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Gedanken zur Quelle-PleiteKein Hochglanz mehr

Das Versandhaus wird nun endgültig geschlossen. Was den einen bewegt, lässt den anderen kalt. Ein Pro und Contra über die Leere, die das Ende von Quelle hinterlässt.

Quelle guter und schlechter Erinnerungen. Bild: dpa

PRO VON BEATE WILLMS

Doch ja: Ich werde Quelle vermissen. "Meine Quelle", wie es früher hieß. Dabei war es unsere gemeinsame: Wenn die Postbotin klingelte, weil sie das Katalogungetüm nicht in den Briefkasten bekam, standen wir Schlange. Meine Mutter durfte als Erste blättern, wir Kinder erst danach - wenn mein Vater nicht dazwischenkam.

Es war ein Born der Inspiration: Wie viel besser sahen die Kleider doch an den Models aus als auf der Stange bei C&A, wo uns die Eltern hinführten, wenn ein neuer Wintermantel anstand. Und von so manchem hätten wir ohne die Quelle überhaupt nichts gewusst. Jahrelang fragten sich meine beiden Brüder und ich, wie man sich mit dem "Massagegerät" für 9,95 Mark die Schulter massierte, wie es die Abbildung vorgab. Wie gerne hätten wir es bestellt und ausprobiert, ebenso wie den lebenden Langhaardackel, den man sich für 148 Mark schicken lassen konnte!

Meine Eltern hielten jedoch nichts von Shoppen rund um die Uhr. Zwar durfte jederzeit geguckt, geblättert und verglichen werden. Aber wenn meine Mutter den Bestellzettel ausschnitt, war immer Werktag. Und ich konnte noch so ernsthaft erklären, wie wie wichtig es für Kinder ist, früh Verantwortung für ein Haustier zu übernehmen. Bestellt wurden nur die Überziehdecke fürs eheliche Bett und drei Frotteeschlafanzüge in Rosa und Hellblau. Bis das Paket kam, dauerte es Wochen. Statt den Konsum anzuheizen, lehrte uns der Katalog Geduld und Demut.

Und dass nicht alles ist, wie es scheint. Denn wenn das Bestellte ausgepackt war, war es oft viel weniger schick als auf den Fotos, dafür aber sehr demokratisch: Auf meiner ersten Klassenfahrt trugen drei Mitschülerinnen den gleichen rosa Pyjama. Und zwei der Jungs auch.

Mit meinem Auszug in die weite Welt und Heidi Klum als Model ist den Waren später einiges an Glanz abhanden gekommen. Das Massagegerät gibt es zwar immer noch, es heißt aber ganz schmucklos "Vibrator" und wird als Teil eines "Luxus-Erotik-Set 12tlg" mit Penis-Ring und Kondomen angeboten. Der Hund dagegen ist aus dem Angebot verschwunden, seit der Versand von lebenden Tieren aus guten Gründen verboten wurde.

Trotzdem greife ich bei jedem Besuch zu Hause unweigerlich zum Katalog, aus nostalgischen Gründen und um mich wie früher inspirieren zu lassen. Meine Mutter dagegen hat kürzlich Internet gelernt - und bestellt jetzt bei Otto.

CONTRA VON MALTE KREUTZFELDT

Eine der bekanntesten deutschen Marken, die schmerzlich vermisst wird? Ein Traditionsunternehmen, dessen Katalog quasi zur Grundausstattung der deutschen Haushalte gehört?

Mit meiner Wirklichkeit hatte dieses Pathos, das sich in vielen Quelle-Berichten findet, nie etwas zu tun. Ich werde Quelle nicht vermissen. Der berühmte "Universal-Katalog" wirkte auf mich immer so spießig, dass ich ihn meiner Erinnerung nach nie in der Hand hatte. Bestellt habe ich bei Quelle erst recht nichts. Und ich kenne auch praktisch niemanden, der das jemals getan hat.

Warum auch? Schließlich leben die wenigsten Menschen auf den Halligen oder in Almhütten, sondern in der Nähe von Geschäften. Und die bieten neben der Möglichkeit zur Beratung vor allem den Vorteil, dass man die Dinge vor dem Kauf anschauen, anfassen, ausprobieren und vergleichen kann - und bei Gefallen sofort mitnehmen. (Das Verschwinden der Quelle-Schwester Karstadt würde mich darum deutlich mehr treffen.)

