Gedenken hilft: Ein tragischer Begriff

Worin besteht die Gemeinsamkeit zwischen Luxus-Appartements und einem KZ? Im Namen: Mißler. Nun steht die Geprägtheit des Begriffs zur Debatte.

Luxuswohnungen, die wie ein KZ heißen verdienen die Bezeichnung Objekt der Woche. Bild: taz

BREMEN taz | „Im Namen des Schönen“ steht über der Projektbeschreibung einer „äußerst werthaltigen Wohnanlage“, die „selbst für Schwachhauser Maßstäbe ein ungewöhnliches Maß an Exklusivität“ biete. Der Name dieses „aus gutem Haus stammenden Projekts“ lautet Mißler-Park. Und der lässt aufhorchen.

War „Mißler“ nicht der Name des ersten Bremer Konzentrationslagers, in dem ab April 1933 Hunderte von Regimegegnern eingesperrt und zum Teil schlimm misshandelt wurden? Und stellt es dann einen sensiblen, halbwegs bewussten oder zumindest irgendwie vorhandenen Umgang mit Geschichte dar, wenn man eine Wellness-orientierten Luxus-Wohnpark so nennt?

Nicht auf dem KZ-Gelände

Klar ist: Die im Rohbau bereits fertiggestellte, aus drei Gebäude-Komplexen bestehende Wohnanlage wird nicht auf dem KZ-Gelände errichtet, sie leitet ihren Namen schlicht von der Friedrich-Mißler-Straße ab, an der sie liegt. Friedrich Mißler starb schon 1922 und war kein Nazi, sondern als Kaufmann sehr erfolgreich im Auswanderergeschäft tätig und ließ daher in Findorff die „Mißler-Hallen“ bauen. Eine Massenunterkunft, die später umgenutzt wurde. Über diese Umwege kamen KZ und Wohnpark zum selben Namen.

Wer „Mißler“ heute googelt, stößt ganz oben in der Trefferliste auf das KZ. Trotzdem wäre ja anzunehmen, dass die Projektbetreiber nur durch Unachtsamkeit einen historisch brisanten Namen nutzen – das aber scheint nicht der Fall zu sein.

„Wir wissen durchaus, dass es dieses KZ gab“, sagt eine Vertreterin des Immobilien-Unternehmens Robert C. Spies, das den „Mißler-Park“ mit einer großen Kampagne bewirbt. Alle weiteren Fragen möge bitte der Bauträger beantworten.

Der Bauträger ist, wie Spies, ein sehr auf hanseatische Tradition und Alteingesessenheit bedachtes Unternehmen – doch der Chef der Helken Planungs- und Immobilien GmbH (HPI) ist unerreichbar im Ausland unterwegs.

Die Einrichtung des KZ Mißler in der Walsroder Straße markierte den Beginn der massenhaften Verfolgung von Regimegegnern. Viele Bremer Arbeiter-Aktivisten, darunter die Spitzen von SPD, KPD und den Gewerkschaften, sollten hier „umerzogen“ werden, unter ihnen zahlreiche Bürgerschaftsabgeordnete und das prominente Reichstags-Mitglied Alfred Faust, Chefredakteur der Bremer Arbeiterzeitung und nach dem Krieg Sprecher des Senats.

Faust wurde Zeitzeugen-Berichten zufolge besonders oft gequält und gedemütigt. Willy Hundertmark, der 2002 gestorbene Antifaschist und Onkel von Bürgermeister Jens Böhrnsen, sprach in einem Interview von Folterung und Spießrutenläufen.

Rostende Gedenktafeln

Insgesamt 300 Menschen waren im KZ Mißler inhaftiert. Die heftigen Misshandlungen führten allerdings zu Unruhe bei den Anwohnern. „In der Nacht hörten wir immer die Schreie“, heißt es in der Erinnerungen eines Findorffers. Auch in den Biographien vieler Bremer Familien ist das KZ Mißler als tragischer Begriff präsent.

„Mein Onkel ist dort in die Mühle gekommen“, berichtet etwa Robert Bücking, Ortsamtsleiter von Mitte/Östliche Vorstadt. Gustav Böhrsen, der Vater des heutigen Bürgermeisters, kam hingegen erst in Haft, als das KZ der Anwohner wegen bereits verlegt worden war.

Heute dokumentieren in Findorff lediglich zwei unauffällig vor sich hin rostende Gedenktafeln die Existenz des KZ. Der „Mißler-Park“ hingegen scheint ein glänzendes Geschäft zu werden: Der größte Teil der Luxusappartements ist bereits verkauft.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.