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Gedenken an Klaus Jürgen RattayEs war eine Provokation

40 Jahre nach seinem Tod bekommt der 18-jährige Hausbesetzer ein neues Mahnmal. Anders als der Vorläufer sind die Platten diesmal aus Eisen.

Am 40. Todestag eingeweiht und diesmal deutlich beständiger Foto: taz

Berlin taz | Drei rote Rosen und ein weißer Dalienstrauß liegen neben den sechs Eisenplatten. Vor dem Grundstück Potsdamer Straße 125 Ecke Bülowstraße sind sie in Kreuzform in den Bürgersteig eingelassen. „Klaus Jürgen Rattay“ ist in Handschriftform in die Platten graviert und das Datum seines Todes: 22. September 1981.

Auf den Tag genau vor 40 Jahren ist der 18-jährige Hausbesetzer Rattay an dieser Stelle zu Tode gekommen. Ein BVG-Doppeldeckerbus hatte ihn 30 Meter unter dem linken Vorderrad mitgeschleift. Eine überschaubare Gemeinde hat sich an diesem Mittwoch an der Stelle eingefunden, Abgeordnete und Bezirkspolitiker sind darunter, aber auch ehemalige Hausbesetzer. Einige wohnen heute immer noch in den Häusern diesseits und jenseits der Potsdamer Straße, die in den 80er Jahre legalisiert worden waren. So wie Rattay, der heute 58 Jahre alt wäre, sind sie in die Jahre gekommen.

Einer davon ist Pogo. Seine Haare sind so lang und verfilzt wie vor 40 Jahren, um den Hals und am Gürtel trägt er immer noch Ketten und Schlösser wie einst. Pogo hatte in einem der acht besetzten Häuser gewohnt, die am 22. September 1981 geräumt worden waren. Im Anschluss hatte der damalige CDU-Innensenator Heinrich Lummer in der geräumten Bülowstraße 89 eine Art Siegespressekonferenz abgehalten.

Bei dem anschließenden Polizeieinsatz wurden die vor dem Haus protestierenden Menschen in den fließenden Verkehr getrieben, Rattay wurde in der Folge von dem BVG-Bus erfasst. Erst drei Jahre später wurde der Polizeieinsatz vom Verwaltungsgericht für rechtswidrig erklärt, verurteilt für den tödlichen Unfall wurde nie jemand.

Kaum zu glauben, dass das jetzt 40 Jahre her ist, sagt Pogo, er wirkt bewegt. Damals sei er 17 gewesen, ein Jahr jünger als Rattay und Malerlehrling. „Der Polier auf meiner Arbeit, den ich bis dahin eigentlich ganz nett fand, hat gesagt: Ein Toter ist noch viel zu wenig.“

Im Hintergrund rauscht der Verkehr vorbei, als die Bürgermeisterin von Tempelhof-Schöneberg, Angelika Schöttler (SPD) eine kleine Rede hält. Holzschnittartig rekapituliert sie die Ereignisse von damals. „Viele haben das als Provokation erlebt“, sagt sie. Tatsächlich war es so, dass Westberlin nach Rattays Tod bebte. Immer wieder räumte die Polizei damals das Mahnmal mit den Blumen ab, wochenlang gab es Straßenschlachten.

36 Jahre lang hatte sich an der Stelle ein aus sechs Betonplatten bestehendes Kreuz mit Rattays Namen und Todesdatum befunden. Bei Bauarbeiten war es 2017 zerstört worden. Linke und Grüne setzten sich in der Bezirksverordnetenversammlung für die Erneuerung ein. Der Vorschlag, das neue Mahnmal aus Eisen zu gießen, kam von den Künstlern Susanne Roewer und Gerhard Haug.

