Gas verdrängt Kohle: Zum Gas-Glück gezwungen
Bremer SWB gibt grünes Licht für neues Gaskraftwerk. Das soll Windkraft-Strom ausgleichen. Den Kohlekraftwerksplänen, an Protesten gescheitert, trauert niemand nach.
BREMEN taz | Der Bremer Energieversorger SWB will noch im April mit dem Bau eines 445 Megawatt starken Gas- und Dampfkraftwerks auf dem Gelände der Bremer Stahlwerke beginnen. Der Aufsichtsrat gab am Montag grünes Licht für das 450 Millionen Euro teure Projekt, nachdem mindestens ein weiterer Großinvestor seine Beteiligung zugesagt und die Bahn einen langfristigen Strom-Abnahmevertrag über 165 Megawatt unterzeichnet hatte. Die Baugenehmigung liegt bereits vor, der erste Strom soll Mitte 2013 ins Netz fließen.
Der SWB-Vorstandsvorsitzende Willem Schoeber stellte neben den vergleichsweise niedrigen CO2-Emissionen - der Wirkungsgrad liegt bei 58 Prozent und damit rund 20 Prozentpunkte höher als bei einem modernen Steinkohlekraftwerk - insbesondere die schnelle Regelbarkeit der Anlage heraus. Das Kraftwerk sei damit ideal, um schwankende Stromerzeugung etwa aus Windkraftanlagen zu ergänzen. Der Bremer BUND begrüßte den Bau vor allem aus diesem Grund als "richtigen Schritt".
Nicht immer war man hier so gut auf die Kraftwerkspläne des lokalen Energieversorgers zu sprechen. Noch vor wenigen Jahren wollte der nämlich kein Gas- und Dampfkraftwerk bauen, sondern einen 900-Megawatt-Steinkohleblock mit einem deutlich schlechteren Wirkungsgrad. 5,3 Millionen Tonnen CO2 hätte der Ofen jedes Jahr emittiert - den klimabewussten BremerInnen stieß das äußerst übel auf.
Im Mai 2007 schlossen sich die Umweltverbände Nabu, BUND, Robin Wood sowie die Aktionskonferenz Nordsee zum Bremer "Bündnis für Klimaschutz" zusammen. Dessen Hauptziel: das SWB-Kohlekraftwerk zu verhindern. Es blieb nicht bei Demonstrationen allein. Wütende Protestler drangen in die Firmenzentrale ein und blockierten das Treppenhaus.
In einem gemeinsamen Flyer riefen die vier Verbände SWB-KundInnen dazu auf, ihre Stromverträge zu kündigen und zu Öko-Anbietern zu wechseln. Die SWB, damals schon wegen ihrer Gaspreis-Erhöhungen massiv in der öffentlichen Kritik, verlor binnen drei Monaten mindestens 1.000 Strom-KundInnen.
Um ein Haar wäre das von der SPD stets protegierte Kohleprojekt noch zu einem Stolperstein für die gerade neu gewählte rot-grüne Koalition geworden. Doch kurz nach der Wahl zog die SWB die Notbremse - offiziell aus wirtschaftlichen Gründen.
Vor fünf Wochen nun unterzeichneten Schoeber und DB Energie-Geschäftsführer Hans-Jürgen Witschke den Bahnstrom-Vertrag. Das Kohlekraftwerk, präzisierte Schoeber da rückblickend, hätte, um sich zu rechnen, "viel mehr Betriebsstunden laufen müssen, als wir im Zusammenspiel mit den erneuerbaren Energien brauchen". Und noch aus einem anderen Grund sei man "sehr froh", dass aus dem Kohle- nun ein Gaskraftwerk geworden sei: wegen der Akzeptanz. "Sonst hätten wir ganz andere Diskussionen hier."
Witschke stellte heraus, dass die Bahn über ihre Beteiligung am Bremer Gaskraftwerk nun erstmals Zugriff auf nennenswerte Regelkapazität habe, "um die schwankende Einspeisung der erneuerbaren Energien in den Griff zu bekommen." Für den Anfang rechnet Schoeber damit, dass 20 Prozent der Kraftwerksleistung als Regelkapazität vermarktet werden und 80 Prozent der Dauerstromproduktion dienen - wegen des Ausbaus der erneuerbaren Energien allerdings mit "sinkender Tendenz".
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