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Gastbeitrag Frauen in den MedienDas Netz für die Chefinnen

Vor einem Jahr erschien die „Quotentaz“, erstellt zusammen mit ProQuote. Wo steht die Initiative für mehr Chefredakteurinnen nun?

In der taz vor einem Jahr: ProQuote macht eine Sonderausgabe. Bild: Wolfgang Borrs

Das Handelsblatt war die erste Zeitung im Land, die – 31 Jahre nach der tageszeitung – wieder eine Frauenquote einführte. Jedenfalls auf dem Papier: Seit November haben sie wieder einen Neuen in der Chefredaktion, Thomas Tuma, bisher Wirtschaftschef des Spiegels. Der Quotengegner ist da oben jetzt wieder Mann unter Männern. Am Ressortleitertisch des Spiegels sitzen dagegen immer mehr Frauen – darunter Tumas Nachfolgerin, eine Quotenbefürworterin der ersten Stunde.

Die Quotentaz vor einem Jahr war die erste Kampagne von ProQuote, und sie traf den Nerv: Erstmals gaben hier beschämende Zahlen Auskunft über die Machtverteilung in Redaktionen. Hinter den Kulissen der ach so fortschrittlichen Medien geht es leider auch nicht moderner zu als sonst wo in der deutschen Wirtschaft.

Letztes Jahr waren 98 Prozent aller Chefredakteure der deutschen Zeitungen Männer. Heute sind es 97 Prozent. Ohne Quote würde bei diesem Tempo im Jahr 2060 die Hälfte aller Zeitungen von Frauen geführt werden. Im Fernsehen gibt es 18 Prozent Chefredakteurinnen, bei den Online-Leitmedien 22 Prozent. Der Hörfunk hat, immerhin, 46 Prozent.

Wo steht die Quote?

Die Frauenmacht errechnet ProQuote nach dem Anteil der Frauen in den Redaktionen von acht Leitmedien aus der Printwelt. Der reine Prozentanteil sagt dabei wenig über die echte Machtverteilung aus. Deshalb hat ProQuote jeden Führungsjob gewichtet: Dabei wird in einer Redaktion mit vier Hierarchiestufen der Chefredakteur mit Faktor 4, die Führungskräfte darunter mit je 3, eins tiefer mit 2 und die auf der untersten Stufe mit Faktor 1 multipliziert. Am Ende wird der Anteil aller Machtpunkte errechnet, der auf Frauen entfällt.

Fazit: Bei den acht ist die Zeit ganz vornemit einem Frauenmachtanteil von 37 Prozent. Dann folgt der Stern mit 21,7 knapp vor dem Spiegel mit 19,1Prozent (der sich aber von schlappen 5,9 Prozent stark verbessert hat seit Februar 2012). Ganz hinten: Süddeutsche mit 12,5 und die Welt mit 11,5 Prozent. Die taz läuft außer Konkurrenz, weil sie schon immer eine 50-Prozent-Quote hat und diese auch fast einhält.

Den Muff bei den Meinungsblättern zeigt eine Untersuchung, für die Spiegel Online alle Leitartikel von acht großen Zeitungen auswertete. Ergebnis: Nicht einmal jeder Fünfte stammte aus der Feder einer Frau. Ohne die tageszeitung wären es sogar nur 14 Prozent gewesen. Bei der taz waren nämlich 52 Prozent der Meinungsartikel „made by women“. Das entspricht der 50-Prozent-Frauenquote der Zeitung. Nur in der taz kommentieren Frauen wie Männer NSU oder NSA, Seehofer oder Seeheimer.

In 66 Jahren beim „Spiegel“ keine Chefin

Und genau darum geht es: dass in diesem Land auch Frauen „sagen, was ist“, wie Spiegel-Gründer Rudolf Augstein mal den journalistischen Auftrag definierte.

Fast 5.000 Menschen haben bei ProQuote unterschrieben, die meisten von ihnen Journalistinnen. Wir fordern, bis 2017, einen 30-Prozent-Mindestanteil von Frauen in den Chefredaktionen, Intendanzen, Politik-, Wirtschafts- oder Kulturressortleitungen. Unser Verein engagiert sich dafür mit 180 zahlenden Mitgliedern, darunter so gestandenen Kollegen wie Anne Will, Antonia Rados oder Hans-Ulrich Jörges.

