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Gedenken an das Ende der NS-HerrschaftErinnern an die Vormieter

BerlinerInnen öffnen ihre Privatwohnungen: Im Rahmen von „Denk mal am Ort“ wird jüdischer BewohnerInnen gedacht, die von dort deportiert wurden.

Geschichte, die von der Decke hängt: Dokumente in einer der Wohnungen Foto: privat

In der großen Wohnküche von Familie Rolshoven hängt die Geschichte von der Zimmerdecke herab, berührt einen am Kopf und streift den Arm. Die Historikerin und Künstlerin Jani Pietsch hat in der Wohnung in der Rosenheimer Straße 40 in Schöneberg Schnüre angebracht und daran mitten im Raum DIN-A4-Seiten befestigt. Darauf Dokumente von neun jüdischen Menschen, die bis 1943 in dieser Wohnung gelebt haben: Die Schreiben haben ihre Deportation besiegelt. Keiner der neun überlebte den Holocaust.

„Die Installation stellt einen Irrgarten dar“, erklärt Jani Pietsch. Sie ist Teil der Veranstaltung „Denk mal am Ort“, die am Samstag und Sonntag anlässlich des Tags der Befreiung am 8. Mai 1945 stattfindet. Zum ersten Mal in Berlin werden gleichzeitig zahlreiche Privatwohnungen für BesucherInnen geöffnet, aus denen in der NS-Zeit jüdische Menschen deportiert wurden. An 14 Orten, darunter neben Wohnungen auch Kirchen, Keller und Gedenkstätten, finden Lesungen, Ausstellungen und Führungen zu den Geschichten jüdischer Menschen und deren HelferInnen statt.

Die Veranstaltung basiert auf einer Idee von Denise Citroen, die 2012 das Projekt Open Jewish Homes in den Niederlanden ins Leben gerufen hatte. Mit kuratiert hat die Berliner Umsetzung Pietschs Tochter Marie Rolshoven, die als Bildungsreferentin in der Gedenkstätte „Stille Helden“ für HelferInnen der Verfolgten während der NS-Zeit arbeitet. „Schon vor längerer Zeit habe ich festgestellt, dass aus diesem Haus mehr als 20 Menschen deportiert wurden“, berichtet Rolshoven.

Die Biografien der neun aus Rolshovens Wohnung Deportierten hat Jani Pietsch in den Archiven Berlins und Brandenburgs recherchiert. „Bis in die 1990er Jahre waren die Akten über Deportationen gesperrt“, sagt Pietsch. Angeblich sei dies zum Schutz der Opfer gewesen. „Geschützt wurden aber damit nur die, die sich das Vermögen der Deportierten angeeignet haben.“ Dokumente von Vermietern, Unternehmern und Behörden hängen in der Installation „Legalisierter Raub“ jetzt ungeschwärzt von der Decke.

Carl und Henny Möller waren mit Hennys Mutter Mary Mosessohn die ersten jüdischen Menschen, die in die Wohnung zwangseinquartiert wurden. Am 27. August 1942 wurden sie von der Gestapo abgeholt. „Unmittelbar davor müssen sie die 16-seitige Vermögenserklärung ausgefüllt haben“, vermutet Jani Pietsch. Dieses Dokument, auf dem der genaue Besitz anzugeben war, ist eines der Ausstellungsstücke. Nach einem Monat im Getto Theresienstadt wurde Familie Möller nach Treblinka deportiert und dort kurz darauf ermordet. „Als wir die Dokumente hier aufgehängt haben, hat mich das sehr mitgenommen“, erzählt Marie Rolshoven.

Im vergangenen Jahr hat Rolshoven eine 30-minütige Dokumentation über die Geschichte von Franz Michalski gedreht, der sich als kleiner Junge mit seiner jüdischen Mutter am Alexanderplatz vor der Gestapo versteckt hatte. Den heute 81-Jährigen und seine Frau konnte Rolshoven für eine Veranstaltung an diesem Wochenende gewinnen. Als Zeitzeugen werden sie über ihre Erlebnisse während der NS-Zeit erzählen.

Authentische Orte

„Das Besondere an dem Projekt ‚Denk mal am Ort‘ ist, dass die Erinnerung an die Opfer der NS-Zeit an den authentischen Orten stattfindet“, sagt Marie Rolshoven. Dadurch gebe es einen neuen Zugang zum Gedenken. „So wird einem bewusst, dass die Verbrechen der Nazis in der eigenen Stadt, sogar in der eigenen Wohnung stattgefunden haben“, erklärt sie. Mehr als 55.000 Menschen wurden zwischen 1941 und 1943 aus Berlin deportiert.

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