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■ Garnelenzüchter ruinieren die thailändische Küste: Das Land verödet, Mangrovenwälder verschwinden, die Landwirtschaft weicht dem Exportartikel. Die Garnelen sind häufig mit Chemie vollgepumpt, auch wenn Tierärzte wenig nachweisen könnenH

Garnelenzüchter ruinieren die thailändische Küste: Das Land verödet, Mangrovenwälder verschwinden, die Landwirtschaft weicht dem Exportartikel. Die Garnelen sind häufig mit Chemie vollgepumpt, auch wenn Tierärzte wenig nachweisen können

Harte Schale, gefährlicher Kern

Selten sind Wirtschaftssanktionen von einem bestraften Land so wohlwollend aufgenommen worden. Als die USA kürzlich verkündeten, sie wollten die thailändischen Garnelenfänger boykottieren, weil sich in deren Netzen jährlich Tausende Meeresschildkröten verfangen, gab es keinerlei Proteste aus Bangkok. Obwohl Thailand mit der Garnelen-Ausfuhr vor Ecuador und Indonesien an der Weltspitze liegt und daraus ein Fünftel seines Exporteinkommens erzielt, reagierten die Unternehmer des Landes geradezu heiter und gelassen auf das US-Verbot.

Der Grund: Über 80 Prozent der thailändischen Garnelen werden nicht auf hoher See gefangen, sondern in küstennahen Teichen gezüchtet. Deshalb sind sie von dem Embargo nicht betroffen. Im Gegenteil – die US-Strafaktion gegen Schildkrötenmeuchler könnte das Geschäft der thailändischen Garnelenzüchter ankurbeln.

Allerdings könnte ihnen das Schmunzeln bald vergehen. Denn immer lauter werden die Proteste im eigenen Land gegen die dramatischen Konsequenzen der industriell organisierten Garnelenproduktion: Ganze Küstenregionen Thailands veröden, Fischer und Farmer verarmen und müssen ihre Heimat verlassen, berichtet der Sozialarbeiter Pisit Chansnoh, der gemeinsam mit seiner Frau Pleongjai die Umweltorganisation „Regentropfen“ in Südthailand leitet.

Denn das Abwasser aus den Garnelenfarmen zerstört die Ernte der benachbarten Reisbauern. Salz, Pestizide, Antibiotika und Dünger aus den Becken verunreinigen Grundwasser, Flüsse und Meer. Viele der Mangrovenwälder – unter deren hohen Stelzenwurzeln Pflanzen und Tiere auch bei rauher See sicher sind – mußten der Garnelenzucht weichen. Folge: Ganze Küstenstriche bröckeln ab, Sturmfluten werden nicht mehr gebremst und überschwemmen Felder und Dörfer bis weit ins Land hinein.

Bis zum Ende dieses Jahrhunderts, schätzen Umweltschützer, werden die Hälfte der Mangrovenwälder Thailands verschwunden sein. Seit 1960 gingen bereits 390.000 Hektar verloren – gut ein halbes Prozent der Gesamtfläche des Landes.

Es sind jedoch nicht nur thailändische und internationale Umweltgruppen, die vor dem unbedarften Genuß von Zuchtgarnelen warnen: Jüngste Berichte über unhygienische Produktion und Verarbeitung in einigen Garnelenfarmen schlagen auch fanatischen LiebhaberInnen des Schalentiers auf den Magen. Mit Schrecken berichtete der Reporter einer thailändischen Tageszeitung kürzlich vom Gestank, der ihm aus der dunklen Brühe eines Garnelenteichs entgegenkam.

Die USA zum Beispiel lassen deshalb nur noch Zuchtgarnelen ins Land, wenn sie von anerkannten Firmen verarbeitet wurden. Immer wieder zwingt die US-Ernährungsbehörde Importeure, ihre Ware zu vernichten oder zurückzuschicken, weil sie von Salmonellen infiziert, verdreckt oder bereits im Stadium der Zersetzung ist. Das Image der asiatischen Exporteure sei deshalb ziemlich schlecht, stellte kürzlich Budi Rahardjo von der indonesischen Landwirtschaftsbehörde fest.

Dabei schien den Siegeszug der Zuchtgarnele in Privatküchen und Restaurants der Welt, der in den siebziger Jahren begann, lange Zeit nichts bremsen zu können: AmerikanerInnen, JapanerInnen und EuropäerInnen verspeisten Penaeus merguiensis, Penaeus monodon oder Penaeus latissulcatus nicht mehr nur als Feiertags-Delikatesse, sondern warfen sie bald ganz alltäglich in Suppen und Salate, tunkten sie in Currysauce und Mayonnaise, kochten, grillten und brieten sie. Asiens Küche wurde nicht zuletzt mit Hilfe der thailändischen Schwarzen Tigergarnele weltweit immer beliebter.

Geradezu wunderbar schienen daher Nachfrage und Angebot zusammenzutreffen: Viele Küstenbewohner der klimatisch begünstigten Regionen Asiens und Lateinamerikas stiegen in den letzten Jahren auf die Garnelenzucht um – ein wahres Garnelenzucht-Fieber brach aus. Fischer und Bauern, die früher in kleinen Wasserstellen die mit der Flut herangeschwemmten Babygarnelen aufgefangen und bis zur Ernte bei „Volljährigkeit“ festgehalten hatten, gruben nun – häufig im Auftrag großer Verarbeitungsunternehmen – zahllose riesige Teiche. Wo früher 4.000 Garnelen schwammen, wurden jetzt, mit Hilfe von großzügigen Beigaben an Pestiziden, Antibiotika, Dünger und Futtermitteln über 100.000 dieser Tierchen gepäppelt.

Eifrig pumpten Weltbank und internationale Entwicklungsorganisationen Millionenkredite in diesen neuen Produktionszweig, der keinerlei Absatzschwierigkeiten zu kennen schien. Wie in der Landwirtschaft die „grüne Revolution“, entwickelte sich in der Aquakultur eine „blaue Revolution“, schwärmten Ökonomen.

Doch die Begeisterung hat nicht nur bei Bewohnern der betroffenen Regionen, sondern auch in den Ministerien einiger Exportländer nachgelassen. Denn es dämmert ihnen, daß die großflächige und intensive Garnelenzucht nicht nur ökologisch bedenklich, sondern auch wirtschaftlich höchst anfällig ist.

Bestes Beispiel ist Taiwan, das 1987 vor Thailand weltgrößter Exporteur von Zuchtgarnelen war. Nachdem Viren die dortigen Teiche befallen hatten, fiel die Ausfuhr binnen zweier Jahre um 80 Prozent. Jutta Lietsch, Bangkok

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