■ Trotziges Dorf zeigt Telekom die Grenzen auf: Gallischer Widerstand im Allgäu
Betzigau (taz) – 1998. Das ganze Allgäu ist von Mobilfunkmasten übersät. Das ganze Allgäu? Nein! Ein von unbeugsamen Allgäuern bevölkertes Dorf hört nicht auf, der Telekom zu trotzen. Und macht den Herren der Sendemasten das Leben schwer, denn in diesem Dorf will man derlei nicht, nicht mittendrin jedenfalls!
Das Dorf heißt Betzigau, der Ortsteil Holzgreut. Es liegt ganz idyllisch im Oberallgäu und hat etwas, was die Telekom-Tochter T-Mobil gerne hätte – Strom für ihre Sendeanlage. Man fährt und fährt, verwinkelte, enge Bergstraßen hoch, und steht irgendwann plötzlich hoch oben im Voralpenland in einer Bilderbuchlandschaft. Eine verschworene Dorfgemeinschaft baut gerade das Bierzelt vom Wochenende ab. Jeder hilft jedem. Doch die Idylle trügt. In Hochgreut herrscht helle Aufregung wegen einer Mobilfunksendeanlage. „Wir lehnen es ab, daß solche Anlagen mitten im bewohnten Bereich errichtet werden. Wir hätten genug Raum im Außenbereich, darüber muß man ganz einfach reden.“ Sagt Bürgermeister Roland Helfrich. Man wolle in einer Situation, in der sehr viel über die Gefahren von Elektrosmog diskutiert wird und sich nicht einmal die Experten einig seien, auf Nummer Sicher gehen und nicht direkt in die Wohnbebauung mögliche Gefahrenquellen setzen.
Doch mit sich reden lassen wollte die Telekom-Tochter T-Mobil nicht. „Die haben uns richtig verarscht bei einer sogenannten Informationsveranstaltung“, empört sich Josef Griesmann, der auch den Landwirt mit der Sendeanlage in Schutz nimmt. Auch der sei mit falschen Informationen und Halbwahrheiten überrumpelt worden. „Völlig arrogant waren die Herren aus München. Sie sagten: ,Ihr könnt machen, was ihr wollt. Am 2. Juli geht die Anlage in Betrieb.‘“ Satz mit X!
Den Masten etwas außerhalb der Wohnbebauung, dem man in der trotzigen Gemeinde ja zugestimmt hätte, wollte und will die Telekom nicht. Lapidar bekam der Herr Bürgermeister mitgeteilt, man brauche für eine solche Sendeanlage laut bayerischer Bauordnung gar keine Genehmigung. Aber das war den Betzigauern denn doch zu viel, und sie besannen sich auf eine typisch Allgäuer Eigenart: Gewitztheit und eine deftige Portion Sturheit. Wo doch die T-Mobiler auch so stur waren.
Die hatten nämlich nicht bedacht, daß sie für ihre schöne Sendeanlage Strom brauchen. Und die Stromleitung müßte nun mal unter einer drei Meter breiten Gemeindestraße hindurchführen. Dafür gibt's nun kurzerhand die erforderliche Genehmigung von der Gemeinde nicht.
In der Zwickmühle ist inzwischen die Bauersfamilie, die sich die Sendeanlage aufs Dach hat bauen lassen. Das Ding ist längst fertig, kann aber wegen der fehlenden drei Meter Stromleitung nicht betrieben werden. Der Landwirt würde liebend gerne alles rückgängig machen. „Wenn ich gewußt hätte, was das für Kreise zieht, hätt' ich mir das gar nicht erst aufs Dach bauen lassen.“ Jetzt werde alles auf seinem Rücken ausgetragen. Und von einer Standortverlegung will die Telekom nichts wissen.
Ungefährlich sei das alles, das hätten Gutachten bewiesen, sagt Telekomsprecher Waldemar Zcauderna. Man müsse die Mobilfunkversorgung sicherstellen, und den Widerstand der Gemeinde werde man so nicht hinnehmen. Doch woher den Strom nehmen und nicht stehlen?
Ähnlich ausgetrickst wie die Betzigauer fühlen sich auch die Bürger von Wessobrunn in Oberbayern, wo die Telekom einen Sendemastdeal mit dem Kloster vereinbarte. „Wir werden versuchen, das durch ein Bürgerbegehren zu verhindern“, meint Dieter Ferg. „Die nötigen Unterschriften haben wir schon beisammen. Wir hatten auch schon eine Demonstration, denn so nehmen wir das nicht hin.“ Der Telekom weht also ein scharfer weiß-blauer Gegenwind ins Gesicht und nicht mal hinter Klostermauern sind sie vor den Sendemasten-Rebellen sicher. Klaus Wittmann
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