Gastkommentar: Gerhard Strate: Abbrechen
■ Hamburger Staranwalt gegen Brechmittel
Es scheint unbekannt zu sein, dass der Einsatz von Brechmitteln in der Rechtsprechung nach wie vor umstritten ist; weder der Bundesgerichtshof noch das Bundesverfassungsgericht haben ihn bislang ausdrücklich gebilligt. Immerhin bestimmt die Strafprozessordnung nach wie vor unmissverständlich, dass die Freiheit der Willensentschließung eines Beschuldigten nicht beeinträchtigt werden darf durch die „Verabreichung von Mitteln“. Ist der Show-Effekt der Überführung eines mit kleinen Mengen Crack handelnden Straßendealers es wert, Prinzipien, die seit Verabschiedung des Grundgesetzes Bestand hatten, einfach beiseite zu schieben?
Der Schritt zur Verabreichung der in den vierziger Jahren gelegentlich benutzten „Wahrheitsdrogen“ Evipan oder Eunarkon zur Herbeiführung schneller Geständnisse wäre die gar nicht so fern liegende Konsequenz, wenn wir uns erst einmal an den Einsatz von Brechmitteln zur Gewinnung von Beweismitteln gewöhnt haben. Das wäre dann vielleicht ein Thema für den Wahlkampf im Jahre 2005.
Einigen Kommentatoren in der Hamburger Lokalpresse scheint der Brechmitteleinsatz, wie er in der Presseerklärung der Staatsanwaltschaft dokumentiert worden ist, offenbar nicht effektiv genug zu sein. Halten sie es für sinnvoll, dass die ermittelnden Polizeibeamten schon vor Ort dem Beschuldigten Brechmittel unter Zwang zuführen? Diese unausgesprochene, aber nahegelegte Vorgehensweise wäre ein weiterer Gesetzesverstoß: denn ein derartiger Eingriff darf – wenn überhaupt – nur durch einen Arzt nach den Regeln der ärztlichen Kunst vorgenommen werden. Auch die Dosierung des Mittels ist allein Sache des Arztes, nicht des Innensenators, gleichviel ob er noch Scholz oder – hoffentlich nicht – Schill heißt. Gerhard Strate
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