Gauck zum Islam in Deutschland: Mehr Sätze als Wulff

Bundespräsident Gauck hält Ein-Satz-Formulierungen über Religion für problematisch. Er meint: Der Islam gehört nicht zu Deutschland, Muslime aber schon.

Hätte mehr gesagt als Wulff: Bundespräsident Gauck. Bild: dpa

BERLIN dpa | Bundespräsident Joachim Gauck hat sich von der Einschätzung seines Vorgängers Christian Wulff distanziert, der Islam gehöre zu Deutschland. Diesen Satz könne er so nicht übernehmen, „aber seine Intention nehme ich an“, sagte Gauck in einem am Donnerstag veröffentlichten Gespräch mit der Wochenzeitung Die Zeit.

Wulff habe die Bürger auffordern wollen, sich der Wirklichkeit zu öffnen. „Und die Wirklichkeit ist, dass in diesem Lande viele Muslime leben. ... Ich hätte einfach gesagt, die Muslime, die hier leben, gehören zu Deutschland.“ Wulffs Äußerungen hatten 2010 heftige Debatten in Deutschland ausgelöst.

Ein-Satz-Formulierungen über Zugehörigkeit seien „immer problematisch, erst recht, wenn es um so heikle Dinge geht wie Religion“, sagte Gauck, der evangelischer Theologe ist. Er könne daher auch diejenigen verstehen, die fragten: „Wo hat denn der Islam dieses Europa geprägt, hat er die Aufklärung erlebt, gar eine Reformation? ... Ich bin hoch gespannt auf den theologischen Diskurs innerhalb eines europäischen Islam.“

Das Gespräch wurde vor der Reise Gaucks nach Israel und in die Palästinensergebiete geführt, die am Donnerstag zu Ende ging. Der Bundespräsident sagte, der Satz von Kanzlerin Angela Merkel, das Existenzrecht Israels gehöre zur deutschen Staatsräson, „kommt aus dem Herzen meiner Generation“.

Aus „tiefer Zerknirschung“ geboren

Er sei nicht nur aus einer politischen Vernunft geboren, „sondern aus einer tiefen Zerknirschung. Es ist ein moralischer Appell an uns selber, bei dem ich sehr besorgt bin, ob wir die Größe dieses Anspruchs an uns selbst in politisches Handeln umzusetzen vermögen.“ Für die nächste Generation könne dieser Appell „womöglich eine Überforderung“ bedeuten, sagte Gauck.

Bis 1990 wäre ihm nie über die Lippen gekommen, dass er stolz auf sein Land sei, „niemals, unvorstellbar!“ Doch bei der Israelreise werde er neben der Last deutscher Schuld auch das Bewusstsein haben, „dass Deutschland sich Vertrauen erworben hat. Und so wie wir weiter zu Europa stehen, stehen wir weiter an der Seite Israels, wenn andere ihm das Existenzrecht absprechen“, sagte Gauck, der bis 1990 in der DDR lebte.

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