Unser Thema steht inzwischen überall auf der Agenda. Branchendienste wie meedia, kress oder turi beginnen ihre Meldungen mit „ProQuote wird’s freuen“, wenn eine Frau aufsteigt, oder „Contra Quote“, wenn eine Chefin geht.

Der Spiegel, Leithammel der Leitmedien, hatte Anfang Februar 2012 in seiner schreibenden Redaktion genau drei Chefinnen. Das waren 11,1 Prozent aller Führungsköpfe. Ende Februar traf der offene Brief an alle Chefredakteure mit der Forderung nach einer Frauenquote ein. Heute stehen mehr als doppelt so viele Frauen an der Spitze von Ressorts. Allerdings sind nur zwei von ihnen Ressortleiterinnen. Die übrigen leiten stellvertretend. Keine einzige Frau hat es in die Chefredaktion geschafft – in 66 Jahren Spiegel nicht.

Die „Bild“ ist nicht schlecht

Der prozentuale Anteil weiblicher Führungskräfte entspricht meistens nicht deren Anteil an der Macht. Wir haben ihn deshalb nach einem simplen Algorithmus gewichtet. Der Machtquotient der Frauen beim Spiegel liegt danach heute bei 19,1 Prozent, weit niedriger als ihr prozentualer Anteil (26,9 Prozent).

Und trotzdem ist es eine rasante Entwicklung. Im Februar 2012 lag die Macht beim Spiegel nur zu 5,9 Prozent in Frauenhand. Mehr Männermonopol gab’s nur bei der Süddeutschen.

Bei der Bild war man damals weiter. lm September 2013 lag der Frauenmachtanteil sogar schon bei 26,5 Prozent. Dann ging die ranghöchste Kollegin; Marion Horn wurde Chefredakteurin der Bild am Sonntag. Wer auf sie folgt? Bild-Chefredakteur Kai Diekmann hatte ProQuote „angenehme Überraschungen“ angekündigt, am Freitag wurde bekannt: Ulrike Zeitlinger, bisher Chefin von Frauenzeitschriften bei Burda, zuletzt von Donna, wird eine Stellvertreterin von Diekmann.

Es geht nicht nur um Macht, sondern auch um Jobs und Geld. Es gleicht einem Wunder, wenn Frauen aufsteigen, während überall in den Medien Arbeitsplätze wegrationalisiert werden. Frauen müssen oft als Erste gehen. Ein Grund ist das fehlende Netzwerk: Ober-Buddys halten die Hand über gefährdete Unter-Buddys. ProQuote bietet statt internem Netzwerk ein externes.

Frauenblog als Alibi

Nicht nur das Handelsblatt war besser im Ankündigen als im Umsetzen. Im März 2012 hieß es im Stern schneidig: „Unser erklärtes Ziel ist sogar, die Hälfte aller Führungspositionen an Frauen zu vergeben.“ Auch fast die Hälfte der Leser seien ja Frauen. ProQuote hat nachgezählt. Bis jetzt ist erst jeder fünfte Schreiber-Chef beim Stern eine Frau.

Die Frankfurter Allgemeine ignoriert ProQuote weitestgehend. Einmal wurde Herausgeber Frank Schirrmacher nach dem Grund gefragt. Er druckste rum und sagte dann, dass er eine 30-Prozent-Quote ja für bescheiden halte. Wir verliehen dem heimlichen Quotenfan auf unserer Jahresparty den „Trau-Dich-Frosch“.

Angenommen hat Schirrmacher die Trophäe nicht. Aber seit Neuestem gibt es den FAZ-Blog 10 vor 8. Da sagen ganz allein Frauen ihre Meinung.Wenn sie genug geübt haben, wer weiß, dann dürfen sie auch mal in der Zeitung leitartikeln. Bisher war das bei der FAZ Männerarbeit.

Richtig ernst mit Quote macht die Zeit. Und der neue Machtmix an der Spitze – es steht 37 zu 63 – macht der Redaktion offenbar Spaß; seit letzter Woche steht schon wieder eine Ressortleiterin in den Startlöchern.

Es geht nicht um Luxus

Dass Kolleginnen immer mehr Einfluss gewinnen, gefiel nicht jedem. Besagter Thomas Tuma, damals noch Spiegel-Mann, hielt ProQuote Lobbyismus in eigener Sache vor. Unser Einsatz sei in Wirklichkeit „eine luxuriöse Auseinandersetzung in der Komfortzone einer gesellschaftlichen Elite“.

