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Gebären in Pandemie-ZeitenWas Corona für Geburten bedeutet

In Zeiten der Coronakrise wollen viele Schwangere ihr Kind zu Hause zur Welt bringen. Zwei Hebammen und eine Schwangere berichten über ihre Situation.

Eine Hebamme tastet den Bauch einer Frau ab, die im neunten Monat schwanger ist Foto: Caroline Seidel/dpa

So richtig Ahnung, was zu tun war, hatte niemand

Corona hat unsere Klinik sehr unvorbereitet getroffen. Zwar gibt es Pandemiepläne in einem Krankenhaus – aber so richtig Ahnung, was zu tun war, hatte niemand. Es hat Wochen gedauert, bis Ansagen kamen, wie wir uns verhalten müssen: Tragen wir Mundschutz? Was machen wir, wenn eine Gebärende infiziert ist? Auch jetzt ändert sich das ständig. Wir bekommen superviele Mails und kommen kaum hinterher.

Das große Thema in den Geburtsstationen ist, ob die PartnerInnen dabei sein dürfen. Bei uns dürfen sie – aber sie können den Kreißsaal während der Geburt nicht mehr verlassen, und direkt danach müssen sie wieder gehen.

Außerdem wird sehr streng darauf geachtet, ob sie gesundheitlich fit sind. Ich verstehe das, aber für die Schwangeren ist das total krass.

Unter der Geburt allein zu sein, ist hart. Durch die Krise ist das jetzt schon häufiger vorgekommen. Da sein, Zuspruch, das brauchen eigentlich alle. Aber wir sind ganz unabhängig von Corona chronisch unterbesetzt und betreuen fast immer zu viele Frauen unter der Geburt.

Ich habe keine Zeit, über Stunden bei einer Gebärenden zu bleiben, das müssen die PartnerInnen machen. Wenn die Frauen also ganz allein sind, bin ich mit meiner Betreuung sehr unzufrieden. Ich weiß nie, ob diese Erfahrung sie nicht ihr ganzes Leben lang begleiten wird.

Und trotzdem: Wir Hebammen im Kreißsaal erwarten die Krise erst noch. Noch ist keine von uns krank geworden. Wenn eine Symptome hat, muss sie zur Arbeit kommen, weil das Personal sonst nicht reicht. Aber getestet wird nicht. Ich hoffe, dass die Testkapazitäten für medizinisches Personal bald erhöht werden. Wir fühlen uns da schon ziemlich alleingelassen.

Wir bereiten uns darauf vor, dass das, was jetzt passiert, für lange Zeit unser Alltag sein wird. Es klingt vielleicht komisch, aber die meisten von uns sind gerade sogar entspannter als sonst, weil ihr üblicher hektischer Alltag jenseits der Klinik fast zum Erliegen gekommen ist. Und unsere Aufgabe an sich bleibt ja erfüllend.

Lena Freitag* (32), Hebamme in einer Leipziger Klinik (*Anonymisiert – Lena Freitag ist nicht der richtige Name)

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Nicht aufhören, Frauen zu Hause zu besuchen

Als freiberufliche Hebamme bin ich vor allem bei Frauen zu Hause und betreue sie vom Beginn der Schwangerschaft bis zum Ende der Stillzeit. Durch Corona habe ich viel mehr zu tun: Frauen suchen gerade solche Betreuungen, weil ihnen, wie ich höre, ihre ursprünglichen Hebammen abspringen. Manche haben offenbar Angst, sich bei den Terminen anzustecken. Ich mache mir da keine Sorgen. Meine Frauen sind total verantwortungsbewusst. Wenn eine eine Schniefnase hat, ruft sie an und sagt, komm mal lieber nächste Woche.

Viele freie Hebammen bieten zum Beispiel Geburtsvorberei­tungs­kurse jetzt auch per Vi­deo­seminar an. Auch ich mache zusammen mit einer Kollegin Onlineberatungen: Was nämlich in den ersten Wochen der Krise ganz dramatisch gestiegen ist, ist die Nachfrage nach Hausgeburten. Aber auf so etwas darf man sich nicht überstürzt einlassen. Also informieren wir die Frauen in unseren Beratungen darüber, wie das abläuft. Manche sind trotz Corona besser in der Klinik aufgehoben.

Jenseits dessen ist meine Arbeit sehr körperlich. Die Frauen brauchen Nähe. Ich messe ihren Blutdruck, sehe mir Bauch und Brüste an und schaue bei Geburtsverletzungen, ob die Wundheilung regelrecht verläuft. Eineinhalb Meter Abstand zu halten, ist da natürlich ein Witz. Und die Hände gewaschen habe ich mir auch vorher schon. Klar, wenn ich nur für ein Gespräch da bin, sitze ich weiter weg. Und wenn ich die Frauen anfasse, trage ich eine Maske.