Und für jene Wünsche, die sich nicht vor Ort erfüllen lassen, gibt es mittlerweile wirklich bessere Lösungen als dicke Packen bedruckten Hochglanzpapiers mit einer willkürlichen Auswahl mehr oder weniger sinnvoller Produkte. Im Internet gibt es Spezialanbieter für jeden denkbaren Bereich, die nicht nur die Auswahl jedes Katalogs bei weitem übertreffen, sondern durch verlinkte Rückmeldungen von KundInnen eine gute Einschätzung über das Produkt ermöglichen. Wenn ich schon mal etwas bestellen muss - egal ob Bücher oder Handyzubehör - dann doch bitte mit den Methoden des 21. Jahrhunderts.

Und selbst das Argument der verlorenen Arbeitsplätze, dem ich grundsätzlich viel abgewinnen kann, beeindruckt mich in diesem Fall nicht sonderlich. Schließlich kaufen die Menschen nicht weniger, wenn es Quelle nicht mehr gibt. Ganz im Gegenteil: Einkäufe in richtigen Geschäften oder bei spezialisierten Internetanbietern sind vermutlich sogar personalintensiver als im weitgehend automatisierten Großversand.

Für die Beschäftigten mag das bitter sein. Aber der Skandal bei Quelle ist nicht, dass ein Unternehmen, dessen unfähiges Management neue Entwicklungen zu lange verschlafen hat, vom Markt verschwindet. Skandalös ist eher, dass dieses absehbare Ende von der Regierung mit vielen Steuermillionen bis nach der Bundestagswahl verzögert wurde.

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2 Kommentare

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  • S
    stephan

    Das Traurige an der ganzen Geschichte ist eigentlich nicht Ende an sich (das man sogar noch verhindern hätte können), sondern der unsägliche Umgang der meisten Medien mit der Quelle. Angefangen von der Süddeutschen, die Gustav Schickedanz seine Nazi-Vergangenheit bis heute nicht verziehen hat, bis hin zu jeder Nachrichtensendung, die alle den gleichen Schwachsinn behaupten: Quelle habe "das Online-Geschäft verschlafen"; weiter "auf antiquierte Kataloge gesetzt". Bitte? Quelle ist in Deutschland nach Ebay und Amazon der drittgrößte Online-Händler und hat selbstverständlich entgegen Behauptungen mancher Journalisten ein größeres Sortiment online als im Katalog. Im übrigen, wenn Kataloge out sind, warum drucken alle anderen Versender von Otto bis Neckermann (die kleinen erwähn ich jetzt mal nicht) begeistert Kataloge? Weil, wie von Otto gestern in den Tagesthemen zu hören war: die Kataloge druckt man damit Menschen im Internet bestellen. Ohne Kataloge würden sie das nämlich nicht (mal abgesehen davon, dass eine nicht unbeträchtliche Anzahl Mitmenschen "offline" leben, und zwar die deutliche Mehrheit).

    Nein, Quelle an sich war ein gesundes Unternehmen, das meiner Meinung nach an zwei Gründen gescheitert ist:

    1. selbst das beste Unternehmen blutet aus, wenn man alle halbe Jahre neue Manager hochdotiert einstellt und mit Millionen-Abfindungen wieder feuert, weil kurzfristige Ziele nicht erreicht werden konnten.

    2. Die beteiligten Banken, die teilweise nur aufgrund unserer Steuermittel weiterleben dürfen, weigern sich jetzt, das Unternehmen zu stützen, nachdem sie jahrelang fett am Ratenkauf verdient haben. Wahrscheinlich kann man aber im Kasino eben noch mehr verdienen.

     

    Sorry, wenn es etwas länger wurde, aber das musste einfach mal sein.

     

    stephan

  • E
    eppelein

    Das Ende mit der langen Vorphase. Seit Quelle als Devisenbeschaffer für die DDR wegfiel und "billige Werkbank Ost" noch östlicher einkaufte und sich der Modegeschmack änderte und und und ... Ab wann war "das Ende von Quelle" eingeläutet? Als der Scientologe Middelhoff zuschlug. RuinMeister. Für den Wirtschaftsstreich Quelle vom Weltmarkt gestoßen zu haben wurde er mit Steuergeldern fürstlich belohnt. Selbstzerstörung. Eine deutsche Philosophie