piwik no script img

GRÜNE DISKUTIEREN ECKPUNKTEPAPIER ZUR GENTECHNOLOGIERisiko und Nutzen der Realpolitik

Dass die Grünen im Bereich der Gentechnologie sich längst von ihrer Fundamentalopposition verabschiedet haben, ist nicht Neues. Schon die 1998 unterzeichnete Koalitionsvereinbarung dokumentierte den Wandel vom grundsätzlichen Nein zu einer abwägenden Politik. Eine begleitende Risiko-Nutzen-Analyse sollte zum Maßstab grünen Handelns werden. Der gleiche Duktus findet sich jetzt in dem Eckpunktepapier zur Gentechnologie, das die grüne Bundestagsfraktion nun diskutiert. Einerseits wird vor den Risiken gewarnt: Eine genetische Diskriminierung durch Versicherungen und Arbeitgeber, den Menschen nach Maß und das designte Wunschkind dürfe es nicht geben. Zu verhindern gilt, dass Gentech-Pflanzen zu einer genetischen Umweltverschmutzung führen. Andererseits wollen die Grünen nicht mehr die Augen vor den Chance der Gentechnologie verschließen.

Betrachtet man die letzten zwei Jahre, so war die grüne Politik im Bereich der Gentechnologie nicht gerade erfolgreich. Die Schere zwischen grundsätzlich formulierten Positionen und Realpolitik klafft unübersehbar auseinander. So haben die grünen MinisterInnen vor kurzem erst das umstrittene neue Biopatentgesetz im Kabinett mit verabschiedet – wenn auch mit Bauchschmerzen. In ihrem Eckpunktepapier fordern sie dagegen nun eine grundsätzliche Überarbeitung der Europäischen Richtlinie. Denn: „Leben ist nicht patentierbar.“ Auch die positiven Verlautbarungen grüner Spitzenpolitiker zur europäischen Grundrechtecharta kollidieren mit dem Eckpunktepapier. Zwar wird die Grundrechtecharta dort nicht explizit erwähnt, aber deutlich wird eine ablehnende Haltung gegenüber der europäischen Bioethikkonvention formuliert, die jedoch inhaltlich im Bereich Biomedizin mit der Charta weitgehend übereinstimmt: Beide Regelwerke lassen etwa zu, dass an geistig behinderten Menschen geforscht wird, die dem nicht zustimmen können. Wenn die Grünen es tatsächlich ernst mit ihrem Eckpunktepapier meinen, dann müssen sie sich auch klar gegen die Grundrechtecharta aussprechen.

WOLFGANG LÖHR

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen