Gedenken an den Mauerbau in Berlin: Kränze für Peter Fechter
Vor 57 Jahren riegelte die DDR ihre Grenze ab. In Mitte versammelte sich die politische Prominenz Berlins, um die Mauertoten zu ehren.
![Schwarz-weiß-Foto: Ein Uniformierter trägt einen Mann vor Stacheldraht Schwarz-weiß-Foto: Ein Uniformierter trägt einen Mann vor Stacheldraht](https://taz.de/picture/2896926/14/imago55868045h.jpeg)
Gekommen sind VertreterInnen aller in Bundestag und Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien. Besonders die Linken sind in großer Zahl erschienen, von Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau über Landeschefin Katina Schubert bis zum Kultursenator Klaus Lederer gibt man sich die Ehre.
Ort der Kranzniederlegung ist das Mahnmal für den an der Mauer erschossenen Peter Fechter, eine schlichte Stele, die einigen der in den umliegenden Büros tätigen Menschen offenbar erst durch den prominenten Auflauf gewärtig wird. Ein Bläserchor der Polizei stimmt die Nationalhymne an, ein Tenor schmettert „Blüh im Glanze dieses Glückes“. Fahrradkuriere schlängeln sich durch die wenigen Schaulustigen, vorbei am Regierenden Bürgermeister Michael Müller, dem Präsidenten des Abgeordnetenhauses Ralf Wieland (beide SPD), den Fraktionsspitzen von AfD bis Linke.
Die misslungene Flucht des 18-jährigen Maurers Fechter war 1962 ein internationales Politikum, das insbesondere in Westberlin zu erheblichem Aufruhr führte. Unter den Augen amerikanischer Soldaten, ost- und westdeutscher Polizei und in Sichtweite des Springer-Gebäudes verblutete Fechter, durch Schüsse von Grenzern getroffen, direkt an der Mauer auf DDR-Gebiet.
Angst vor Zusammenstößen
Fast eine Stunde lag er dort und rief um Hilfe, was einen Menschenauflauf verursachte, der auf beiden Seiten der Mauer von Sicherheitskräften zurückgehalten wurde. Ein Freund Fechters, mit dem er den spontanen Fluchtversuch unternommen hatte, konnte sich unverletzt auf die Westberliner Seite retten.
Die DDR-Grenzer begründeten die späte Hilfeleistung für den Sterbenden damit, dass nach mehreren Todesfällen an der Grenze durch Attacken aus dem Westen die Sorge vor einem bewaffneten Zusammenstoß überwog. Die Amerikaner, immerhin Besatzungsmacht, hielten sich nicht für zuständig, westdeutsche Kräfte wagten den Grenzübertritt, ebenfalls aus Angst vor der Reaktion aus dem Osten, nicht. Der Fall Fechter machte ein Jahr nach dem Mauerbau unmissverständlich klar, welch grausames Grenzregime in Berlin herrschte.
Die in der Zimmerstraße aufgereihten Kränze, darunter auch jeweils einer der drei Westbesatzungsmächte, erinnern nun an die mindestens 140 Todesopfer an der Mauer. An der gesamten innerdeutschen Grenze waren es mehr als 300. Reden werden keine gehalten, nach fünf Minuten zerstreut sich an diesem Montag die Versammlung. Das Gedenken ist still und kurz. Peter Fechter wäre heute 74 Jahre alt.
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