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Gala zu einem Jahr utopia.deWeltrettung geht ohne Ethik

Die Hollywood-Schauspielerin und Öko-Aktivistin Daryl Hannah gibt der utopia-Konferenz in Berlin Glamour. Die große Show liefert Ökovisionär Michael Braungart. Preis für EWS-Ökostrom

Community für "strategischen Konsum". Bild: screenshot utopia.de

BERLIN taz Die Schauspielerin Daryl Hannah glaubt, dass viele Prominente nicht wissen, wie sehr sie als Role Model für ökologischen Lebensstil wirken und wirken können. "Ich denke nicht, dass viele wissen, wieviel Kraft ein beispielhaftes Leben hat", sagte sie am Samstag auf der Utopa-Konferenz in Berlin. Das sei "viel wichtiger als auf einem Podium zu sein".

Hollywoodstar Hannah (47), eine der Hauptdarstellerinnen in Tarantinos "Kill Bill", war der Stargast der Konferenz des Internetportals für bewussten Konsum. Sie ist seit vielen Jahren Öko-Aktivistin und sprach über die Notwendigkeit und Möglichkeit von persönlichen und gesellschaftlichen Veränderungen in Zeiten des Klimanwandels. "Es gibt so viele Wege, von der Couch runter zu kommen", sagte Hannah.

Utopia hatte zu der Konferenz 500 sogenannte "Change-Maker" aus den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Medien eingeladen. Am Abend wurden auch die utopia-Preise vergeben. Das Internetportal hat nach einem Jahr 30.000 sogenannte "Utopisten", das sind registrierte Verfechter eines nachhaltigen Lebensstils und Konsums.

"Wir sind kleiner als wir sein wollten", sagte Gründerin Claudia Langer, "aber wir wachsen organisch und wir werden gehört." Dass es utopia gelang, den grünen Hollywoodstar Hannah ins Radialsystem nach Berlin zu holen, ist ein echter Coup.

Nicht der Einzige: Bei der utopia-Konferenz konnte man am Buffet entspannt mit dem Schauspieler und Kuratoriumsmitglied Axel Milberg darüber plaudern, wie er als Kieler Kommissar etwas nachhaltigen Lebensstil in den ARD-Tatort bringt. Das lässt zum Beispiel die deutschen Umweltverbände alt aussehen, die sich meist vergebens um etwas grünen Glamour mühen.

Während Hannahs Vortrag emotional war ("Liebe ist die Antwort") bot ein deutscher Professor aus Schwäbisch Gmünd die große Show - inhaltlich und auch in puncto Unterhaltungsfaktor. Michael Braungart, Ökovisionär und Erfinder des "Cradle to Cradle"-Prinzips, erhielt für seinen Vortrag minutenlangen Beifall. Braungart ist wissenschaftlicher Leiter des Hamburger Umweltinstituts, wirkt seit vielen Jahren auch in den USA und entwickelt komplett wiederverwertbare Produkte.

Seine These: Das Bemühen einer Öko-Elite um Null-Emission und Nachhaltigkeit sei "Schuldmanagement" und führe in die Irre. Es gehe nicht um Energieeffizienz, sondern um Energie-Effektivität. Das Problem sei weder der Mensch, noch die Anzahl der Menschen, sondern das Denken.

"Wenn wir etwas falsch machen und wir machen den Prozess effizienter, dann machen wir es nur richtig falsch." Es gehe nicht darum, etwas "weniger kaputt zu machen". Es gehe darum, es richtig zu machen, also nach dem "Cradle to Cradle"-, dem "Wiege zu Wiege"-Prinzip. Heißt: Nicht weniger Abfall, sondern Kreisläufe, in denen überhaupt kein Abfall mehr entsteht.

In einem dreißigminütigen Parforce-Ritt rechnete Braungart weniger mit George W. Bush ab ("Kriegsverbrecher") als mit dem Oscar- und Friedensnobelpreisträger Al Gore, dem er "Nazi-Sprache", Sabotieren des Kyoto-Protokolls und achtjähriges Nichthandeln als Vizepräsident attestierte.

Zum ehemaligen Umweltminister Jürgen Trittin (Die Grünen) habe er gesagt: "Weißt Du Jürgen, warum Du den Nobelpreis nicht gekriegt hast? Weil du nur sieben Jahre nichts getan hast."

Dass der Schauspieler Brad Pitt das Buch "Cradle to Cradle" eines der "drei wichtigsten Bücher, die ich gelesen habe" nennt? Das freue ihn, sagte Braungart. Allerdings wisse er nicht, ob Pitt tatsächlich schon drei Bücher in seinem Leben gelesen habe.

Die "Weltrettung" wie Gore zur großen ethischen Aufgabe der Menschheit zu erklären, hält Braungart für unnötig. "Sie brauchen keine Ethik", sagte er, "es reicht vollkommen, wenn Sie kein Idiot sein wollen".

Die erstmals vergebenen utopia-Preise gehen in der Sparte Unternehmen an das Ökostrom-Unternehmen EWS Schönau und die GLS-Bank; in der Sparte Vorbilder an den taz-Panter-Preisträger Benjamin Adrion sowie die Ökostromparty-Erfinderin Ulla Gahn; in der Sparte umweltfreundliche Produkte an das Elektrofahrrad E-Bike und an Bionade. Der in Zusammenarbeit mit den taz.de-Lesern vergebene Preis für den "Verhinderer des Jahres" ist noch nicht vergeben.

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1 Kommentar

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  • DK
    Dr K

    Klingt komisch, ist aber gar nicht schlecht.

    Was nämlich an manchen bestehenden "Weltrettungsbewegungen" wirklich unappetitlich ist, ist das moralschwere "mea culpa", die (überaus arrogante) Überzeugung, höhere moralische Werte erkannt zu haben. Das schreckt doch alle nicht-Sozialpädagogen ab!

    Umweltschutz muss rational sein. Und vor allem konkret! Der antarktische Eisschild schmilzt? Das ist erstens falsch (das Gegenteil ist der Fall), zweitens will ich wissen: was kann man dagegen tun!

    Wir sollten uns die Tränen aus den Augen wischen und ein bisschen weniger flagellantenhaft daherkommen. Das bringt vielleicht frische Ideen!