Verwaltungstechnisch sei es gar nicht so einfach gewesen, ein Stück Eisen in den Bürgersteig zu bekommen, sagt der Vorsitzende des Bezirkskulturausschusses, Bertram von Boxberg (Grüne). Eine konspirative Aktion hätte Rattay sicher auch mehr entsprochen, ist sich der Politiker sicher. Der 18-jährige Rattay war eineinhalb Monate in Berlin, als er starb. Es sei toll, wie viel hier gekifft werde und wie gut die Leute zusammenhielten, hatte er einen Tag vor seinem Tod in einem Interview gesagt.

Anders als die Grünen, die das Mahnmal in ihrem BVV-Antrag ein wichtiges Zeitdokument nennen, hatte die Linke auch Parallelen zu heute gezogen. Der Häuserkampf habe zum Ziel gehabt, bezahlbaren Wohnraum für alle Menschen zu erhalten. Dieses Ziel sei aber leider nicht erreicht worden.

Punk Pogo drückt es so aus: „Wir haben uns damals empört, wenn die Mieten von 1,20 Mark auf 3,40 erhöht worden sind. Im Vergleich zu heute ist das doch ein Witz.“

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3 Kommentare

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  • "Erst drei Jahre später wurde der Polizeieinsatz vom Verwaltungsgericht für rechtswidrig erklärt, verurteilt für den tödlichen Unfall wurde nie jemand."

    Traurig. Entsetzlich, wie wenig wir seitdem dazugelernt haben.

  • Ich war damals Augenzeugin.



    Die Polizei löste die „unangemeldete Demonstration“ nach Lummers Auftritt und nachfolgenden einzelnen Pflastersteinwürfen aus der Gruppe der Versammelten mit Schlagstöcken nach kurzer Aufforderung auf und trieb die Teilnehmer auf die Kreuzung mit lebhaftem Verkehr. Dabei drängten sich einzelne, die zunächst unmittelbar vor der Polizei gestanden hatten, durch die Menge der anderen Versammelten, die zum Teil Kinder dabei hatten, durch, preschten vor, sprangen mit dem Rücken zum Verkehrsgeschehen hoch, um über die Köpfe der anderen Versammlungsteilnehmer hinweg weiter Steine auf die Polizei dahinter werfen zu können.



    Dabei schien, es mir, dass einige nicht bemerkten, dass sie sich unmittelbar im rauschenden Verkehr befanden, (in der Bülowstraße vor dem Haus standen wir ja auch auf der Fahrbahn.)



    Einer sprang mitten auf der Fahrbahn hoch, wurde dabei vom linken Vorderrad des BVG-Busses erfasst, um das Rad gewickelt und danach vor dem Busrad weitergeschleift. Ich war geschockt und verließ tief deprimiert das Geschehen, während die Polizei weiter Leute auf die Potsdamer Straße trieb.

    • @Calliope:

      Ihr Beitrag, den Sie auch zum Interview eingebracht haben, erscheint unstimmig und im Widerspruch zu den protokollierten Berichten: So der Richter, 1984: Die Beweisaufnahme habe ergeben, daß "sich die Menge [vor dem Haus Bülowstraße] friedlich verhalten und die polizeilichen Sicherungskräfte nicht bedrängt habe." Ich war dort auch dabei, da flogen keine Steine! Auch während dem Polizeieinsatz und danach an der Straße wurden keine Steine geworfen. Außerdem gab es keinen 'lebhaften' oder 'rauschenden Verkehr' in diesem Moment, denn der Verkehr stand hinter roten Ampeln, wie auch der Bus. Die PKWs blieben alle stehen, nur von der östlichen Seite - die weiter entfernt war - kamen einzelne Wagen, die dann auch anhielten. Auch dann gab es keine Steinwürfe, geschweige denn über Köpfe und einige Polizisten waren auch schon auf der Kreuzung. Kinder waren mir nicht aufgefallen. Ein erstes Krachen - womöglich ein Steinwurf - traf die Frontscheibe des Busses. Die Beschreibung des Zusammenpralls mit Rattay haben Sie hier zwar 'verbessert', klingt aber immer noch diffus. Weiter wurde auch niemand auf die Potsdamer Straße getrieben, denn das Gros der Polizisten blieb hart an der Potse stehen und riegelte gleich ab.