Doch die Quote ist kein Fall für die Komfortzone. Als im Mai zehn „Spitzenfrauen“ aus Medien, Wirtschaft und Forschung im Bundestag mit Ursula von der Leyen, Peer Steinbrück, Sarah Wagenknecht, Katrin Göring-Eckardt diskutierten, da war die Chefin des Landfrauen-Verbands mit seiner halben Million Mitglieder dabei. In Dörfern und Kleinstädten verdienen Frauen noch mal deutlich weniger als Männer, und deshalb verlangen sie gerade dort die Quote.

Von vielen tollen Versprechen wird nun immerhin eins umgesetzt: Ab 2016 soll eine 30-Prozent-Frauenquote für Aufsichtsräte gelten. Für die Medien gilt diese Quote nicht. Aber sie ist ein Signal für jede Branche, die am Puls der Zeit sein will.

***

Die Autorin ist Vorsitzende des ProQuote e.V. Ab Montag gibt es übrigens zwei neue Kampagnen auf www.pro-quote.de – mit Musik von Jasmin Tabatabai: Ein animierter Film namens „Kleine Kais“ und ein Wettrennen mit weiblichen Jockeys bei Leitmedien.

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7 Kommentare

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  • G
    Grarenata

    Wen interessiert das Geschlecht? Es ist die Leistung und Befähigung, die zählt, oder? Und wenn man eine Quote für was auch immer einführt, entscheidet man sich bewusst gegen objektive Bewertungsmaßstäbe. Dann kommt da eben eine Frau auf den Chefsessel, egal ob die drei anderen männlichen Mitbewerber besser qualifiziert sind.

     

    Zudem haben wir auch genug Branchen, bei denen die Männer in der Unterzahl sind. Sollte man da nicht auch eine Quote einführen, oder gilt die nur ProFrau und niemals ProMann?

     

    Und irgendwie denken immer alle an Chefsessel, wenn von der Frauenquote gesprochen wird. Wie sonderbar, dass offenbar nur gewinnbringende Sesselpuperjobs im Auge sind, aber keinesfalls eine knallharte Quote bei der Kanalreinigung, dem Bergbau oder auf Erdölbohrinseln gefordert wird. Das sind vermutlich keine gemütlichen Vorteilsjobs, bei denen man für ein wenig Palieren und entschlossen Dreinblicken ein paar Millionen abstauben kann.

     

    Nein, es geht immer nur um Quote in den Bereichen, wo man reich und mächtig ist. Das entlarvt den Kern dieser "Quote". Eigentlich ist die Gleichberechtigung völlig egal, hauptsache, wir bekommen auch unser Stück vom Abstaubkuchen.

     

    Sorry, aber Topmanager und Spitzenpolitiker sind so ziemlich die dreckigsten Sozialschmarotzer, die es gibt. Wer zu dem Club gehören will, muss sich erstmal auf deren moralischen Tiefpunkt begeben. Und wer das freiwillig tut, ist keinen Deut besser und disqualifiziert sich. Unabhängig vom Geschlecht.

     

    Grarenata

  • S
    schwertlilie

    Wie hoch ist denn der prozentuale Anteil der Frauen/die Machtverteilung im Verhältnis Journalisten/Journalistinnen? Bei einem deutlich höheren Männeranteil in der Redaktion würde sich die Frage stellen, ob 50% wirklich fair sind. Und wie sehen die Aufstiegschancen für Frauen aus, die heute anfangen/vor 5 Jahren angefangen haben? Denn wenn von Führungspositionen geredet wird, sprechen wir zum Teil von Leuten, die vor Jahrzehnten angefangen haben, einer Zeit, in der Frauen wesentlich schlechter gestellt waren als heute.

    Was mich an dem Thema Quote immer etwas stört ist, dass die zeitliche Verzögerung nicht berücksichtigt wird, mit der gesellschaftliche Veränderungen sich in Führungspositionen/gut dotierten Positionen niederschlagen. Beispiel Aufsichtsrat: Das Durchschnittsalter liegt irgendwo um die 60 Jahre, kein Wunder, dass dort wenig Frauen zu finden sind.

