Gabriels Umbaupläne für die SPD: Sie wollen so bleiben, wie sie sind
Sigmar Gabriel will die Sozialdemokraten reformieren, Präsidium und Vorstand halbieren, den Parteirat abschaffen. Doch in den Gremien wächst der Widerstand.
BERLIN taz | Es gibt Wochen im Leben eines Parteichefs, da geht alles schief; es gibt Projekte, da ist alles schwierig. Selbst ein Brief. Hier: ein Mitgliederbrief von Sigmar Gabriel und Generalsekretärin Andrea Nahles an die SPD-Basis. "Wir freuen uns auf Ihre Beträge, Anregungen und Ideen", schreiben die Spitzensozialdemokraten am 27. Mai. Ein kleiner Rechtschreibfehler, ein fehlendes "i". Und doch auch ein Symbol für eine Parteireform, in der es hakelt und quietscht und nichts so richtig rund laufen will.
Im Herbst 2009 waren Gabriel und Nahles an die SPD-Spitze gewählt worden. Eines der wichtigsten Vorhaben: Die angestaubte SPD sollte von innen verändert, geöffnet und wieder attraktiver für Nichtmitglieder gemacht werden.
Nach rund anderthalb Jahren Arbeit an dem Projekt wurde vergangene Woche bekannt, wie eine solche Reform aussehen könnte: Das Parteipräsidium soll demnach von 17 auf 9 Mitglieder reduziert werden, der Bundesvorstand von 45 auf 20, der Parteirat soll gar völlig abgeschafft und durch einen Länderrat ersetzt werden – so der Vorschlag der Generalsekretärin.
Dazu lässt Parteichef Gabriel seit längerer Zeit kaum eine Gelegenheit aus zu betonen, dass auch die Entscheidung über Kandidaturen wie die des Kanzlerkandidaten für Nichtsozialdemokraten geöffnet werden könnte.
Die betroffenen SPD-Politiker, deren Gremien verkleinert oder abgeschafft werden sollten, protestieren: "Das wird so nicht passieren", sagt der schleswig-holsteinische Landesvorsitzende Ralf Stegner, "es wird Änderungen an der Reform geben." Und der Parteiratsvorsitzende Claus Möller kommentierte am Montag im Berliner Willy-Brandt-Haus lapidar, er sei mit Blick auf die Pläne der Parteispitze "not amused".
Eigentlich hätte kurz zuvor über die Vorschläge in den betroffenen Gremien beraten werden sollen. "Da wird es Unmut geben", sagte ein Parteivorstandsmitglied unmittelbar bevor die Sitzung begann. Doch zur Diskussion kam es nicht. Der Tagesordnungspunkt wurde verschoben - offiziell wegen der Energiedebatte. "Einstimmig", wie Andrea Nahles betonte. Der Streit soll an allen Stellen begrenzt werden. So betonte Nahles, man habe "eine Debatte begonnen, nicht beendet".
Der Schaden innerhalb der SPD ist für die Parteispitze immens. Zahlreiche Spitzenpolitiker kritisierten die Pläne, am Sonntag ließen die Unterbezirksvorsitzenden in der Berliner Parteizentrale ihrem Ärger Luft.
Und auch für Parteichef Sigmar Gabriel steigt der Druck. "Die Art der Kommunikation über Interviews ist ein Problem", sagt Präsidiumsmitglied Stegner. "Gremienstrukturen müssen erst mit den betroffenen Gremien diskutiert werden."
Direkt will er Gabriel nicht angreifen, der leiste eine schwierige Arbeit. "Er braucht Unterstützung, die er auch bekommt - wenn er andere einbindet." Bittersüßer kann man eine Kritik kaum formulieren.
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