschen untergebracht, Platz gibt es aber für bis zu 40.000 Leute. Man arbeite jetzt daran, wie bestimmte Kapazitäten „ruhend“ gestellt werden könnten, sodass man sie bei Bedarf schnell wieder aktiveren könne, hieß es in einer Erklärung des Ministeriums.
Von einem regelrechten Abbau der Plätze will trotzdem kaum einer reden, „wir halten uns mit Anpassungen zurück“, so Häring. Schließlich wisse man nicht, wie die Entwicklung in der Zukunft wird. Auch die Verträge mit den Dienstleistern haben Bestand. Die Zahl der Sicherheitskräfte in den Unterkünften bemesse sich „nach den Plätzen, nicht nach der tatsächlichen Belegung“, erklärt Katja Lumpp, Sprecherin im Regierungspräsidium Stuttgart.
Große Fluktuation
Beim Catering gebe es allerdings Flexibilitätsklauseln für die Dienstleister, denn die Fluktuation in den Unterkünften sei „immer groß gewesen“. Dass die Zahl der Neuankömmlinge sinkt, bedeutet nicht, dass die Flüchtlinge jetzt schneller in kleinere Heime oder Wohnungen umziehen. Die Neuankömmlinge in Baden-Württemberg bleiben in den Erstunterkünften, meist ehemalige Kasernen, bis der Antrag auf Asyl gestellt ist, so Häring. Die Zahl der Asylbewerber, die in Folgeunterkünfte der Städte und Gemeinden verlegt wurden, ging in Baden-Württemberg im März um die Hälfte zurück.
Im Stadtstaat Berlin wiederum kann man Tausende von Flüchtlingen nicht ohne Weiteres aus den Schulturnhallen verlegen, denn dazu müssen erst im Stadtgebiet die Containerbauten errichtet werden, die Flüchtlinge aus diesen Notunterkünften aufnehmen. Und das dauert. Aus den Hangars des Flughafens konnten allerdings Hunderte von Flüchtlingen, vor allem Familien, in eine umgebaute ehemalige Schlachterei in Berlin-Marienfelde umziehen. Dort gibt es Vierbettzimmer.
Die bedrückenden Bilder von Flüchtlingen in Notzelten kommen jetzt aus Griechenland und nicht mehr aus Deutschland wie im Herbst. Das zeitliche Engagement der Ehrenamtlichen gehe leicht zurück, hat eine Sprecherin der Initiative „Kreuzberg hilft“ in Berlin beobachtet.
Das liege auch daran, dass das Thema nicht mehr so vorherrschend in den Medien sei. Sie zählt auf, welche gemeinsamen Aktivitäten bei den Flüchtlingen gut ankommen und welche weniger: Sprachkurse, Koch- und Gärtnergruppen und vor allem der gemeinsame Sport laufen gut. Einladungen zu Theaterbesuchen stießen hingegen weniger auf Resonanz.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Emotionen und politische Realität
Raus aus dem postfaktischen Regieren!
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?