    Schließlich spielt auch die Sozialisation eine Rolle: Wenn Frauen weniger bereit sind, sich auf Führungspositionen zu bewerben, ist das persönliches Pech. Es ist nicht Aufgabe der Unternehmen, nur wegen einer gefühlten Ungerechtigkeit ein Geschlecht besonders dabei zu unterstützen, sich in Führungspositionen zu engagieren.

  • B
    Bernd

    Ja, Männerseilschaften sind doof. Die jetzt aber auch noch um Frauenseilschaften zu ergänzen, ist irgendwie nicht so zielführend, wenn man eigentlich gleiche Chancen für alle propagieren möchte.

  • Wenn das die journalistische Qualität ist, die ProQuote in den Redaktionen durchsetzen will, dann prost Mahlzeit, meine Damen. Selten habe ich eine so wenig sachliche Auseinandersetzung mit einem kontroversen Thema gelesen.

     

    Stellen Sie sich doch mal vor, der Leser findet es gar nicht per se "beschämend", wenn Chefredaktionen NICHT nach Geschlechterproporz besetzt werden! Kommen solche Leute in Ihrer Gedankenwelt überhaupt noch vor, oder definieren Sie die einfach weg, so wie Alice Schwarzer Phänomene wie die selbstbestimmt heterosexuell aktive Frau?

     

    Stellen Sie sich gar vor, der Leser frage nach dem Grund, warum ein solcher Proporz nützlich - oder gar notwendig - sei! Was soll der mit diesem von opportunen kategorischen Imperativen und und anderen soufflierten Wertungsentscheidungen nur so strotzenden Geschreibsel anfangen?

     

    Solche Artikel sind doch nichts weiter als der Versuch, die eigene Meinung durch heftige gegenseitige Bestätigung unter Gleichgesinnten zur absoluten Wahrheit zu erheben. Mir ist ja klar, dass die taz mehr als andere Zeitungen die Agitation zu ihren Aufgaben zählt, aber soll sie wirklich zur reinen Propagandapostille degradiert werden?

  • L
    linkerohnepartei

    Lobbyismus bleibt Lobbyismus(Meine Hochachtung für den Herrn Tuma!),

    und Quotenfrau bleibt Quotenfrau.

     

    Und mal ehrlich, eine Frau Schmollack, Groll, Oestreich, Stokowski usw sind nun nicht gerade bekannt dafür, auf journalistischem Niveau zu schreiben...eher eine ewig dauernde Nabelschau.

     

    Und es ist absolut legitim gegen eine Frauenquote zu sein, insbesondere wenn diese glockenklar diskriminierend ist, siehe das glorreiche Professorinnenprogramm. Die Wisseschaftlichkeit geht den Bach herunter, und weibliche Professoren werden schon heute nicht mehr als seris erachtet.

     

    Das tragische daran ist...die linken Parteien verlieren immer mehr Wähler(mich zB), da insbesondere Männer diese extreme Frauenförderung nicht mehr mitverantworten wollen, da diskriminierend und sexistisch.

     

    Ich erkläre jedem in meinem weit überwiegenden linken Umfeld, warum ich keine linke Partei mehr wähle, und siehe da, Fakten sind überzeugender als hohle Phrasen der Parteien, die Toleranz einfordern, doch jeglichen Widerstand gegen deren Pläne des social engineering mit staatlicher Gewalt bekämpfen wollen.

    Da wird der Staat, leider, wieder einmal zum Erfüllungsgehilfen ideologischer Wunschträume missbraucht.

  • O
    Olli

    Jene, die sich von Lobbyvereinen nicht unter Druck setzen lassen, genießen meine Sympathie.

  • S
    Sachse

    "Die Frankfurter Allgemeine ignoriert ProQuote weitestgehend."

    Und deswege flattert diese Zeitung täglich in den Briefkasten und nicht taz, Zeit und co.

    Quotenregelungen sind institutionalisierte Diskriminierung von Männern. Nehmen sie bspw. die 50% Quote für Posten bei den Grünen. "Leider" sind nur 38% der Parteimitglieder weiblich. Das heißt die Chance als weibliches Parteimitglied einen Posten, ein Amt oder sonst was bei den Grünen zu ergattern, ist 1.6 mal so hoch wiefür männliche Parteimitglieder. Ist das etwas keine Diskriminierung? Das ist immer wieder einfach nur unglaublich was hier mittlerweile los ist....