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Gabentisch oder Rumpelkammer?

■ Aus der Reihe: Einzureißende Neubauten

Ist das Fest vorüber, sind die letzten Gäste gegangen, beginnt das Aufräumen. Was macht man mit den Geschenken? So einiges wird wohl einen Ehrenplatz bekommen, anderes wandert, ungeliebt, in die Rumpelkammer. Nicht nur zu seinem Geburtstag hat Berlin diverse Geschenke erhalten, die Schenkerei begann schon viel früher. Leider handelte es sich bei einigen der Präsente um Immobilien, im wahrsten Sinne des Wortes. Eine größere Ansammlung davon findet sich im Tiergarten, und es sollen noch einige dazukommen. Eine regelrechte Geschenkecke bildet sich da heraus, eine Ecke, die Gefahr läuft, die Rumpelkammer Berlins zu werden.

Alles fing damit an, daß Wilhelm I. und später Wilhelm II. „dem deutschen Volke“ einen Reichstag verehrten. Genau das gleiche Geschenk möchte der Hausherr, Bundestagspräsident Jenniger, jetzt den Berlinern? - dem deutschen Volke? - sich selbst? noch mal machen. Komplett mit allem ursprünglichen Pomp (Zierrat), Kuppel und Türmen. Zu sehr scheint die jetzige Gestalt an ein Geschenk zu erinnern, das die Nazis den Deutschen gemacht haben, jene feuerliche Auflösung des Reichstages.

Das nächste steinerne Geschenk war ein transatlantisches, die Kongreßhalle, nicht echt steinern, eher betonbröselig. Sie mußte vom Senat nochmal, als Geschenk an sich selbst gewissermaßen, erbaut werden. Zähneknirschend zeigte der Beschenkte, welche Wertschätzung dem Präsent entgegengebracht wird. Manches Geschenk kommt einen teuer zu stehen.

Überhaupt, die Selbstbeteiligung des Empfängers wird zur Mode. Neben der Kongreßhalle erhebt sich der natursteinverkleidete Carillonphallus der Daimler Benz AG. Eine Mittäterschaft zumindest auf finanziellem Gebiet muß der Senat auf sich nehmen. Ob die spät-Sperrsche Architektur, weniger griechisch-römisch dafür mehr machtvoll -klotzig, allein dem Gestaltungsbedürfnis der Konzernherren entsprungen ist?

In Mariendorf macht der Sternkonzern den Berlinern auch ein Investitionsgeschenk, eine Fabrikationshalle, die eigentlich nicht gebraucht wird. Da gibt's Wirtschaftssubventionen, hätte es die für das Carillon gegeben, die Schwaben hätten sicher den vollen Preis bezahlt.

Es ist schon schlimm, wenn man zuviel Geld verdient. Bleiben wir im Tiergarten. Das nächste Geschenk kommt von ganz oben. Ja, der Verdacht, daß Kanzler Kohl gedenkt, seinen Ruhm nicht unbeträchtig zu erhöhen vermittels der Kosten für das Deutsche Historische Museum, drängt sich auf.

Und dann, wer was geschenkt bekommt, darf sich ja nicht beklagen, wie sieht denn das aus? Egal wie das Ding eines Tages aussieht, ob Aldo Rossi an diesem Ort noch mehr Säulen errichten darf, als selbst Speers kühnste Planungen vorsahen, es wird eng werden in der Rumpelkammer, wenn der Klotz da steht.

Ein letztes Geschenk, das der Senat uns macht, in diesem Falle den Autofahrern, scheint sich auch noch unausweichlich hierhin zu drängeln. Autobahn darf man's nicht nennen, Nord -Süd-Verbindung klingt für dieses Vorhaben etwas zu läppisch, Parkway ist auch out, weil es doch ein Tunnel wird, bleibt es eben ein Geschenk des Senats. Wie hat der gute Feuilletonist sein Traktat abzuschließen? Klassisch natürlich! Also denn: Fürchte die Danaer, besonders, wenn sie Geschenke bringen!

Jürgen Witte

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