Gastkommentar zu Venezuela: So wird die Konfrontation verstärkt
Bekenntnispolitik in der EU verbaut alle diplomatischen Möglichkeiten in Venezuela, sagt der Politikwissenschaftler Günther Maihold.
M it ihrer Anerkennung von Juan Guaidó als „legitimem Präsidenten“ Venezuelas beschreiten Deutschland und die EU einen gefährlichen Pfad in der Außenpolitik. Bislang galt, dass sich nur Staaten gegenseitig anerkennen und nicht einzelne Personen oder Parteien. Nun gilt als Kriterium die Rechtmäßigkeit, mit der Herrschaft ausgeübt wird. Das bringt die Grundlagen europäischer Außenpolitik ins Wanken und lädt zu Debatten über eine Fülle von autoritären Regimen weltweit ein.
Da Guaidó bereits damit begonnen hat, im Ausland eigene Vertreter zu benennen, werden die Mitgliedstaaten der EU bald ganz praktisch zu entscheiden haben, wie sie mit den bei ihnen akkreditierten Vertretern der Regierung Maduros umgehen wollen und wie ihre Botschaften in Caracas die Beziehungen mit den Inhabern der staatlichen Gewalt in Venezuela gestalten werden.
Die Anerkennung eines „zweiten“ Präsidenten setzt die Außenpolitik Europas und seiner Mitgliedstaaten auf das Gleis einer „Bekenntnispolitik“, bei der man sich historisch als auf der richtigen Seite stehend betrachtet. Doch diese Wendung bringt massive Kosten mit sich: Ein solche „Bekenntnispolitik“ beraubt sich diplomatischer Möglichkeiten, indem sie einseitig Partei ergreift und damit die Position der Vermittlung und der Suche nach Verständigung räumt.
Die innenpolitische Polarisierung in Venezuela wird dadurch zementiert, Europa ordnet sich der „Jetzt oder nie“-Logik der Opposition unter. Damit wird die Konfrontation im Lande verstärkt und der gleichzeitig erfolgte Aufruf zum Dialog unglaubwürdig. Das mag im Fall Venezuela noch nicht so sichtbar sein, aber es könnte durch die dominante Rolle der USA zu Konflikten im internationalen Lager der Guaidó-Unterstützer führen, wenn es darum geht, Gewalt und Blutvergießen zu verhindern.
Die Abstimmungsprobleme der europäischen Länder werden sich verschärfen, gemeinsames Handeln wird immer schwieriger. Bekenntnispolitik greift also zu kurz, sie lässt die Handlungsfähigkeit der Außenpolitik verkümmern.
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