Geflüchtete auf dem Mittelmeer: Versuchter Push-Back?
Seit Tagen irrt ein havarierter Frachter mit über 400 Geflüchteten vor der Küste Griechenlands. Die Behörden machen nur vage Angaben.

Seit Tagen irrt ein demolierter Frachter mit über 400 Menschen an Bord in griechischen Gewässern umher. Die griechische Küstenwache hat nun die Kontrolle übernommen. Doch noch immer ist nicht klar, wo die Menschen an Land gehen können.
Am Freitag stieß die griechische Küstenwache auf das überfüllte Schiff, welches unter türkischer Flagge fährt. Es lag östlich der Insel Kreta und hatte Hilferufe abgesendet, da es Probleme mit dem Motor gab. Griechischen Medienberichten zufolge soll der Frachter von der Türkei aus in See gestochen sein und ursprünglich Italien als Ziel gehabt haben.
Die Menschen befinden sich nach eigenen Angaben nun den fünften Tag auf dem Schiff und stammen alle aus Afghanistan. Durch ihre gesendeten Hilferufe kamen sie auch mit der Norwegischen Nichtregierungsorganisation Aegean Boat Report in Kontakt. Tommy Olsen, der Gründer der Organisation, trackte das Schiff und zeigte auf seiner Seite über Stunden die jeweilige Position des Frachters an. Dort ist zu sehen, wie das Schiff durch die griechische Küstenwache von der Insel Kreta in Richtung Türkei geschleppt wird.
Die Menschen an Bord sendeten besorgte Sprachnachrichten, die Olsen auf seiner Seite veröffentlichte. Darin sagten die Bootsinsassen, ihnen werde von der griechischen Küstenwache keinerlei Informationen gegeben, wohin man sie brächte. „Wir glauben, dass sie uns in die Türkei zurückbringen. Das ist nicht gut für uns. Bitte helft uns“, sagt eine müde klingende männliche Stimme. Auch sei ihnen von der Küstenwache verboten worden, ihre Mobilgeräte zu verwenden. „Für mich sieht das sehr nach einem Push-Back-Versuch aus“, sagt Olsen. Doch habe die internationale mediale Aufmerksamkeit der vergangenen Tage diesen nun verhindert.
Griechenland dementiert
Die griechische Küstenwache dementiert den Vorwurf. Es wurde zwar eine Anfrage an die Türkei gesendet, das Schiff an seinen Ausgangsort zurückzubringen, welche von der Türkei aber direkt abgelehnt wurde. Ein Pressesprecher der griechischen Küstenwache betont nun: „Es ist sicher, dass das Schiff in einen griechischen Hafen gebracht wird. Wir suchen noch nach einem geeigneten Standort, denn die Anzahl der Menschen ist enorm.“ Es handele sich um eine der größten Such- und Rettungsaktionen im östlichen Mittelmeer, so der Sprecher.
Das Schiff werde von mehreren Booten der Küstenwache begleitet, damit auf Krankheitsfälle reagiert werden kann. So wurde eine 46-Jährige Frau vom Frachter gelassen und in das nächstgelegene Krankenhaus auf der griechischen Insel Karpathos gebracht, wo sie medizinisch versorgt wird, berichtete der Pressesprecher. Genaue Angaben über die Versorgung mit Wasser, Nahrung und Decken der Schiffsinsassen erteilte die Küstenwache nicht.
Griechenland steht, neben anderen europäischen Staaten in letzter Zeit immer wieder mit gewaltsamem Zurückdrängen von geflüchteten Menschen an den EU-Außengrenzen in der Kritik. Das Land hat auf Anordnung der neoliberal-konservativen Regierung unter Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis seine Grenzüberwachung und die Seepatrouillen in den letzten 18 Monaten stark verschärft.
Zahlreiche Hilfsorganisationen und Menschenrechtler:innen betonen, der unmittelbare Umgang mit geflüchteten Menschen sei nach dem Regierungswechsel im Juli 2019 brutaler geworden. Damals verlor der linke Ministerpräsident Alexis Tsipras sein Amt an den heutigen Regierungschef Mitsotakis. In den vergangenen Monaten wurden in Griechenland immer mehr Push-Backs vermerkt. Damit wird das Recht der Menschen behindert, in der EU einen Antrag auf Asyl stellen zu können.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links