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■ KommentarGebietsreform als Chance

Es ist verständlich und berechtigt, aber nicht klug, wenn die BezirksbürgermeisterInnen beim Thema Gebietsreform weiterhin schlicht „Nein“ sagen. Die Bezirke haben in Westberlin in den letzten Jahrzehnten viel zur Vielfalt in der Stadt z. B. im Schulbereich beigetragen. Ihre Anzahl einfach preiszugeben, wäre falsch. Ihre Anzahl im Tausch gegen zusätzliche Rechte der verbleibenden Bezirke in Frage zu stellen, macht dagegen Sinn.

Es ist erfreulich, daß wenigstens einer der Landespolitiker wie der ehemalige Innensenator Erich Pätzold auf die großen Handlungsdefizite und die massive Blockadehaltung in den Hauptverwaltungen bezüglich der Verwaltungsreform hinweist und dort Veränderungen anmahnt, bevor über eine Gebietsreform beschlossen wird. Die SPD sollte die Worte ihres Genossen ernst nehmen und eine massive Verkleinerung der Hauptverwaltung zur Bedingung für eine Gebietsreform machen.

Es ist nicht anders vom Senat der Großen Koalition zu erwarten gewesen, daß er weiterhin die Hauptlast der Sparmaßnahmen auf die Bezirke abwälzt und nicht die Referatsreduzierung in den eigenen Verwaltungen, sondern die Bezirksreduzierung beschließt. Dieser Senat ist schwach, und für die Gebietsreform hat er glücklicherweise in den Koalitionsfraktionen keine sichere Mehrheit. Das Wasser steht ihm aber bis zum Hals. All dies sind gute Voraussetzungen für Verhandlungen zwischen Senat und Bezirken. Sie sollten begonnen werden.

Den Bezirken bleibt auch keine andere Wahl. Durch die Sparmaßnahmen, durch die Einrichtung des Landesschulamts, die Ausgliederung der Bäder usw. sind die Bezirke in ihrer Bedeutung massiv geschwächt worden. Sie können nicht mehr in der Stadt die Rolle spielen, die sie vor zehn Jahren in Westberlin noch innehatten. Auch ihnen steht das Wasser bis zum Hals. Sie müssen nach neuen Formen suchen, wenn es ihnen nicht nur um Ämter und Mandate geht. Auch sie sind zu Verhandlungen gezwungen und sollten um mehr Rechte kämpfen, da der Kampf um mehr Geld bei diesem Landeshaushalt aussichtslos ist. Vorrangig geht es dabei darum, mehr Einfluß auf die Stadtpolitik, auf Senatsvorlagen – vor allem aus der Bau- und der Stadtentwicklungsverwaltung zu erhalten. Sie sollten für klar umrissene Bereiche der Stadtentwicklung aus Sicht der mittelbar und unmittelbar betroffenen BürgerInnen Einspruchs- und Überprüfungsrechte erhalten.

Der Preis, den die Bezirke dafür zahlen müßten, wäre die Gebietsreform. Die Verhandlungen ständen also unter der Formel: „Gebietsreform gegen Verfassungsrecht“. Die Bezirke werden ihre Stärke daran zeigen können, ob sie diese Verhandlungen dem Senat aufzwingen. Dirk Jordan

Der Autor war Schulstadtrat in Kreuzberg

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