: Gastschüler müssen draußen bleiben
■ Hamburgs Schulen sind zu voll / Neuverhandlungen mit Kiel gefordert
Die Wogen um den Gastschülerstreit zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein scheinen geglättet. Eine Umfrage in den Hamburger Randgemeinden habe ergeben, daß es „keine Probleme gibt, die Schüler im Umland zu beschulen“, sagt Patricia Zimnick vom Bildungsministerium in Kiel. „Ich sehe das ganz gelassen.“
Hamburgs Bürgermeister Henning Voscherau und die Kieler Ministerpräsidentin Heide Simonis (beide SPD) hatten im Juni die Bildung einer AG beschlossen, die die Schulentwicklungsplanung von Großstadt und Umland aufeinander abstimmen solle. In zwölf Monaten soll der von Hamburg beschlossene umstrittene „Gastschülerstopp“ in Kraft treten (taz berichtete).
In den Niederungen der Provinz stellt sich die Lage etwas dramatischer dar. Eltern, die mit ihren Kindern in den Ferien weilen, können bei ihrer Rückkehr böse Überraschungen erleben. Der sicher gewähnte Platz in einer Hamburger Schule könnte plötzlich futsch sein. So widerfuhr es bereits sieben Familien aus der Randgemeinde Stapelfeld. Die bereits im Winter vorgenommene Anmeldung ihrer Kinder an den Schulen „Altrahlstedt“ und „Neurahlstedt“, so erfuhren sie wenige Wochen vor Schuljahrsbeginn, sei nicht mehr gültig.
Die Entscheidung, ab 1995 keine Umlandsschüler mehr aufzunehmen, werde „offensichtlich schon jetzt praktiziert“, schlußfolgert die CDU-Bildungspolitikerin Ingeborg Knipper. Stimmt nicht, kontert Schulbehörden-Referent Udo Frank. Das alte Gastschulabkommen von 1963 habe von jeher vorgesehen, Umlandkinder nur „im Rahmen freier Kapazitäten“ aufzunehmen. Die Schulen in Rahlstedt seien voll, weil überraschend mehr „Rückläufer“ von den Gymnasien kamen als angenommen.
Die Stapelfelder Eltern legten Widerspruch gegen den Behördenentscheid ein und bekamen eine Alternative geboten. Die Schule Denksteinweg in Jenfeld, etwa doppelt so weit entfernt, hat Platz.
Auch im Raum Reinbek-Bergedorf gibt es Probleme. Dem Reinbeker SPD-Politiker Tomas Unglaube sind allein zwei Fälle bekannt, in denen Schüler während der Sommerferien Absagen von Bergedorfer Gymnasien erhielten. In einem Fall, so Unglaube, handele es sich um das Kind eines in Hamburg beschäftigten Lehrers, in dem anderen um einen ausländischen Schüler, der auf einen Platz in Bergedorf angewiesen ist, da er dort im Anschluß eine nationale Schule besucht. Beide Schüler erfüllen die Ausnahmekriterien, die zusammen mit dem dritten Kriterium „Geschwisterkind“ in diesem Jahr noch gültig sind.
Doch zugleich müßten sich Land, Kreis und Gemeinden auch an die eigene Nase fassen. Unglaube: „Es stimmt, daß Schleswig-Holstein für die 6000 Umlandschüler sehr mies zahlt“. In einem Offenen Brief appelliert die SPD-Fraktion des Kreistages Storman daher an die Schleswig-holsteinische Bildungsministerin Gisela Böhrk und Hamburgs Schulsenatorin Raab, erneut zu verhandeln, damit Schüler, für die kein anderes Angebot besteht, weiterhin nach Hamburg können.
Brenzlig wird es auch in der nördlich von Reinbek gelegenen Gemeinde Barsbüttel. Außer einer Grundschule und einer Hauptschule gibt es dort nichts. Die SPD-Genossen in Storman machen sich für die Gründung einer Gesamtschule stark, weil so für alle Schüler ab Klasse 5 ein Angebot geschaffen würde. Wenn die Schule bis Sommer 95 die Pforten öffnen soll, müssen sich Land-, Kreis-, und Gemeindepolitiker beeilen.
Kaija Kutter
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