Aber wir dürfen auf keinen Fall aufhören, die Frauen zu Hause zu besuchen. Wenn wir sie nicht mehr sehen können, will ich gar nicht wissen, wie viele postnatale Depressionen nicht erkannt werden. Viele sind jetzt sowieso sehr isoliert. Neulich meinte eine, ich sei die erste Person, die seit einem Monat ihre Wohnung beträte. Aus dem Haus gegangen ist sie auch nicht mehr, um sich nicht anzustecken. Das macht mir wirklich Sorgen. Wenn wir in ein, zwei Jahren auf die jetzige Situation zurückschauen, werden wir uns fragen müssen, ob es das wert war. Oder ob diese krasse Isolation nicht auch heißt, dass Frauen und Kinder psychisch und körperlich mehr leiden als durch das Virus.

Emine Babaç (43) freiberufliche Hebamme in Berlin

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Bei der Geburt unbedingt wieder in die Badewanne

Corona führt dazu, dass ich mein Kind zu Hause gebären möchte. Auf die Idee wäre ich sonst nicht gekommen: Bis die Krise losging, hatte ich mit einer Beleghebamme geplant – also eine, die ich angerufen hätte, wenn es losgeht, die mich dann in die Klinik begleitet hätte und die die ganze Geburt über bei mir geblieben wäre. Als Mitte März der Lockdown kam und die Nachrichten von den Krankenhäusern, in denen die PartnerInnen bei der Geburt nicht mehr dabei sein dürfen, hab ich mir natürlich Gedanken gemacht. Aber ich hab dann erst mal abgewartet.

Eigentlich fand ich es gut, in einer Klinik in der Nähe zu sein. Aber die Sorgen waren da, dass ich mich dort mit dem Virus infiziere. Außerdem ist es in Berlin zwar weiter erlaubt, dass die PartnerInnen auch die Geburt begleiten dürfen. Aber hundert Prozent sicher ist das nicht – man weiß nie, wie sich die Situation entwickelt. Und sowieso: wenn mein Partner zwischendurch mal rausgemusst hätte, um bei der Babysitterin nach unserem ersten Kind zu sehen, hätte er danach nicht wieder reinkommen dürfen.

Welttag der Hebammen

Der Welttag der Hebammen findet jährlich am 5. Mai statt und soll auf die Situation und die Bedeutung der Arbeit von Hebammen hinweisen. Rund 24.000 Hebammen gibt es in Deutschland, rund eine dreiviertel Million Geburten werden sie dieses Jahr voraussichtlich betreuen. 2015 gaben Klinikhebammen in einer Studie an, oft drei oder mehr Frauen unter der Geburt parallel betreuen zu müssen. Corona erhöht nun die Arbeitsbelastung der Hebammen in vielen Fällen deutlich. (pat)

Jedenfalls hat mir meine Hebamme dann eine Hausgeburt vorgeschlagen. Kurz nach Beginn der Krise hat sie sich entschieden, das wieder anzubieten und die extrem hohe Versicherungssumme zu bezahlen, die dafür nötig ist. Das sind fast 1.000 Euro im Monat. Aber viele Frauen fühlen sich mit einer Hausgeburt während Corona offenbar sicherer.

Jetzt bin ich total gespannt. Ich habe schon seit ein paar Wochen so ein Ziehen im Bauch und glaube, dass mein Kind früher kommen wird als zum errechneten Geburtstermin Ende Mai. Seit Kurzem wäre es keine Frühgeburt mehr, worüber ich sehr froh bin: das ist in Deutschland Voraussetzung, um zu Hause zu gebären. Ich will bei der Geburt unbedingt wieder in die Badewanne.

Bei meinem ersten Kind war ich auch lange drin – und dass ich alles ohne Schmerzmittel überstanden habe, lag bestimmt auch daran. Im Krankenhaus wäre diesmal sehr spontan entschieden worden, ob ich in die Wanne kann. Zu Hause haben wir eine, die ich sicher nutzen kann.

Ich fühle mich richtig gut mit der Entscheidung. Eine Geburt zu Hause kann viel unbeschwerter sein, Nacktheit ist nicht so ein Thema, und es gehen nicht ständig fremde Leute rein und raus. Klar, wenn es Komplikationen gibt, muss ich doch noch ins Krankenhaus. Oder wenn ich starke Schmerzmittel will, die gespritzt werden müssen. Aber dann ist das eben so. Ich glaube, es geht bald los.

Katharina Schwirkus (30) schwanger in der 37. Woche

Aufgeschrieben wurden die Protokolle von taz-Redakteurin Patricia Hecht

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